Veröffentlicht von am 3. April 2013 1 Kommentar

Exponate auf Reisen

Ein Museum besitzt 1000 Dinge, doch manchmal fehlt es genau an dem einen!
Als ich letztes Frühjahr eine Vitrine in der Dauerausstellung zum Nobelpreisträger Paul Ehrlich umgestaltete, mangelte es mir sogar an mehreren Exponaten, um eine stimmige Präsentation zusammenzustellen.
Ich wollte Paul Ehrlichs Verdienste auf dem Gebiet der Medizin durch Arbeitsutensilien und Dokumente veranschaulichen, fand diesbezüglich in unserer Sammlung aber keine geeigneten Objekte. Trotzdem sollte dieser bedeutende Wissenschaftler Eingang in unsere Ausstellung finden. Schließlich hatte er ein Heilmittel gegen Syphilis entwickelt, die moderne Krebsforschung begründet und viele wichtige und zukunftsweisende Forschungsergebnisse zutage gefördert.

Vier Glasfläschchen mit Glasstöpseln und alten Etiketten

Farbfläschchen, die Paul Ehrlich für seine berühmten Färbeversuche benötigte, Paul-Ehrlich-Institut Langen
© Foto: Christiane Bauer, Jüdisches Museum Berlin

Ich machte mich also auf die Suche nach geeigneten Ausstellungsstücken und wurde in Hessen fündig: Sowohl das Paul-Ehrlich-Institut in Langen als auch das Georg-Speyer-Haus in Frankfurt – Paul Ehrlichs letzte und bedeutende Arbeitsstätte – besitzen eine beeindruckende Zahl an Exponaten zu seinem Wirken. Aber wie kommen diese Objekte zu uns ins Museum nach Berlin?

Zunächst fuhr ich zur ersten Sichtung in die beiden Institutionen und verschaffte mir ein Bild von der Objektlage. Mein Engpass traf auf die große Leihbereitschaft des Paul-Ehrlich-Instituts und des Georg-Speyer-Hauses und so handelten wir eine gute Lösung aus.
Die obigen Farbfläschchen und folgende Objekte sollten als Leihgaben unsere Lücken in der Vitrine schließen:

Gläsernes Tintenfass, Schreibfeder und Postkarte auf einem Schreibtisch

Tintenfass und Schreibfeder, mit denen Paul Ehrlich Forschungsergebnisse aber auch einfach Notizen festhielt, Paul-Ehrlich-Institut, Langen
© Foto: Christiane Bauer, Jüdisches Museum Berlin

Ein paar Wochen später, nachdem Leihverträge abgeschlossen, Termine vereinbart und Ratschläge von unseren Restauratoren eingeholt worden waren, stellte ich als Kurierin folgende Utensilien für den Transport der fragilen Objekte zusammen:

Koffer, Luftpolsterfolie, Flies, Seidenpapier, Handschuhe, Schere und Cutter, Klebeband

Kurierkoffer mit Schaumstoff ausgelegt, Luftpolsterfolie, Tyvek (Flies), Seidenpapier, Handschuhe, Schere und Cutter, Klebeband
© Foto: Christiane Bauer, Jüdisches Museum Berlin

Vor Ort in Hessen packte ich jedes einzelne Sammlungsstück in die verschiedenen Materialschichten ein. Eine ruhige Hand und Fingerspitzengefühl waren beim Handling der Glasobjekte gefragt. Vor allem das schwere und etwas unhandliche Tintenfass aus Kristall musste behutsam bewegt und dick mit weichem Tyvek und Luftpolsterfolie eingeschlagen werden. Bedenkt man den Seltenheitswert der Objekte und die möglichen Katastrophen beim Umgang mit Glas, kann man bei dieser Aufgabe doch ins Schwitzen geraten.

In Luftpolsterfolie verpackte Gegenstände in Schaumstoff

So sah das Packergebnis aus.
© Foto: Christiane Bauer, Jüdisches Museum Berlin

Mit viel Luftpolsterfolie umwickelt und in Schaumstoff eingebettet waren als Packergebnis nun alle Objekte vor unerwünschten Stößen, Vibrationen und Zusammenprallen geschützt. Kaum ließ sich erahnen, was sich hinter der üppigen Verpackung verbarg.

