Mit 24 Jahren zog der im polnischen Blaszki bei Kalisz geborene Mendel Ajzenschmidt (1891–1970) nach Deutschland, ließ sich in Berlin nieder und nannte sich fortan Max Eisenschmidt. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Hermann (1894–1942), der ihm 1919 folgte, betreibt er zunächst eine Schäfte-Stepperei, die sich schließlich zu einer kleinen Schuhfabrik mit drei Geschäften auswächst. Unterstützung erhalten die Brüder von Rosa Eisenschmidt, geb. Silberstein (1892–1978), die Max noch in Polen geheiratet hatte. Die drei Töchter des Ehepaars, Therese, Helen und Ruth, werden in Berlin geboren, doch die deutsche Staatsbürgerschaft nimmt keiner in der Familie an.

Vermutlich ist es die Wirtschaftskrise zu Beginn der 1920er Jahre, die das Familienunternehmen scheitern lässt. Die Brüder trennen sich und während Hermann Eisenschmidt mit Herrenkonfektion sehr erfolgreich wird, führt Max weiterhin die Stepperei und arbeitet als Vertreter. 1930 entschließt er sich zu einem Neuanfang in der thüringischen Stadt Apolda, bekannt für ihre Strick- und Wirkwaren. Als polnischer Staatsbürger benötigt er für den Zuzug eine Aufenthaltsgenehmigung, die ihm im April 1930 bewilligt wird. Während sich Max Eisenschmidt kaufmännisch betätigt, eröffnet seine tatkräftige Frau unter ihrem Mädchennamen Rosa Silberstein ein Geschäft, das Waren auf Kredit verkauft.

Ende Juli 1933 wird, für die Familie zunächst unerklärlich, den Eisenschmidts die Aufenthaltsgenehmigung entzogen, nachdem schon seit Mai das Bleiberecht für Rosa ungewiss war. Vorausgegangen war diesem Bescheid eine Hausdurchsuchung nach staatsfeindlichen Schriften, während der eine unglückliche Äußerung die Ereignisse ins Rollen brachte. Die Aussage Max Eisenschmidts, dass er wohl kaum so dumm wäre, kommunistische Schriften im Haus zu verstecken, wenn er der Partei angehörte, wird flugs zu einem Schuldeingeständnis und Vorwand für die Ausweisung umgemünzt.

In Thüringen finden die Nationalsozialisten bereits vor 1933 besonders starke Unterstützung. Seit den Landtagswahlen vom Dezember 1929 ist die NSDAP an der Regierung beteiligt und auch in Apolda sitzen Parteigenossen im Stadtrat. Im August 1932 wird in Thüringen die erste NS-Landesregierung gewählt. Als kreisfreie Stadt kann die Stadtverwaltung Apolda hoheitliche Aufgaben des Landes in eigener Verantwortung wahrnehmen, was sie im Falle der Familie Eisenschmidt unnachgiebig tut.

So muss die Familie, trotz mehrfacher Interventionen des polnischen Konsulates, die Stadt Anfang 1934 verlassen und nach Berlin zurückkehren. Dort ereilt sie eine weitere Ausweisung, so dass sie sich noch im gleichen Jahr entschließt, nach Palästina zu emigrieren.

Ulrike Neuwirth

Stadtvorstand Apolda

 

An den Kaufmann Mendel Ajzenschmidt
in Apolda
Beierstr. 17

31. Juli 1933

Die Ihnen unterm 4. April 1930 erteilte Aufenthaltserlaubnis wird hiermit mit Wirkung vom 1. September 1933 widerrufen. Der Widerruf erstreckt sich zugleich auf Ihre Ehefrau und Kinder und in Einverständnis mit dem Thüringischen Ministerium des Innern auf ganz Thüringen.

Ich gebe Ihnen auf, Apolda, bzw. das Land Thüringen bis zum 1. September 1933 mit Ihrer Familie zu verlassen. Sollten Sie dieser Verfügung keine Folge leisten, haben Sie für jeden Tag des unberechtigten Aufenthaltes eine Zwangsgeldstrafe von 10 RM, an deren Stelle im Unbeibringlichkeitsfalle gemäß § 153 der Landesverwaltungsordnung für Thüringen eine entsprechende Ersatzzwangshaftstrafe tritt, zu gewärtigen.

Gleichzeitig mache ich Sie im Auftrag des Thür. Ministeriums darauf aufmerksam, daß ein Antrag auf Aufenthaltsbewilligung in einem anderen thüringischen Orte aussichtslos ist. Ferner empfehle ich Ihnen, sich ein anderes Aufenthaltsland zu suchen, da sonst Ihre Ausweisung, nötigenfalls Ihre zwangsweise Abschiebung in Betracht gezogen werden muß.

I.V.
(Unterschrift von Metzer)
Stadtrat.