Kennen Sie Eva Samuel?

Aufruf zur Anerkennung vergessener Künstlerinnen

»Wir haben mit Steinen nach ihr geworfen; wir dachten, sie sei eine Hexe.« So erinnert sich eine ehemalige Bewohnerin von Rishon LeZion heute schuldbewusst an ihre Begegnungen mit der Bildhauerin und Puppenherstellerin Edith Samuel. Edith, die ihre langen, dunklen, in Europa üblichen Röcke auch unter der sengenden Sonne des Nahen Ostens trug, litt an einer Fehlbildung. Die Tochter eines liberalen, deutschen Rabbiners und ihre Schwester Eva, die ebenfalls Künstlerin war, verließen in den 1930er Jahren ihre Geburtsstadt Essen und wanderten nach Palästina aus.

Foto von einer Töpferscheibe und weiterem Zubehör

Die Töpferscheibe von Paula Ahronson, der Geschäftspartnerin von Eva Samuel, befindet sich in Privatbesitz und ist seit ihrem Tod 1998 nicht mehr in Betrieb
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Michal Friedlander

Dort gelang es den Schwestern trotz harter Arbeit kaum, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und gebührende Anerkennung blieb ihnen ein Leben lang versagt. Vergessenen Künstlerinnen wie ihnen verhilft das Jüdische Museum Berlin nun zu einem Platz im Licht der Öffentlichkeit. Die Ausstellung »Ton in Ton« zeigt Keramiken von Eva Samuel und anderen Künstlerinnen, die Deutschland nach 1933 verlassen mussten.

Meine Beschäftigung mit vertriebenen deutsch-jüdischen Frauen in der Angewandten Kunst begann viele Jahre vor meiner Begegnung mit den Samuel-Schwestern. Emmy Roth war die Erste, deren Geschichte mein Interesse weckte. Sie wurde 1885 geboren, arbeitete in Berlin und war als außergewöhnlich talentierte Silberschmiedin auch international erfolgreich. Doch nachdem sie nach Palästina immigriert war, geriet sie in Vergessenheit und nahm sich schließlich 1942 das Leben. Dagegen wurden ihre männlichen Kollegen, wie etwa Ludwig Wolpert oder David Gumbel, die ebenfalls nach Palästina flohen, in den späten 1930ern an der wiedereröffneten New Bezalel School of Arts and Crafts in Jerusalem angestellt, um dort Metallarbeit zu unterrichten. Sie sind heute in Israel gefeierte Künstler, während Roth dort nach wie vor vollkommen unbekannt ist.

Foto eines beschrifteten Briefumschlags

Briefumschlag, der an Eva Samuel und Paula Ahronson im »Kad ve-Sefel«-Studio geschickt wurde, adressiert an das Krumholz Haus
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Michal Friedlander

Doch wie an Informationen über Roth und andere, womöglich bereits verstorbene Frauen in Palästina und anderswo herankommen? Wohin gingen sie, nachdem sie Deutschland verlassen hatten? Hatten sie andere Namen angenommen? Als ich mit der Recherche begann, fand ich im Internet kaum eine Spur. Ich durchforstete historische jüdische Veröffentlichungen aus Großbritannien, den USA und Palästina vor der Staatsgründung. Ich durchkämmte akademische Abhandlungen, Kunstkataloge und Archive auf der Suche nach Spuren dieser Frauen. Ich befragte Kollegen, Bibliothekare, Archivaren, Galleriebesitzer, Kunsthändler, Designexperten und erzählte praktisch jedem, den ich traf und der davon hören wollte (und sicher auch einigen, die nicht davon hören wollten) von meinem Projekt.

Allmählich begannen Namen und Objekte aus der Versenkung aufzutauchen. Eines lauen Sommerabends in Berlin saß ich während einer Ausstellungseröffnung neben einem älteren Herrn. Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte mir von seiner jüdischen Mutter, die als Glasdesignerin gearbeitet hatte. Ob ich Interesse hätte, mir ihre Arbeiten einmal anzusehen? Natürlich hatte ich das. In Jaffa begegnete ich einem leicht angestaubten Trödelhändler, der große Mengen Keramikarbeiten aus der Zeit vor der Staatsgründung besaß, die Künstlersignaturen jedoch nicht zu dechiffrieren wusste. Ob ich Lust hätte, ihn auf seinem Moped zu seinem Warenlager zu begleiten? Ein wenig unsicher war ich mir schon. Nichtsdestotrotz entschied ich, meine Suche auf Keramikkünstlerinnen zu beschränken und stieß auch prompt auf die Arbeiten dreier deutscher Emigrantinnen im Depot eines israelischen Museums. Die Stücke waren hervorragend erhalten, wenn auch staubbedeckt, nachdem sie in den vierzig Jahren, die sie sich im Besitz des Museums befanden, nicht ein einziges Mal ausgestellt worden waren.

