Veröffentlicht von am 10. Juli 2014 0 Kommentare

Klein aber oho, oder:

Wie aus 3000 Sammlungsobjekten eine Kabinettausstellung zum Ersten Weltkrieg wurde

Eine Pickelhaube und weitere Helme

Sammlungsobjekte in unserer aktuellen Ausstellung »Der Erste Weltkrieg in der jüdischen Erinnerung«
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Mariette Franz

Vergangene Woche eröffnete unsere Ausstellung »Der Erste Weltkrieg in der jüdischen Erinnerung«. Sie umfasst vor allem Objekte aus Familiensammlungen, die dem Jüdischen Museum geschenkt wurden und eine ganz persönliche Geschichte erzählen.
Gezeigt werden insgesamt 176 Objekte, die acht Kuratorinnen und Kuratoren, sechs Restauratorinnen und Restauratoren, zwei Ausstellungstechniker, eine Übersetzerin und ein Graphiker ausgewählt, aufbereitet und visuell in Szene gesetzt haben. Das hört sich nach einer ziemlich großen Ausstellung an, und ich habe noch nicht einmal die zahlreichen guten Geister im Hintergrund genannt, insbesondere die studentischen Hilfskräfte und die Hausmeister. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Sammlungspräsentation unserer Bestände zum Ersten Weltkrieg in der Vitrine des Rafael Roth Learning Centers.

Eine Ehrenurkunde und diverse Blechschachteln in einer schwarz ausgelegten Vitrine

Die Ausstellungsvitrine wird bestückt.
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Mariette Franz

Zunächst galt es zu entscheiden, was überhaupt ausgestellt werden soll. Da wir nur Objekte aus unserer eigenen Sammlung zeigen wollten, mussten wir zumindest keine Objekte aus anderen Museen und Sammlungen recherchieren und ausleihen. Trotzdem blieben immer noch etwa 3000 Objekte zur Auswahl, die sich zum Thema Erster Weltkrieg in den Sammlungen des Jüdischen Museums befinden. Ein Objekt schaffte es gerade noch rechtzeitig in die Ausstellung: Die Schachtel mit dem Aufdruck »Feldpost 1914–15«, die im hinteren Teil der Vitrine ausgestellt ist, kam erst zehn Tage vor der Eröffnung vollkommen überraschend mit einem Paket aus Uruguay. Damit ist die kleine Schachtel das neueste Objekt aus unserer Sammlung, das in der Ausstellung gezeigt wird.

Hände in blauben Handschuhen rücken schwarz-weiß Fotografien auf schwarzem Stoff zurecht.

Fotos werden für die Ausstellung platziert.
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Antje Brost

Nachdem eine Objektauswahl getroffen war, begann die eigentliche Arbeit: Alle Objekte mussten in die Restaurierung, wobei insbesondere die Papierrestauratoren viel zu tun hatten, da es sich bei den meisten Objekten um Dokumente handelt. Dann kam der Fototermin, der sicherstellen sollte, dass die Objekte zu Beginn der Ausstellung auch online gestellt werden konnten. Texte wurden geschrieben, redigiert und übersetzt, bevor sie schließlich von einem Graphiker gesetzt und dann gedruckt wurden. Viele kleine Entscheidungen mussten getroffen und abgestimmt werden: Wie lang dürfen die Texte zu den Objekten sein, aus welchem Material soll das Label bestehen, welche Farbe soll es haben und in welcher Schriftart soll der Text gesetzt werden? Schnell war die Frage geklärt, dass die Vitrinenelemente mit schwarzem Stoff bezogen werden sollten, allerdings musste ein Stoff gefunden werden, der für die Objekte auch konservatorisch unbedenklich ist. Drei Tage vor der Eröffnung begann der Aufbau. Auch wenn die Abfolge und ungefähre Platzierung aller Objekte festgelegt war, mussten nun Positionen und Abstände von Graphiken, Feldpostbriefen oder Labeln präzise entschieden werden. Zweieinhalb Tage lang platzierten unsere Restauratoren vorsichtig alle Objekte nach den Wünschen der Kuratoren. Ich habe diesen ganzen Prozess als Projektkoordinatorin begleitet und dabei unsere Sammlung intensiv kennen gelernt.

Die Urkunde und weitere Papiere liegen auf einem weißen Tisch, auf dem sich eine Hand in blauem Handschuh abstützt.

Urkunde für das Eiserne Kreuz
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Mariette Franz

Auch wenn die Ausstellung den Schwerpunkt nicht auf einzelne Biografien legt, treten bei genauerem Hinsehen vor allem auf den zahlreichen Dokumenten dennoch die persönlichen Schicksale in den Vordergrund. Besonders beeindrucken mich selbst drei Objekte, die auf den ersten Blick ganz unscheinbar aussehen, aber die ganze Tragik deutsch-jüdischer Lebensgeschichten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdeutlichen. Es handelt sich um die drei Verleihungsurkunden für Ehrenkreuze, die Herbert Meyer, Herbert Schwalbe und Ludwig Simon für ihre Verdienste als Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg erhalten haben. Diese Ehrenkreuze wurden 1934 von Hindenburg anlässlich des zwanzigsten Jahrestages des Ersten Weltkrieges gestiftet – für Nicht-Juden ebenso wie für Juden. Die Verleihung geschah auf Antrag und auf den entsprechenden Urkunden kann man sehen, wann und wo diese Ehrenkreuze beantragt wurden: Zwischen 1935 und 1937 in Berlin, aber auch in Paris und Teheran. Dort hatten ihre Empfänger den Antrag beim deutschen Konsulat gestellt, nachdem sie als Verfolgte das Land verlassen mussten, für das sie zwanzig Jahre zuvor gekämpft und ihr Leben riskiert hatten.

Mariette Franz, Wissenschaftliche Volontärin

PS: Demnächst werden die genannten Verleihungsurkunden für Ehrenkreuze sowie weitere Objekte der Ausstellung auf unserem YouTube-Kanal in kurzen Filmen vorgestellt.

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