Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Montag,
13. März 1933

Poesiealbum aus dem Besitz von Ursula Feibelmann

»Das Glück läßt sich nicht

jagen von einem Jägerlein, mit Wagen und Entsagen muß drum gestritten sein.

(Scheffel)

Von Deiner Marie.

Nürnberg, 13. März 1933.«

Dieses Poesiealbum hat einen langen Weg zurückgelegt. Als die 10-jährige Ursula Feibelmann es von ihrer Freundin Marie im März 1933 mit diesem Zitat von Joseph Viktor von Scheffel zurückbekam, wusste sie noch nicht, dass sie sich bald auf eine Reise ins Unbekannte begeben würde. Das Album war immer im Gepäck und bewahrte die Erinnerungen an verlorene Freunde und die flüchtigen frohen Momente ihres von nun an unbeständigen Lebens auf.

Die einzige Tochter des geachteten Kinderarztes Moritz Feibelmann und seiner Frau Betty Weil verlebte eine unbeschwerte Kindheit in Nürnberg. Feibelmann engagierte sich außerhalb seiner Praxis nebenamtlich als Wohlfahrtsarzt in verschiedenen öffentlichen Ämtern. Noch bevor das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« im April 1933 in Kraft trat, verließ die Familie Deutschland und floh in die Schweiz – der Auftakt zu einer langen Odyssee. Über Saarbrücken, das damals nicht zum Deutschen Reich gehörte, gelangten die Feibelmanns später ins französische Neuilly-sur-Seine. 1938 wanderten sie schließlich in die USA weiter. Wenn Ursula Feibelmann Freunde fand, bat sie um Eintragungen in ihr Poesiealbum.

1947 kehrte Ursula Feibelmann noch einmal in ihre Geburtsstadt zurück – als Übersetzerin in einem Nachfolgeprozess des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals.

Ulrike Neuwirth

Kategorie(n): Kindheit | Nürnberg
Poesiealbum aus dem Besitz von Ursula Feibelmann, Nürnberg, um 1931–1934
Schenkung von Claire und Julie Sherman, Töchter von Ursula Feibelmann Sherman
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