Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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6. FEBRUAR 1933 >

Dienstag,
31. Januar 1933

Antwort des Kunstkritikers Max Osborn auf einen Leserbrief

Am Tag nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler beantwortete Max Osborn, Kunstkritiker der »Vossischen Zeitung«, einen Leserbrief, der auf seinen am 25. Januar erschienenen Artikel Bezug nahm. Darin berichtete er über die Eröffnung des Jüdischen Museums in Berlin wenige Tage zuvor. Am Ende seines Beitrags hatte Osborn auf ein spezielles Objekt des Museums hingewiesen: eine palästinensische Tonlampe, auf der ein Davidstern und ein Hakenkreuz eingeritzt waren. »Ist das nicht reizend?« fragte er am Schluss.

In seiner Replik auf den uns unbekannten Leserbrief hob Max Osborn die allem Anschein nach singuläre Erscheinung der beiden Zeichen auf einem historischen Gegenstand erneut hervor, die er als »eine wunderliche Merkwürdigkeit« bezeichnete – vor allem angesichts der Tatsache, dass gegenwärtig die beiden Zeichen »derartig in Gegensatz zu einander geraten« seien. Eine böse Vorahnung des Terrors der nächsten zwölf Jahre?

Der bekannte und geachtete Kunsthistoriker, Schriftsteller und Journalist Max Osborn (1870–1946) war seit 1914 Redakteur bei der »Vossischen Zeitung«. Osborn verlor seine Stelle Ende April 1933. In den folgenden Jahren schrieb er unzählige Beiträge in deutsch-jüdischen Zeitungen. Er gehörte dem Ehrenpräsidium des im Juli 1933 gegründeten Kulturbunds deutscher Juden an und leitete dessen Kunstausstellungen. Erst nach den Novemberpogromen von 1938 floh er mit seiner Frau nach Frankreich. 1941 konnten sie über Lissabon nach New York entkommen. Hier war Osborn weiterhin journalistisch tätig und verfasste zudem seine Erinnerungen »Der bunte Spiegel«.

Zu den zahlreichen Werken Max Osborns gehörte ein 1909 veröffentlichter Kunstführer für Berlin. Er zählte zu den Lieblingsbüchern von Adolf Hitler, der dieses Buch 1915 als Soldat im nordfranzösischen Fournes-en-Weppes kaufte und während des Kriegs ständig bei sich trug.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Berlin | Journalisten
Antwort Max Osborns auf einen Leserbrief, Berlin, 31. Januar 1933

Vossische Zeitung

 

Die »Vossische Zeitung« war die älteste Zeitung Berlins, herausgegeben vom Ullstein Verlag. In ihrer über 300-jährigen Geschichte gehörten so prominente Namen wie Gotthold Ephraim Lessing, Theodor Fontane und Kurt Tucholsky zu ihren Autoren. Die liberale Zeitung geriet 1933 schnell unter die Zensur der Nationalsozialisten und wurde im Jahr darauf eingestellt.

Letzte Ausgabe der »Vossischen Zeitung«, 31. März 1934
Landesarchiv Berlin 
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