Veröffentlicht von am 24. März 2015 0 Kommentare

Warum »Vielfalt in Schulen« und was haben wir daraus gelernt?

Tafel mit Zeichnungen von Bildergeschichten

Ein fertiges »Graphic Recording« mit Ergebnissen von Teilnehmern der Fachtagung „Schule und Museum in der Migrationsgesellschaft« © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jule Roehr

In den drei Jahren Laufzeit des Projekts »Vielfalt in Schulen«, welches das Jüdische Museum Berlin in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und gefördert von der Stiftung Mercator durchgeführt hat, haben wir viele Erfahrungen gemacht. Die Journalistin Alke Wierth (taz) half uns nun, Bilanz zu ziehen.

Alke Wirth: Wenn Ihr Euch erinnert, mit welchen Ideen Ihr das Projekt »Vielfalt in Schulen« begonnen habt – wann dachtet Ihr im Projektverlauf zum ersten Mal: Das läuft jetzt anders als geplant?

Rosa Fava, Leiterin des Projekts am Jüdischen Museum Berlin: Am Anfang des Projekts, bei einem der Zielfindungstreffen mit den beteiligten Schulen, bei dem es um ihre Erwartungen an das Projekt ging. Da wurden viele Dinge angesprochen, bei denen ich mich zunächst fragte: Was hat das mit unserem Projekt zu tun?

Zum Beispiel?

Rosa: Es gab von einer Schule den Wunsch nach einer Art Koordinierungsstelle für Projekte, damit man weiß, welche Projekte an der Schule insgesamt laufen. Da habe ich gemerkt, dass an den Schulen teils andere Bedürfnisse bestehen, als unsere drei Stiftungen, das Museum, die DKJS und Stiftung Mercator, bei der Konzeptentwicklung im Kopf hatten.

Andrea Blaneck, Deutsche Kinder und Jugendstiftung: Mich hat überrascht, wie reflektiert die beteiligten Schulen mit dem Thema Vielfalt bereits umgingen. Wir haben in diesen ersten Gesprächen ja zunächst eine Art Bestandsaufnahme gemacht. Und da konnten die Schulen schon viel nennen, was sie bereits in Angriff genommen hatten. Sie konnten aber auch sehr genau beschreiben, wo es haperte oder Schwierigkeiten gab. Das waren in der Tat Dinge, auf die es in unserem Konzept naturgemäß erstmal keine fertigen Antworten geben konnte. Es ging uns ja mit dem Projekt auch darum, Schulen dabei zu unterstützen, wie sie die Lösung dieser Schwierigkeiten selbst in Angriff nehmen können.

Was waren denn die Erwartungen der Schulen an das Projekt, bei dem es ja zentral um Verhinderung von Diskriminierung ging?

Andrea: Beispielsweise die Verbesserung der Elternbeteiligung oder der Integration der so genannten »Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse«, die vor allem junge Flüchtlinge besuchen, in den Schulalltag.

Rosa: Ja. Und vom Jüdischen Museum aus waren die Projektschwerpunkte Vielfalt, Migration, kulturelle Differenz und Ungleichbehandlung gesetzt. Auch vonseiten der Stiftung Mercator kam explizit der Wunsch, Kinder mit Migrationshintergrund zu fördern.

Warum macht ein Museum eigentlich so ein Projekt?

Rosa: Mit diesem Projekt wollten wir weg von einer Kurzzeitpädagogik hin zu einer langfristig wirksamen Zusammenarbeit mit Lehrer_innen und Schulen – damit die Inhalte, die wir vermitteln wollen, nachhaltiger andocken können. Dazu kam, dass wir gemerkt haben: Es sind immer die Gymnasien, die die Museen besuchen. Das JMB möchte aber alle erreichen. Dazu muss man Schulen besser verstehen, wissen, wie man Angebote gestalten muss, um auch Kinder und Jugendliche anzusprechen, die nicht von Haus aus sowieso ins Museum gehen.

Eine Frau spricht vor Publikum auf einer Bühne

Rosa Fava spricht über das Projekt »Vielfalt in Schulen« © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Georg J. Lopata /Axentis.de

Musste das Jüdische Museum Berlin im Laufe des Projektes Abstriche von dem ambitionierten Grundkonzept machen?

