Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Donnerstag,
21. Dezember 1933

Kurt Singer und Joseph Rosenstock musizierend bei einem Wohltätigkeitskonzert

»Zugunsten des Chanukkah-Fonds der Schwesternvereinigung der UOBB-Logen fand ein Konzert statt, zu dem sich eine Reihe erster Künstler in selbstloser Weise zur Verfügung gestellt hatten. Voran die Generalissimi des Kulturbunds, Dr. Kurt Singer (Violine) und Joseph Rosenstock (Klavier), die eine Violinsonate von Mozart brachten.« So leitete die »CV-Zeitung« am 21. Dezember 1933 ihre kurze Besprechung zu diesem Wohltätigkeitskonzert ein, dessen Erlös der Frauenorganisation des Unabhängigen Ordens Bne Briss zugute kam. Dazu veröffentlichte das Blatt auch die hier gezeigte Fotografie der beiden Musiker von Herbert Sonnenfeld.

Wie Kurt Singer hatte auch der 1895 in Krakau geborene Joseph Rosenstock seine prominente Stellung in der deutschen Musikwelt im April 1933 verloren, nämlich als Generalmusikdirektor des Mannheimer Nationaltheaters, wo er drei Jahre lang äußerst erfolgreich gearbeitet hatte. Zuvor wirkte er am Wiener Philharmonischen Chor, an der Staatsoper in Wiesbaden sowie an der Metropolitan Opera in New York. Nach seiner Entlassung in Mannheim wurde er von Kurt Singer für den Kulturbund als Generalmusikdirektor rekrutiert, der auch die musikalische Oberleitung der geplanten Oper inne hatte.

Hierfür warben Singer und Rosenstock unmittelbar nach der Gründung des Kulturbunds gemeinsam in der »CV-Zeitung« Künstler an. Gesucht wurden »Opernsolisten, Chor-Damen und Herren, Orchestermusiker, besonders Bläser«. Wenig später waren ein Opernchor und ein 42-köpfiges Orchester entstanden sowie einige ausgezeichnete Sänger engagiert. Als erste große Aufführung wurde Mozarts »Hochzeit des Figaro« am 14. November 1933 dem Publikum dargeboten. »Ein Ehrenabend des Kulturbundes, ein ehrlich verdienter Erfolg«, befand der Kritiker Ludwig Misch in der »Jüdischen Rundschau«.

Es folgten zehn weitere Opern- und Operetteninszenierungen sowie zahlreiche Konzerte unter der Ägide von Joseph Rosenstock. 1936 emigrierte er nach Japan und wurde Dirigent des New Symphony Orchestra in Tokio. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ging er in die USA, wo er vier Jahre lang Direktor der New York City Opera war, bevor er 1955 für einige Jahre nach Japan zurückkehrte. Ab 1961 war er noch einmal für acht Jahre an der Metropolitan Opera tätig. 1985 starb er im hohen Alter in New York.

Für die anderen Künstlerinnen und Künstlern, die bei dem Wohltätigkeitskonzert im Dezember 1933 auftraten, hieß das Schicksal Rettung wie auch Unheil. Während der Bariton und Kantor Fritz Lechner und die Schauspielerin und Rezitatorin Ilse Intrator in die USA emigrieren konnten, fielen drei Musiker den nationalsozialistischen Mördern zum Opfer: Die Pianistin Erna Klein wurde im September 1942 in Kalevi-Liiva in Estland getötet, die Sängerin Frieda Weber-Fleßburg im Januar 1943 in Auschwitz ermordet. Und Kurt Singer, Intendant des Kulturbunds, starb entkräftet im Februar 1944 im Ghetto Theresienstadt.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Berlin | Berufsverbot | Künstler und Schriftsteller | Vereine
Kurt Singer an der Violine und Joseph Rosenstock am Flügel beim gemeinsamen Musizieren, Berlin, Dezember 1933
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