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Zehn Gelingensbedingungen

Eine Liste für die interkulturelle Öffnung von Schulen

Basierend auf den Erfahrungen des Projekts Vielfalt in Schulen hat die externe Evaluation durch das Institut für Bildung in der Informations­gesellschaft (IBI gGmbH) Zehn Gelingens­bedingungen für die interkulturelle Öffnung von Schulen erstellt.

Das große Ziel der interkulturellen Öffnung von Schule geht natürlich weit darüber hinaus, was Projekte leisten können. Bildungspartnerschaften geben jedoch wichtige Impulse für die Schulentwicklung und sollten daher systematisch angegangen werden. Zusätzlich zu unseren Empfehlungen für die Planung und Gestaltung von Partnerschaften finden Sie in den zehn Gelingensbedingungen wertvolle Tipps insbesondere mit Blick auf Vielfalt und Rassismuskritik.

Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft

Das Projekt Vielfalt in Schulen wurde durch das Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI gGmbH) wissenschaftlich begleitet und fortlaufend evaluiert.

Zur Website der IBI gGmbH

Zehn Gelingensbedingungen für die interkulturelle Öffnung von Schulen

Tipps und Empfehlungen für die Planung und Gestaltung von Bildungspartnerschaften

Download (PDF / 0.41 MB / auf Deutsch / nicht barrierefrei)


Ziele

  • Interkulturelle Öffnung von Schule braucht klare und realistische Ziele, die in Unterziele aufgeschlüsselt werden.
  • Es braucht eine partizipative Erarbeitung der Ziele mit allen Beteiligten sowie einen Konsens der Verantwortlichen, dass und wo Veränderungsbedarf besteht.
  • Es braucht eine gemeinsame Vision, wie Schule nach dem vereinbarten Schulentwicklungsprozess aussehen soll.
  • Interkulturelle Öffnung von Schule braucht ein klar umrissenes, politisches Verständnis von Interkulturalität, das aktuelle rassismuskritische und migrationspolitische Debatten aufnimmt.


Politische Unterstützung

  • Politischer Rückhalt ist für Projekte zur interkulturellen Öffnung von Schule unerlässlich. Unterstützung braucht es aus der Senats-/Schulverwaltung, den Institutionen der Lehrer*innen-Ausbildung sowie der Politik.
  • Die ideelle Unterstützung sollte einhergehen mit der Bereitstellung von ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen, z. B. in Form von Freistellungen von Deputaten für Aufgaben der interkulturellen Öffnung. Mit Mitteln aus dem laufenden Schulbudget ist eine ganzheitliche interkulturelle Öffnung von Schule nicht zu gewährleisten.
  • Längerfristig kann interkulturelle Öffnung von Schule nur gelingen, wenn sich die Vielfalt der deutschen Klassenzimmer auch in den Kollegien widergespiegelt. Um dies zu erreichen braucht es politische Maßnahmen, jenseits der Personalentwicklung der einzelnen Schulen (z. B. Förderprogramme, Quoten o. ä. für Lehrer*innen mit Migrationsgeschichte).
  • Interkulturelle Öffnung von Schule sollte auch immer den Anspruch haben, auf die zuständigen politischen Institutionen zurückzuwirken und für Sensibilisierung, Fortbildung sowie Strukturveränderungen in Verwaltung und Politik einzutreten.


Mut

  • Interkulturelle Öffnung von Schule braucht Mut für politische Veränderungen.
  • Interkulturelle Öffnung von Schule darf nicht als technischer Prozess betrachtet werden. Sie braucht eine klare Werteorientierung und die Bereitschaft zum Anecken und Scheitern.
  • Interkulturelle Öffnung von Schule braucht den expliziten inhaltlichen Fokus auf Verringerung von Ungleichheit, verbunden mit einer diskriminierungs-und machtkritischen Pädagogik.
  • Die Beteiligten sollten einen offensiven Umgang mit Widerständen und Abwehrmechanismen pflegen. Sie sollten widersprüchlichen Meinungen und Haltungen Raum für Diskussion einräumen und Konflikte aushalten.


Vorbereitung

  • Interkulturelle Öffnung von Schule braucht eine ausführliche Vorbereitungsphase der Organisationsanalyse, Sensibilisierung für die Wichtigkeit des Prozesses sowie der detaillierten Planung von möglichen Aktivitäten und aufeinander aufbauenden Bausteinen.
  • Es sollte bei möglichst allen Beteiligten eine Unzufriedenheit mit dem Status Quo in der Schule bestehen (oder geschaffen werden) und als klares Ziel formuliert werden, wie eine interkulturell geöffnete Schule und ein gangbarer Weg dorthin aussehen könnte.
  • Zu Beginn des Schulentwicklungsprozesses sollte ein gemeinsames Verständnis zentraler Konzepte wie Vielfalt, Interkultur und institutionelle Diskriminierung entwickelt werden.
  • Darauf aufbauend sollten Leitlinien/Qualitätskriterien entwickelt werden, was unter einem guten Umgang mit Vielfalt im schulischen Kontext verstanden wird, damit während des Prozesses eine gemeinsame Gesprächsgrundlage für einen Abgleich von Aktivitäten mit den Zielen möglich ist.