Schwer bepackt mit den wertvollen Leihgaben ging es zurück nach Berlin.
Beim Umsteigen am Hauptbahnhof in Frankfurt/Main blickten die Passanten neugierig auf meinen silbernen Koffer, den ich wegen des Gewichts der Leihgaben, leicht gebeugt, aber mit festem Griff trug – ein scheinbar selbst in der Bankenmetropole ungewohnter Anblick. Auch wenn es sich nicht um Euroscheinbündel handelte, Schätze transportierte ich allemal: Die Objekte von Paul Ehrlich erzählen seine einzigartige Geschichte und sind daher unbezahlbar.

Ausstellungsvitrinen mit den Gegenständen Paul Ehrlichs

Sicher in Berlin angekommen, sieht das Ergebnis dann so aus.
© Foto: Gelia Eisert, Jüdisches Museum Berlin

Wenn Sie mehr über Paul Ehrlich erfahren wollen, dann schauen Sie doch bald einmal in unserer Dauerausstellung vorbei, bevor sich die Leihgaben wieder auf die Reise machen.

Christiane Bauer, Ausstellungen

Wir danken an dieser Stelle ganz herzlich allen Leihgebern:
Paul-Ehrlich-Institut, Langen (Mikroskop, Farbfläschchen, Notizzettel, Tintenfass mit Schreibfeder)
Georg-Speyer-Haus (Laborbuch)
Rockefeller University Archives, New York (Bildmaterial)

Kommentiert von Marga Mechtheim am 27. April 2013, 15:29 Uhr

Paul Ehrlich war genau wie Robert Koch und Emil v. Behring in dieser Zeit ein wirklicher Pionier bei der Erforschung der damals grössten Geiseln der Menschen: Syphilis, Diphterie und Tuberkulose.
Würde er heute die steigenden Infektionsraten bei Syphilis und TBC hören, könnte er es wohl kaum glauben, in welch kurzer Zeitspanne bereits die einst so wirksamen Medikamente zum“ stumpfen Schwert “ geworden sind.
Vor rund 30 Jahren lebte ich in einem Haus , wo der frühere Büroschrank dieses großen Wissenschaftlers stand. Auf der Innenseite der Schranktüre hatte Paul Ehrlich die Mengen an „Versuchs-Salvarsan“ notiert, die im 1. Weltkrieg an den Fronten den erkrankten Soldaten verabreicht wurden.
Nur durch das Lesen der Biographie seiner Sekretärin Martha Marquart bin ich damals auf das Geheimnis der Schranktür gestossen. Sie beschrieb die kleine Marotte die Paul Ehrlich zu eigen war: er notierte die Menge der Ampullen akribisch auf der Innenseite seines Büroschrankes. Sie notierte die gleichen Zahlen in einem Notizbuch. Da Paul Ehrlich wegen der Enge des Raumes oft keinen Platz mehr fand, wo die zahlreichen Akten und Bücher Platz fanden, wurden sie auf das Sofa hoch aufgestapelt. Zu dieser Zeit fanden häufig Hausmäuse den Weg in sein Labor ( welches neben dem Büro gelegen war) und aus diesem Grund liess er Metallkästen anfertigen um wichtigen Dokumente und schriftliche Aufzeichnungen vor dem Mäusefrass zu schützen. Paul Ehrlich war in vielerlei Hinsicht seiner Zeit voraus: um beim Arbeiten im Labor nicht durch umständliches Schreiben behindert zu sein, hatte er die Angewohnheit wichtige Informationen an seine Assistenten auf gelben Karten mit violettem Kopierstift zu schreiben : alle Wörter mit kleinen Anfangsbuchstaben, lediglich die Namen der Personen mit Großbuchstaben am Anfang. Leider
sind sehr viele Dinge aus den Jahren der persönlichen Anwesenheit des Nobelpreisträgers in den 1970iger Jahren durch eine Anweisung des damaligen Institutsleiters einfach in den Hof zum Abfall geworfen worden.

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