Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Sonntag,
16. April 1933

Fleißkärtchen für die Schülerin Ruth Wurm

»Meiner lieben fleißigen Ruth Wurm« widmete die Lehrerin dieses Fleißkärtchen. Sie überreichte es der Siebenjährigen zum Schuljahresende anlässlich ihrer Versetzung in die 3. Klasse. Die Vorderseite der Karte schmückt ein Scherenschnitt mit einem kleinen Engel, der eine Schar von Singvögeln dirigiert; Blumen und Schmetterlinge künden vom Frühling. »Ohne Fleiß kein Preis!«, diesen pädagogischen Sinnspruch gab die Lehrerin ihrer Schülerin mit auf den Weg.

Ruth Wurm (geb. 1925) ging gerne zur Schule. Sie war das einzige jüdische Mädchen in ihrer Klasse in der Bürgerschule 22 in Hannover. Bei Mitschülerinnen wie Lehrerinnen und Lehrern war sie gleichermaßen beliebt, wie die Einträge in ihrem Poesiealbum bezeugen. Auf dem Lyzeum, das sie ab Ostern 1936 besuchte, machte sie hingegen die Erfahrung, als Jüdin ausgegrenzt zu werden: Sie wurde vom Sportunterricht ausgeschlossen und durfte nicht an Klassenausflügen teilnehmen.

Im Oktober 1936 emigrierte die Elfjährige mit ihrer Familie nach Kopenhagen. Dort ging sie zunächst in die deutsch-dänische Privatschule Sankt Petri, dann auf das Nørre Gymnasium. Drei Jahre später wanderte die Familie nach Großbritannien aus, und Ruth Wurm musste abermals die Schule wechseln.

Heute lebt sie in Australien. Im September 2012 war sie zu Gast im Jüdischen Museum Berlin, um mit Schülerinnen und Schülern über ihre Lebensgeschichte zu sprechen. Den Aufenthalt nutzte sie auch zu einem Abstecher nach Hannover: Sie freute sich, ihr altes Schulgebäude nahezu unverändert vorzufinden.

Jörg Waßmer

Kategorie(n): Hannover | Kindheit | Schule
Fleißkärtchen für die Schülerin Ruth Wurm (Vorderseite), Hannover, 16./17. April (Ostern) 1933
Schenkung von Ruth Inall
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