Veröffentlicht von am 16. August 2013 3 Kommentare

Frage des Monats:
»Gibt es schwule Juden?«

Antwort: »Date me and find out!«

Post-it mit der handschriftlichen Frage »Gibt es schwule Juden?« und der Antwort: »Date me and find out!«

Frage in der Ausstellung »Die ganze Wahrheit«: »Gibt es schwule Juden?«
Antwort: »Date me and find out!«
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Anina Falasca

Unsere aktuelle Sonderausstellung »Die ganze Wahrheit … was Sie schon immer über Juden wissen wollten« baut auf 30 Fragen auf, die an das Jüdische Museum Berlin oder dessen Mitarbeiter gerichtet wurden. In der Ausstellung haben unsere Besucherinnen und Besucher selbst die Möglichkeit, auf Post-its Fragen oder Kommentare zu hinterlassen. Einige dieser Fragen beantworten wir hier im Blog. Über die Fragen zu Homosexualität und Judentum haben wir uns mit einem schwulen Juden unterhalten und seine Antworten protokolliert:

Ich werde oft gefragt: Hast du als Jude in Deutschland Probleme? Dann sage ich: Naja, Negativerlebnisse habe ich eigentlich eher wegen meiner Homosexualität. Den Magen David, den Davidstern, trage ich immer um den Hals. Im Sommer im Schwimmbad sieht man den dann natürlich auch. Damit habe ich aber nie Probleme gehabt. In Deutschland kann ich das Schwul-Sein und meinen Glauben, das Jüdisch-Sein, heute tatsächlich ausleben. So habe ich auch als Jude meinen Frieden mit Deutschland geschlossen.

Ich bin aus einer eher säkularen Familie, das heißt wir sind zwar gläubig und Teil einer Gemeinde, wir sind aber nicht streng religiös. Gerade als junger Mensch, wenn man Party macht, das Leben genießt und so und dann in die Gemeinde geht, kann man da viele Schwierigkeiten haben. Als ich mein Coming-out hatte und meine Homosexualität wirklich gelebt habe, bemerkte ich, dass ich anecke, dass ich nicht mehr wirklich Teil der Gemeinschaft bin. In der Gemeinde meiner Eltern habe ich mich nicht mehr zuhause gefühlt und bin ausgetreten. Ich habe mich dort immer ein bisschen wie ein Alien gefühlt, der nicht so ganz Teil dessen ist.

Zettel mit den Fragen: »Wie steht das Judentum zu Homosexualität?«, »Wie leben schwule Juden?«, »Werden homosexuelle Juden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen?«, »Kann ich jüdisch sein und lesbisch? - Ja!«, »Can you be Jewish and gay? - Klar. 1-5% of the world's population is gay. Nothing to do with religion. Yes.«, »Wie sind Schwule und Lesben im Judentum akzeptiert?«, »Gibt's schwule Juden?«

Weitere Fragen zum Thema Judentum und Homosexualität in der Ausstellung »Die ganze Wahrheit«
© Jüdisches Museum Berlin, Fotos: Anina Falasca

Über einen Partner habe ich die reformierte Gemeinde kennengelernt. Dort habe ich tatsächlich wieder ein religiöses Zuhause gefunden. Dazwischen war eine Phase, in der ich mehrere Jahre überhaupt nicht mehr aktiv in der Gemeinde war, sondern den Glauben eher für mich gelebt habe. Ich stellte mir oft die Frage: Ist Homosexualität akzeptiert? Homosexualität ist im orthodoxen und konservativen Bereich natürlich nicht akzeptiert: »Du sollst nicht beim Mann schlafen, wie mit einer Frau.« Und die Frage der Samenverschwendung. Das sind die religiösen Hintergründe aus dem Tanach, der jüdischen Bibel. Ich habe festgestellt, dass es im reformierten Judentum sehr viele lesbische und schwule Rabbiner und Rabbinerinnen gibt. Aber eben auch nur im reformierten Judentum.