Beteiligung

  • Als Grundlage aller Arbeit braucht es Achtsamkeit für eine wertschätzende, machtsensible Zusammenarbeit und Kommunikation. Diese in Arbeitszusammenhängen einzuüben ist eine zentrale Aufgabe der Vorbereitungsphase und der Begleitung und grundlegende Bedingung, um das zentrale Ziel der Veränderung der Schulkultur zu erreichen.
  • Maßnahmen von interkultureller Öffnung von Schule sollten v. a. Pädagog*innen als Zielgruppe adressieren. Jedoch ist die Einbindung von allen in Schule vertretenden Personengruppen (insbesondere auch Schüler*innen, Eltern und bis hin zu Hausmeister*innen) essentiell für das Gelingen.
  • Es braucht eine breit aufgestellte Beteiligung und zielgruppenspezifische Angebote zur Partizipation und Verantwortungsübernahme. Die Betroffenen sollten zu Beteiligten gemacht werden.
  • Neben allen Treffen, die für die Planung, Durchführung, Vernetzung und Auswertung von Aktivitäten eingeplant werden, sollten Räume geschaffen werden für den emotionalen Austausch der Beteiligten. Prozesse der interkulturellen Öffnung haben starke Auswirkungen auf der Ebene von Gefühlen, Ängsten, Abwehrmechanismen und Widerständen.
  • Desweiteren braucht es explizit getrennte Räume, in denen Angehörige der Mehrheitsgesellschaft und Menschen mit Rassismuserfahrungen jeweils getrennt voneinander in einen emotionalen und fachlichen Austausch zu Fragen ihrer Rolle und Position sowie zum Umgang mit möglicherweise auftretenden Konflikten und Diskriminierungen gehen können.


Begleitung

  • Zentrale Voraussetzung für das Gelingen von interkulturellen Schulentwicklungsprozessen ist eine externe Prozessbegleitung.
  • Die Begleitung sollte möglichst aus einer Hand von einer kompetenten und erfahrenen Institution erfolgen. Dort braucht es konstant Mitarbeitende mit Qualifikationen in systemischer Prozessbegleitung und diversitäts-und machtkritischer Beratung sowie Fachwissen in aktuellen migrationspolitischen und rassismuskritischen Debatten. Im Team der Prozessbegleitung sollten unbedingt Mitarbeitende mit Rassismuserfahrungen vertreten sein.
  • Die externen Projektdurchführenden brauchen eine offene, engagierte und konstruktive Haltung und die Bereitschaft, sowohl auf die Bedarfe der Schulen einzugehen wie auch Widerstände hervorzurufen und zu bearbeiten. Sie sollten sich durch klare Kommunikation und Kritikfähigkeit auszeichnen sowie der Aufgabe nachgehen, das Projekt zusammenzuhalten, die Motivation der Lehrenden zu sichern und eine konstruktive, positive Arbeitsatmosphäre herzustellen.
  • Alle Beteiligten in Schule und Begleitung sollten die Möglichkeit bekommen, Angebote von Coaching und Supervision wahrzunehmen.


