Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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1. APRIL 1933 >

Samstag,
1. April 1933

Boykott-Aktion am Geschäftshaus Bamberger & Hertz

München, Kaufingerstraße 22. Vier SA-Männer sind gerade dabei, die Schaufenster des in der Stadt weithin bekannten Herren- und Knabenbekleidungsgeschäfts Bamberger & Hertz mit Flugblättern zu bekleben. Darauf wird die Bevölkerung ermahnt, nicht bei Juden zu kaufen. Den Aktivitäten wohnt eine größere Menschenmenge bei, aus der das hocherfreute Gesicht der einzig erkennbaren Frau hervorsticht. Es ist nur eine von zigtausenden Boykott-Aktionen gegen jüdische Geschäfte, die am 1. April landesweit und in aller Öffentlichkeit stattfinden.

Die 1914 eröffnete Münchner Niederlassung von Bamberger & Hertz war neben denen in Frankfurt am Main, Saarbrücken, Stuttgart, Köln und Leipzig das jüngste Geschäftshaus der Firma. Inhaber war Siegfried Bamberger (1885–1976), einer von fünf Brüdern, die das 1876 von ihrem Vater Jakob in Worms gegründete Stammhaus weiterentwickelt hatten.

Nach dem Aprilboykott erlebten alle Häuser einen Rückgang ihrer Umsätze. Das Geschäft in Saarbrücken schloss 1934, das in Frankfurt wurde 1935 veräußert. Während die Häuser in Köln, Stuttgart und Leipzig 1938 zwangsverkauft bzw. aufgelöst wurden, gelang es Siegfried Bamberger im Oktober des Jahres das Münchner Geschäft an seinen vertrauten, langjährigen Mitarbeiter Johann Hirmer zu verkaufen, was zwar den Argwohn der Nationalsozialisten erweckte, aber schließlich legal erfolgen konnte.

Nach Kriegsende bot Johann Hirmer Siegfried Bamberger, der als einziger der Brüder die NS-Zeit überlebt hatte, die Rückgabe des Geschäfts an. Da Bamberger nicht nach München zurückkehren wollte, kam es zu einem Ausgleich und die beiden Männer blieben in den folgenden Jahren gut befreundet. Das ehemalige Haus von Bamberger & Hertz, nunmehr Kaufingerstraße 28, beherbergt bis heute das Herrenmodegeschäft Hirmer.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Boykott | Kaufleute | München
Boykott-Aktion der SA am Geschäftshaus Bamberger & Hertz, München, 1. April 1933
Schenkung von Henry J. Bamberger

»Der freundliche Herr«

Bamberger & Hertz setzte verschiedenste Werbematerialien ein, die für alle Geschäftshäuser von Henry Ehlers (1897–1988), dem Hausgrafiker der Münchner Filiale, entworfen wurden. Ehlers kreierte das Leitmotiv und Logo der Firma, den etwas geheimnisvollen, Hut und langen Mantel tragenden »freundlichen Herrn«. Nach ihm wurde auch die 1931 ins Leben gerufene Jungenzeitschrift der Firma benannt. Die kostenlosen Hefte enthielten keine Werbung, sondern Geschichten und Reportagen, Spiele, Rätsel und Bastelaufgaben, Zeichnungen und Leserbriefe. Nach dem Aprilboykott wurde die »zuverlässige Zeitschrift der Bamberger & Hertz-Buben« eingestellt.

Titelblatt der Jungenzeitschrift »Der freundliche Herr«, Jahrgang 2, Nr. 4, Februar/März 1933
Schenkung von Henry J. Bamberger 
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