Von Drahtgänsen und Fahrstuhlschildern

Objekte zur Geschichte unseres Museums

Junge Frau mit blauen Handschuhen schaut sich bunte Schilder von Mitarbeitern des Museums an

Volontärin Lisa Renner bei der Inventarisierung; Jüdisches Museum Berlin, Foto: David Studniberg

Ich erinnere mich noch gut an einen meiner ersten Arbeitstage im Museum vor einigen Monaten. Zusammen mit meinen beiden neuen Kolleginnen fuhr ich mit dem Aufzug ein Stockwerk tiefer. Wir passierten zwei gesicherte Türen und waren angekommen: im Depot. Dort türmten sich auf zwei Regalen aus Eisen prall gefüllte Kisten und Schachteln sowie Gegenstände aller Art — und damit meine Aufgabe für die nächsten acht Monate als wissenschaftliche Volontärin im Jüdischen Museum Berlin: der Aufbau einer kleinen Spezialsammlung zur Geschichte des Hauses.

Etwas ratlos wühlte ich in dem Sammelsurium von Ausstellungsfaltblättern, Einladungen und Fotos, die mir unbekannte Menschen zeigten, und fragte mich, was eigentlich eine Drahtgans auf Skateboard-Rollen oder ein altes Fahrstuhlschild im Museum machen.

Masel Tov!

Im September 2016 feierte das Jüdische Museum Berlin sein 15-jähriges Bestehen. Seine Vorgeschichte reicht jedoch bis in die 1970er Jahre zurück. Die Idee zur Gründung eines Jüdischen Museums entstand durch eine Ausstellung zum 300-jährigen Bestehen der Jüdischen Gemeinde im damaligen Berlin Museum. Bis zur Eröffnung unseres Museums im Jahr 2001 sollten jedoch fast 30 Jahre vergehen. Seitdem fanden zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen statt, Mitarbeiter*innen kamen und gingen und durch Neu- und Umbauten wurden nicht nur Fläche sondern auch Aufgabenbereiche des Museums stetig erweitert (weitere Infos zur Vorgeschichte des Museums auf unserer Webseite).

Von all diesen Entwicklungen zeugen unzählige Objekte, die sich in den vergangenen Jahren angesammelt haben, ohne strategisch gesammelt worden zu sein. Viele Museumsmitarbeiter*innen haben, was ihnen wichtig erschien, ins Depot gebracht; andere sammelten Erinnerungsstücke in ihren Büros.

Museum trifft auf Stadtgeschichte

Zuallererst musste ich mir also einen Überblick verschaffen. »Was haben wir?« und »Was davon wollen wir behalten?« waren zwei der Fragen, die sich mir stellten. Um eine Struktur zu schaffen, ordnete ich die Objekte außerdem verschiedenen Themen zu.

Schild mit Text "Fahrstuhl außer Betrieb"

Souvenir aus der ehemaligen Blumengroßmarkthalle Kreuzberg; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Maximilian Stephan

Eines dieser Themen sind zum Beispiel unsere Museumsgebäude selbst und dementsprechend Gegenstände, die damit in Zusammenhang stehen: Mehrere Schilder aus der ehemaligen Blumengroßmarkthalle gegenüber dem Museum, darunter das Fahrstuhlschild, erzählen von den Berührungspunkten zwischen der Berliner Stadtgeschichte und der Geschichte unseres Hauses. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden an dieser Stelle Blumen verkauft. Die Halle von 1965 beherbergt heute unsere W. Michael Blumenthal Akademie und damit unter anderem die Bibliothek und das Archiv. In den nächsten Jahren soll hier außerdem ein Museum speziell für Kinder entstehen.

Das »historische« Accessoire

Älterer Mann und junge Frau, beide halten ein Glas Wein in der Hand. Die junge Frau hat eine aus Draht gebastelte Gans mit dabei.

W. Michael Blumenthal gratuliert der Gewinnerin des Maskenballs; Foto: Barbara Blumenthal

Auch die Geschichte hinter der Drahtgans konnte ich schnell aufklären: Zum zehnjährigen Jubiläum des Museums wurde ein Maskenball für Mitarbeiter*innen gefeiert. Die Gans war Teil des Kostüms, mit dem eine damalige studentische Hilfskraft den 1. Platz im Kostümwettbewerb gewann. Als Vorbild diente ihr eine Fotografie aus unserer Sammlung mit dem Titel »Spaziergängerin mit Gans«, die 2008 auch als Hauptmotiv für die Ausstellung über die Fotografin Ruth Jacobi warb (mehr Infos zu Ruth Jacobi auf unserer Webseite). So stellt die Gans Bezüge zu unterschiedlichen Themen der Museumsgeschichte her, zu Mitarbeiter*innen, Ausstellungen sowie zur Museumssammlung selbst.

Jedes Objekt, das wir behalten, ob Flyer, Schlüsselanhänger oder Anstecknadel, wird inventarisiert. Dafür werden alle Informationen zum Objekt in eine Datenbank eingetragen. Es erhält eine Nummer, wird beschrieben, vermessen, fotografiert und verschlagwortet. Rund 500 Objekte in unserer internen Datenbank sind bereits mit dem Schlagwort »Geschichte des Jüdischen Museums Berlin« versehen. Solange das Museum besteht, werden noch viele hinzukommen. In diesem Sinn: Auf die nächsten 15 Jahre!

 

Nachdem Lisa Renner acht Monate für die Sammlungen tätig war, unterstützt sie nun das Team »Neue Dauerausstellung«.

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