Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

< 1. APRIL 1933
1. APRIL 1933 >

Samstag,
1. April 1933

Arbeitsverbot für Ernst Rosenthal

Am 1. April erhielt der Chemnitzer Augenarzt Dr. Ernst Rosenthal (1898–1971) diesen Brief, aller Wahrscheinlichkeit nach direkt bei seiner Ankunft im »Sanatorium der von Zimmermann’sche Stiftung«. Er wird den Inhalt dieses durchaus höflichen Schreibens des Chefarztes Dr. Wittkugel wohl schnell erfasst haben: Das Betreten der Klinik und die Betreuung seiner Patienten wurden ihm an diesem Tag untersagt.

Dass Rosenthal das Hausverbot erahnt hat, ist unwahrscheinlich. Zwar war der Boykott jüdischer Geschäfte, Arztpraxen, Anwalts- und Notarskanzleien bereits am 30. März überall im Land angekündigt worden, von der Tätigkeit jüdischer Ärzte in Krankenhäusern war aber nicht die Rede gewesen.

Der 1898 in Rietberg in Westfalen geborene Ernst Rosenthal erhielt seine ärztliche Approbation 1925 in München. 1928 erwarb er die Praxis eines verstorbenen Augenarztes in Chemnitz und richtete sich in der Königstraße im Herzen der Stadt ein. Hier empfing er täglich seine Patienten, von 9.30 bis 13 Uhr und 15.30 bis 18 Uhr, samstags von 10.30 bis 14 Uhr. Im Zimmermann’schen Sanatorium betreute er ausschließlich Privatpatienten.

Offensichtlich sah sich der Chefarzt vom »Abwehr-Komitee« der NSDAP dazu gezwungen, Dr. Rosenthal den Zutritt zu verwehren. Ob dessen Praxis von dem Boykott ebenfalls betroffen war, wissen wir nicht. Wie in dem Schreiben angekündigt, galt das Arbeitsverbot nur für den 1. April und war doch nur der Beginn einer ganzen Kette von Diskriminierungs- und Verfolgungsmaßnahmen.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Ärzte | Boykott | Chemnitz
Mitteilung über das Arbeitsverbot für Ernst Rosenthal, Chemnitz, 1. April 1933, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal
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