Religion und Glauben sind mir sehr wichtig. Ich erhoffe mir auch, einen Partner zu finden, mit dem ich irgendwann einmal unter der Chuppa heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren kann. Es ist schwierig Homosexualität und Judentum unter einen Hut zu bekommen. Gerade in meiner Jugend war das ein ganz schwieriges Thema. Ich hatte viele Schuldgefühle aufgrund der Religion. Man fragt sich: Ist das jetzt wirklich erlaubt? Ist das böse oder sogar eine Sünde? Kannst du jetzt wirklich dazu stehen? Willst du nicht doch versuchen, hetero zu leben? Denn die Mehrheit der Orthodoxen akzeptiert einen ganz klar nicht. Und das wird einem auch so vermittelt. Aber zum Glück gibt es Organisationen wie »Jung und Jüdisch«, die sehr offen sind und wo man Ansprechpartner findet.

Schwarze Kippa mit der weißen Aufschrift »Wedding of Rachel & Karen Juli 1, 1995«

Kippa aus der Ausstellung »Die ganze Wahrheit«. Getragen anlässlich der Hochzeit von Rabbi Karen Bender mit Rachel Bernstein, USA, 1995
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yvonne Ilishaev

In der Ausstellung »Die ganze Wahrheit« wird Homosexualität nur am Rande im Zusammenhang mit Aviv Netters Meschugge Partys und seinem Goldenen Kalb erwähnt. Im Schwulen Museum läuft ja gerade die Ausstellung »lesbisch. jüdisch. schwul«. Das Thema Homosexualität im Judentum hätte auch sehr gut zur »ganzen Wahrheit« gepasst. So ad hoc würde mir als Ausstellungsobjekt einfallen, dass in diesem Jahr zum Christopher Street Day Fahnen und Buttons von der israelischen Botschaft verteilt wurden, mit der Regenbogenflagge und einem weißen Magen David darauf. Vor ein paar Jahren war auch in der Jüdischen Allgemeinen ein großer Artikel mit dieser Flagge auf der Titelseite. Das ist eine tolle Idee, wie ich finde.

Interview und Protokoll: Anina Falasca, Miriam Goldmann, Martina Lüdicke, Wechselausstellungen

Kommentiert von Pasetti am 21. August 2013, 06:21 Uhr

die ganze christliche jüdische muslimische buddistische welt kann sich nicht davon frei machen das es immer mehr schwule gibt! akzeptiert sie oder sterbt aus !

Kommentiert von Frank Herhausen am 28. Dezember 2014, 11:25 Uhr

An den schwulen Juden: Der Jude Jesus von Nazareth hat sich mit dem Sabbat angelegt, indem er sagte: der Sabbat ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für den Sabbat. Das war Gotteslästerung und Jesus landete am Kreuz.Ich finde es sehr mutig von Ihnen Ihr Schwulsein bekannt zu machen. Bitte bedenken Sie: Solange die Thora ohne Gebrauchsanweisung und ohne Einschränkung von Rabbinern gelehrt und gepredigt werden darf, laufen Sie Gefahr verfolgt zu werden. Ich habe zwei schwule Söhne und bin evangelischer Christ. Und als ich eine Pfarrerin fragte, was ich mit meinen Söhnen tun müsse, da im alten Testament Gott befiehlt: „Wenn ein Mann bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, muß er sofort getötet werden, damit das Böse aus Israel ausgerottet wird“, antwortete sie: Bitte schauen Sie mal auf dieses Bild, das ist Jesus der Gott der Liebe! Ich fordere von allen Rabbinern, Pfarrern und islamischen Predigern ein uneingeschränktes Bekenntnis und Unterwerfung unter unser Grundgesetz und in jeder Bibel und Thora und Koran eine Gebrauchsanweisung in der klar und deutlich zum Ausdruck kommt, daß jegliche kriegerische und menschenverachtende Aussage Gottes verbannt und abgelehnt wird. Frank Herhausen, Bürger von Tempelhof Berlin.

Kommentiert von Mirjam Wenzel am 28. Dezember 2014, 23:07 Uhr

Sehr geehrter Herr Herhausen,
vielen Dank für Ihren Kommentar zu unserem Blogbeitrag. In der jüdischen Tradition ist es von zentraler Bedeutung, die Tora zu studieren,  über deren Gebote und Verbote zu diskutieren und diese immer wieder neu zu interpretieren. Dementsprechend vielfältig sind die Auffassungen davon, wie der von Ihnen erwähnte Satz (3. Mose 20, 13) zu verstehen sei; Dr. Gabriel Miller rückt diesen beispielsweise in einen historischen Entstehungszusammenhang: http://www.hagalil.com/judentum/rabbi/090211.htm.
Mit freundlichen Grüßen aus der Blogredaktion
Dr. Mirjam Wenzel

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