Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Freitag,
10. März 1933

Reifezeugnis für Judith Rosenthal

Wie muss es gewesen sein, sechs Wochen nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und mit gerade mal 18 Jahren die Schule erfolgreich zu beenden? Blickte man als junge Jüdin in Deutschland mit Begeisterung, Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft? Davon verrät dieses Reifezeugnis natürlich nichts, auch wenn hier die Absichten der Absolventin genannt werden: »will Kunstgeschichte studieren«.

Die Berlinerin Judith Rosenthal (1915–2002) konnte ihren Wunsch nicht direkt erfüllen, fand aber dennoch auf verschlungenen Wegen zu einer lebenslangen Beschäftigung mit der Kunst. Nach Abschluss der Schule ging sie nicht auf die Universität; ob ihr der Zugang dazu versperrt war, wissen wir nicht. Stattdessen schrieb sie sich, Tochter und Enkelin von Rabbinern, im April 1933 an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums ein. Ein Jahr später wechselte sie zu einer Privatschule für Mode und Reklamekunst, wo sie bis Anfang 1936 blieb.

Im August des gleichen Jahres heiratete die 21-Jährige Simon Helfer, einen Bankangestellten und früheren Religionsschüler ihres Vaters, der als polnischer Staatsbürger sein Jurastudium im Juli 1933 hatte abbrechen müssen. 1939 flohen die Helfers nach London. Hier studierte Judith Helfer Kunstgeschichte am Courtauld Institute of Art. 1951 wanderte das Ehepaar nach New York aus, wo Judith Helfer als Künstlerin und ab Ende der 1960er Jahren bis kurz vor ihrem Tod als Kunstkritikerin tätig war, vor allem für die deutsch-jüdische Exilzeitschrift »Aufbau«.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Berlin | Schule | Studenten
Reifezeugnis des Pestalozzi-Oberlyzeums Berlin-Lichtenberg für Judith Rosenthal, Berlin, 10. März 1933
Leo Baeck Institute, Judith Helfer Collection, AR 25079

Abiturzeitung des Pestalozzi-Oberlyzeums

Zur Abschlussfeier ihres Jahrgangs verfassten Judith Rosenthal und ihre Mitschülerinnen eine witzige und geistreiche Zeitung, mit amüsanten Versen über die Lehrkräfte, einem Gedicht über den »Abi Alb« sowie Annoncen der Schülerinnen. Judith Rosenthal bot »Karikaturen bis zur Unkenntlichkeit« an und empfahl sich selbst als Beraterin in Modeangelegenheiten.

Titelblatt der Abiturzeitung der Klasse von Judith Rosenthal, Berlin, Frühjahr 1933
Leo Baeck Institute, Judith Helfer Collection, AR 25079 
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