Fortbildungen

  • Regelmäßige, zielgruppenspezifische Fortbildungen sind ein weiterer essentieller Baustein für eine interkulturelle Öffnung von Schule.
  • Es braucht Fortbildung auf drei Ebenen:
    1. Sensibilisierungs-Workshops zu Themen von Stereotypisierungen, Identitätsbildung, internalisierter, gesellschaftlicher und institutioneller Macht und Diskriminierung, jeweils getrennt als Awareness-Workshops für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft sowie als Empowerment-Workshops für Menschen mit Rassismuserfahrungen;
    2. Fortbildungen zu Prozesswissen über interkulturelle Öffnung von Schule, beispielsweise zu (interner) Prozessbegleitung sowie Aufgaben/Rolle von Führung in Veränderungsprozessen;
    3. Fortbildungen zu einzelnen Aspekten der interkulturellen Öffnung von Schule (z. B. Material-/Unterrichtsentwicklung, Mehrsprachigkeit, Umgang mit Diskriminierung im Klassenzimmer).
  • Die Durchführenden sollten sich vom Wunsch nach Praxis nicht abschrecken lassen und trotzdem die nötigen Theoriegrundlagen zu den Themen Vielfalt, Diskriminierung, Rassismus und Migrationsgesellschaft schaffen. Lehrersein definiert sich im Wesentlichen als Unterrichtspraxis. Werden Lehrende in ihren Bedarfen nicht ernst genommen, ist damit zu rechnen, dass sie zu theorieorientierten Fortbildungsreihen nicht erscheinen.
  • Der Prozess an den Schulen sollte im Mittelpunkt stehen, die Fortbildungen sollten diesen Prozess unterstützen, sich an den Bedarfen für die Schulentwicklung ausrichten und Kompetenzen für den Prozess vermitteln. Die Veranstaltungen des Projektes sollten schlüssig aufeinander aufbauen und einen roten Faden für den Gesamtprozess sichtbar machen.
  • Die wesentlichen und zusammengehörigen Projektbausteine wie Fortbildungen und Prozessbegleitung sollten möglichst aus einer Hand, d. h. von einer Institution durchgeführt werden. Die fachlichen Kompetenzen zu den Kernthemen Vielfalt/Umgang mit Diskriminierung sollten in der durchführenden Institution verankert sein. Das Projekt braucht darüber hinaus eine inhaltliche Anbindung in der durchführenden Institution, um Erfahrungswissen und Synergieeffekte nutzen zu können.


Strukturen

  • Erstes Ziel der interkulturellen Öffnung von Schule sollte es sein, den Prozess strukturell in der Schule zu verankern. Dies gilt insbesondere für Projekte mit kurzer Förderung/Laufzeit.
  • Dazu sollte eine Steuerungsgruppe, in der die unterschiedlichen Akteursgruppen der Schule repräsentiert sind, etabliert werden. Die Steuerungsgruppe initiiert, steuert und vernetzt Maßnahmen und Aktivitäten in den Bereichen Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Schulkultur.
  • Die Schulleitung sollte als wichtige Entscheidungsinstanz Teil der Steuerungsgruppe sein und Verantwortlichkeiten sowie Leitungsaufgaben, die sie nicht selbst wahrnehmen kann, delegieren, z. B. an eine schulinterne Prozessbegleitung.
  • Entsprechend der gesteckten Ziele der Schulentwicklung sollten Arbeitsgruppen zur Koordinierung und Durchführung der Maßnahmen und Aktivitäten eingerichtet werden.
  • Es braucht die Einrichtung von Kontrollsystemen und den fortwährenden Abgleich an den eigenen Leitlinien um zu überprüfen, ob durch die Schulentwicklung zum Abbau oder zur Verfestigung von Ungleichheit beigetragen wird.
  • Der Schulentwicklungsprozess braucht eine starke Verankerung in allen Gremien der Schule, z. B. auf Gesamtlehrerkonferenzen, Fachtagen sowie pädagogischen Tagen.


Zeit

  • Interkulturelle Öffnung von Schule braucht im Sinne der Nachhaltigkeit eine Perspektive der Kontinuität und sollte für einen großen Zeithorizont (mindestens fünf Jahre) geplant werden.
  • Vor dem Hintergrund, dass Institutionen sich nur langsam wandeln, brauchen insbesondere Veränderungsprozesse, die zum Abbau von Ungleichheit beitragen wollen, einen langen Atem.
  • Um interkulturelle Öffnung von Schule als dauerhaften Prozess etablieren zu können, sollte er mit parallel laufenden Schulentwicklungszielen zusammengedacht und geplant werden.
  • Die Erfolge der interkulturellen Öffnung von Schule brauchen Maßnahmen zur Stabilisierung. Ein Schulentwicklungsprozess braucht auch jenseits des offiziellen Prozesses Zeit, Begleitung und Ressourcen.
  • In Fällen, in denen budgetbedingt nur kurze Zeiten zur Verfügung stehen, sollten die Projektziele realistisch an die zur Verfügung stehende Zeit angepasst werden.


Vernetzung

  • Interkulturelle Öffnung von Schule sollte nicht im Alleingang durchgeführt werden, sondern braucht Vernetzung.
  • Wichtige Netzwerkpartner*innen sollten aus anderen Schulen, vergleichbaren Schulentwicklungsprojekten sowie aus Wissenschaft und Politik kommen. Es braucht spezielle Maßnahmen wie Netzwerktreffen, gemeinsame Fortbildungen kollegiale Beratung und Leitungsrunden.
  • Projekte zur interkulturellen Öffnung von Schule sollten wissenschaftlich begleitet werden und die Erkenntnisse aus der Evaluation in weitere Forschungsprojekte sowie in politischen Programmen umgesetzt werden.

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