Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

< 12. FEBRUAR 1933
16. FEBRUAR 1933 >

Dienstag,
14. Februar 1933

Veranstaltung des »Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« zum Thema »Die Zukunft der deutschen Juden«

Mit über 60.000 Mitgliedern bildete der »Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« (CV) Anfang der 1930er Jahre die größte Organisation der deutschen Juden. Gegründet wurde er im Jahr 1893, um Antisemitismus zu bekämpfen und die Rechte der deutsch-jüdischen Bevölkerung zu verteidigen und durchzusetzen.

Am Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar veröffentlichte das Präsidium des Vereins eine Erklärung, in der es das Misstrauen und die abwartende Haltung des CV gegenüber der neuen Regierung ausdrückte, zugleich jedoch sein Vertrauen auf Reichspräsident von Hindenburg deutlich machte. Fast beschwörend hieß es: »Aber auch abgesehen davon sind wir überzeugt, daß niemand es wagen wird, unsere verfassungsmäßigen Rechte anzutasten.«

Zwei Wochen später lud die Ortsgruppe in Krefeld zu einer Veranstaltung ein mit dem Titel »Die Zukunft der deutschen Juden«, an der Julius Brodnitz (1866–1936) und Arthur Sandelowsky (1892–1946) teilnahmen, zwei hochrangige Vereinsvertreter. Womöglich waren es antisemitische Vorfälle in und um Krefeld, welche den Verein dazu motivierten: Am 31. Januar waren im benachbarten Viersen die Scheiben eines jüdischen Geschäfts und eines Privathauses durch Steinwürfe zerstört worden, fünf Tage später war auf das Haus einer jüdischen Familie geschossen worden. In Krefeld hatte man in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar an der Synagoge drei Fenster eingeschlagen.

Von der überfüllten Veranstaltung berichtete die »CV-Zeitung«, das Hauptorgan des Central-Vereins, in ihrer Ausgabe vom 23. Februar. Julius Brodnitz und Arthur Sandelowsky hoben hervor, dass »nicht der geringste Grund bestehe, von den Grundprinzipien unseres Vereins abzuweichen. Die tiefe innere Verbundenheit mit dem Deutschtum und dem Judentum müßte uns über alles Schwere hinweghelfen.« Den »mit stürmischem Beifall« bedachten Rednern bescheinigte die Zeitung – sicherlich auch mit Hinblick auf die Gemütslage ihrer Leser – dazu beigetragen zu haben, »eine gewisse Verbitterung und eine Mutlosigkeit, die bei den heutigen Verhältnissen Platz greifen wollte, zu überwinden«.

Zwei Wochen nach der Veranstaltung durchsuchten SA-Männer das Büro des CV in Berlin und nahmen einige Personen vorübergehend fest. Es war nur der Beginn der Überwachung, Zensur und Unterdrückung des Central-Vereins.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Gefangenschaft | Vereine
Einladung des »Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« zu einer Veranstaltung am 14. Februar 1933 zum Thema »Die Zukunft der deutschen Juden«, Krefeld, Februar 1933
Leo Baeck Institute, Arthur Bluhm Collection, AR 1884

Julius Brodnitz

Der Jurist Dr. Julius Brodnitz zählte zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Juden während der Weimarer Republik und der ersten Jahre der NS-Zeit. Er war bereits seit 1894 dem »Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« verbunden. 1900 trat er in den Vorstand ein und fungierte von 1920 bis zu seinem Tod in Folge eines Autounfalls 1936 als Präsident des Vereins.

Seine 1926 verfassten Memoiren sind im Archiv des Jüdischen Museums Berlin aufbewahrt.

Julius Brodnitz, Fotografie von Herbert Sonnenfeld, Berlin, ca. 1935 Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin 
IMPRESSUM