»Es war schon mehr eine Treibjagd!«

Max Karp über seine Deportation aus Berlin am 28. Oktober 1938

Die im Text zitierten, handschriftlichen Briefzeilen

Ausschnitt aus Mendel Max Karps Brief aus Zbąszyń vom 17. Dezember 1938; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Joanne Intrator

»Am 28.10. wurden wir in Berlin ab 6 Uhr früh aus den Betten heraus von der Polizei verhaftet und in der Kaserne Kl. Alexanderstr. aus den Bezirken Bln-Mitte, Norden & Tiergarten zum Abtransport gesammelt.«

Schwarz-Weiß-Portrait-Foto eines Zeitung lesenden Mannes

Mendel Max Karp, Berlin ca. 1935; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Joanne Intrator

So beginnt der lange Bericht von Mendel Max Karp über seine Deportation aus der deutschen Hauptstadt vor genau 80 Jahren. Niedergeschrieben hat er ihn am 17. November 1938 in dem polnischen Grenzort Zbąszyń in einem Brief an seinen Neffen Gerhard Intrator, der seit 1937 in New York wohnte. Darin schildert der 1892 in dem Dorf Ruszelczyce nahe Przemyśl geborene Musiker in erschütternder Weise den genauen Verlauf seiner Verhaftung und Abschiebung.  weiterlesen

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Namen werden lebendig

Schwarz-Weiß-Fotografie eines älteren Ehepaares, das sich gegenseitig den Arm umgelegt hat

Emanuel und Johanna Stern, um 1903; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Alexander Summerville

Vor etwas mehr als zwei Jahren schrieb ich hier im Blog über eine Pessach Haggada, die ich online erworben hatte. Sie hatte wegen einer Namensliste auf den Umschlaginnenseiten meine besondere Aufmerksamkeit erregt. Darin sind alle Personen verzeichnet, die über sieben Jahre hinweg an Pessach-Sederabenden in zwei Wohnungen in direkter Umgebung unseres Museums teilgenommen hatten. Eingehende Recherchen brachten zahlreiche Informationen zu vielen der erwähnten Personen zutage, und mein Blogtext schloss damals mit der Hoffnung, Nachfahren der aufgelisteten Personen ausfindig zu machen.

Ende März dieses Jahres flog ich nun nach Stockholm, um Alexander Summerville zu besuchen. Er ist der Urenkel von Paul Aron, in dessen Wohnung in der Hedemannstraße 13/14 in fünf der in der Haggada verzeichneten Jahren Pessach-Sederabende abgehalten wurden.  weiterlesen


1946 von deutschen Polizisten erschossen

Das tragische Schicksal von Shmuel Dancyger sel. A.

Schwarz-Weiß-Fotografie von Menschen an einem Grab mit Blumen

Die Familie am Grab von Shmuel Dancyger; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Morris Dancyger

Während eines Aufenthalts in meiner kanadischen Heimatstadt Calgary (Alberta) im Sommer 2014 hatte ich Gelegenheit, Morris und Ann Dancyger zu treffen. Beide haben als Kinder den Holocaust überlebt. Morris Dancyger gehörte zu den wenigen Minderjährigen, die am 27. Januar 1945 in Auschwitz von der sowjetischen Armee befreit wurden. In den ikonisch gewordenen Filmaufnahmen, in denen Jungen und Mädchen ihre tätowierten Arme zeigen, steht der damals vierjährige Morris im Zentrum. Ann Dancyger überlebte 1942 zusammen mit ihrer Mutter auf wundersame Weise eine Erschießungsaktion in der Nähe der Stadt Ratno in der heutigen Ukraine, in der sie geboren wurde und anschließend beinahe drei Jahre im Versteck zubrachte. Als der Krieg zu Ende war, machte sie sich auf den Weg Richtung Deutschland. Von dort gelangte sie zwei Jahre später schließlich nach Calgary, wo Verwandte von ihr wohnten. Als ich dort aufwuchs, kannte ich die Dancygers nicht, und obwohl ich viel später etwas über das traurige Schicksal von Morris Dancygers Vater Shmuel gelesen hatte, war mir nicht bewusst, dass seine Witwe und Kinder in Calgary wohnten.  weiterlesen