Foto eines verlassenen Studios

Ehemaliges Keramikstudio von Eva Samuel in Rishon LeZion, Israel
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Michal Friedlander

Ich machte eine Pilgerfahrt nach Rischon LeZion, südlich von Tel Aviv, wo sich die Samuel-Schwestern niedergelassen hatten. Hier fand ich die heruntergekommene und verlassene Hütte, in der sich Eva Samuels Keramikstudio befunden hatte. Die Außenwände sind mit Graffiti übersät, und das zugemüllte, verlassene Grundstück wird gerne als Parkplatz genutzt. Ich bin sicher, dass sich innen nicht viel verändert hat, seit Eva Samuel ihr Geschäft, »Kad wa-Sefel«, (»Krug und Tasse«) 1979 nach 45 Jahren aufgegeben hat. Als ich nachfragte, erfuhr ich, dass es derzeit keine Pläne gibt, ihr Studio wieder aufzubauen. Diese Tatsache ist Ansporn für mich, weiterhin nach Spuren deutsch-jüdischer Frauen, die im Bereich der Angewandten Kunst arbeiteten, zu suchen und sie zusammenzutragen, ehe sie für immer verloren gehen.

Haben Sie Informationen über deutsche Jüdinnen und Juden, die in der Angewandten Kunst (Design, Textilien, Keramik, Metall, Glas etc.) tätig waren? Wenn ja, würden wir uns freuen, von Ihnen zu hören. Bitte wenden Sie sich an: judaica@jmberlin.de.

Michal Friedlander, Kuratorin für Judaica und Angewandte Kunst

Kommentiert von Dagmar Zirkel am 6. Mai 2015, 22:53 Uhr

Mit Interess habe ich gelesen, dass Sie das ehemalige Keramikstudio von Eva Samuel in Rishon LeZion, Israel, besucht haben.Über meine Schulfreundin Ulrike Thomas habe ich Eva Samuel bei einem gemeinsamen Besuch der beiden bei uns in München kennengelernt und bin bis zu ihrem Tod am 3.10.1989 mit ihr in Verbindung geblieben. Den letzten Brief erhielt ich von Eva Samuel am 12. März 1989. Ihre Schwägerin Irma Samuel fand Eva tot an ihrem Schreibtisch mit einem angefangenen Brief. Ulrike Thomas hat in dem Buch „Mut zu einem Neubeginn“ Auszüge aus Briefen von Eva Samuel und ihrer Familie zusammengestellt. Leider sind die schwarz-weiß Abbildungen in dem Buch ziemlich schlecht, trotzdem ist die Lektüre sehr eindrucksvoll. Wahrscheinlich sind das keine neuen Informationen für Sie, aber als ich den Namen Eva Samuel las und das Bemühen, sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, habe ich mich lebhaft an meine Begegnungen mit ihr erinnert.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Kraft für Ihre Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Zirkel

Kommentiert von Ulrike Thomas am 5. Oktober 2018, 11:30 Uhr

Gerade habe ich den Kommentar meiner Schulfreundin Dagmar Zirkel gefunden und will mich einmal melden, weil ich vielleicht Material habe, das Ihnen bei der Wiederentdeckung meiner Freundin Eva Samuel hilfreich sein kann. Wenn dem so ist, können Sie sich gerne an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Thomas

Kommentiert von Mirjam Bitter am 9. Oktober 2018, 09:51 Uhr

Liebe Ulrike Thomas,
herzlichen Dank für Ihre Kontaktaufnahme. Wir haben Ihr Angebot an Michal Friedlander weitergeleitet, die derzeit nicht im Museum ist. Sie wird sich ggf. nach ihrer Rückkehr bei Ihnen melden.
Mit besten Grüßen aus der Blog-Redaktion
Mirjam Bitter

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