Rosa: Das Nachdenken darüber, warum bestimmte Verhältnisse an Schulen in Deutschland so sind, wie sie sind, das ist vielleicht manchmal etwas kurz gekommen. Für viele Lehrkräfte ist die Praxisorientierung, die unmittelbare Umsetzbarkeit des neu Gelernten im Schulalltag, ganz wichtig.

Andrea: Man muss zum Beispiel gucken, ob Angebote für Unterrichtsmodule in den Lehrplan passen.

Anna-Margarete Davis, Deutsche Kinder- und Jugenstiftung: Wichtig schien uns, die Schulen zu befähigen, Gutes und Nützliches selbst zu erkennen und auszuwählen. Das Diversity Training hat Lehrer_innen in die Lage versetzt, die eigene Haltung zu überdenken und zu ändern, und so auch dafür gesorgt, dass ein anderer Blick auf Unterrichtsmaterialien oder Literatur da ist.

Rosa: Wir haben gelernt, dass wir uns manchmal zu viel vorgenommen hatten, etwa bei unserer Fortbildung zu Diversität in der Kinder- und Jugendliteratur. Wir wollten da alles erreichen: Lehrkräften geeignete Literatur empfehlen, pädagogische Methoden vermitteln, gleichzeitig sollten die Lehrkräfte einen Kriterienkatalog entwickeln, mit dem sie im Buchladen oder aus dem Schulbuchkatalog besser auswählen können, welches Buch geeignet ist.

Tafel mit Zeichnungen von Bildergeschichten

»Graphic Recording« zu den Annäherungsmöglichkeiten zwischen Schule und Museum © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jule Roehr

Wie wird die künftige Zusammenarbeit mit den Schulen aussehen?

Rosa: Zwei Schulen haben sich entschlossen, weiter mit dem Museum zusammenzuarbeiten. Eine Schule will mit den siebten Klassen zum Thema Religionen mit uns arbeiten, mit den neunten zum Holocaust und mit den zehnten zum Nahostkonflikt. Es gibt Vergünstigungen wie ermäßigte Eintrittspreise oder Unterstützung der Schüler_innen bei der Vorbereitung auf Prüfungen, wenn sie entsprechende Themen wählen. Für die Lehrkräfte werden weiterhin Fortbildungen angeboten.

Und was hat das Jüdische Museum aus dem Projekt gelernt?

Rosa: Ein Projekt wie dieses berührt viele Bereiche, die mit unseren traditionellen Aufgaben: Sammeln, Bewahren, Interpretieren nichts mehr zu tun haben. Wir können unsere Fragestellungen aber kompatibler für Schulen machen und interreligiöse Zugänge zu Themen entwickeln – wie dies etwa jetzt in der Beschneidungsausstellung geschieht, aber auch die Mehrsprachigkeit, die ja auch im Judentum ein Thema ist. Es wird in Zukunft verstärkt darum gehen zu schauen, was die so genannte interkulturelle Öffnung nicht nur an Schulen, sondern auch für ein Museum bedeutet.

Männer und Frauen sitzen um einen Tisch und diskutieren

LehrerInnen und ProjektmitarbeiterInnen beim Workshop der Tagung »Schule und Museum in der Migrationsgesellschaft« © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jule Roehr

Welche Spuren hinterlässt das Projekt in der DKJS?

Anna-Margarete: Uns war die Bedeutung der Themen Vielfalt und Diskriminierung zu Beginn des Projektes zwar klar, ihre große Relevanz für die Schulen ist uns nun aber noch deutlicher geworden – ebenso, dass Schulen Unterstützung brauchen. Wir suchen deshalb jetzt konkret nach Ansatzpunkten, wie wir diese Themen künftig noch expliziter bearbeiten, aber auch in unseren bestehenden Programmen stärker berücksichtigen können.

Eine längere Fassung des Gesprächs finden Sie in der Broschüre von »Vielfalt in Schulen« (zum Download auf der Projektseite von »Vielfalt in Schulen«).

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