Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Donnerstag,
8. Juni 1933

Einspruch von Ernst Rosenthal gegen die Aufhebung seiner Krankenkassenzulassung

Zwei Tage nachdem der Augenarzt Ernst Rosenthal (1898–1971) am 27. Mai aus der »Schutzhaft« entlassen worden war, erhielt er einen Bescheid von der Kassenärztlichen Vereinigung, mit dem ihm zum 1. Juli die Zulassung entzogen wurde. Für den seit 1928 in Chemnitz praktizierenden Rosenthal war dies eine existenzbedrohende Situation.

Um ein Berufsverbot zu verhindern, reichte Ernst Rosenthal Einspruch ein. Die »Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen« vom 22. April sah einige Ausnahmen vor, darunter für Ärzte, die als Frontsoldaten gekämpft bzw. als Sanitäter im Ersten Weltkrieg gedient hatten. In seinem Brief versuchte Rosenthal sowohl seine Tätigkeit als Arzt im Garnisonslazarett in Berlin als auch seine Mitgliedschaft im Freikorps »Marschgruppe Würzburg« anerkennen zu lassen. Vergeblich. Das Reichsarbeitsministerium sah seinen Dienst in Berlin »nicht als ärztliche Tätigkeit in einem Seuchenlazarett im Sinne der Verordnung« an und forderte für die Zeit beim Freikorps Belege für eine Teilnahme an Kampfhandlungen gegen Spartakisten, die Rosenthal aber nicht erbringen konnte. Am 16. Februar 1934 schickte das Ministerium seinen unwiderruflichen Bescheid per Einschreiben: »Diese Entscheidung ist endgültig.«

Es blieb Ernst Rosenthal wie zahlreichen anderen jüdischen Ärzten nichts anderes übrig, als zu versuchen, sich durch die Behandlung von Privatpatienten über Wasser zu halten. Gleichzeitig suchte er Wege, Deutschland zu verlassen.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Ärzte | Berufsverbot | Chemnitz | Frontsoldaten
Einspruch von Ernst Rosenthal gegen die Aufhebung seiner Krankenkassenzulassung (Seite 1), Chemnitz, 8. Juni 1933
Schenkung von Karin und Steve Rosenthal

Auswanderung

Anfang Dezember 1935 fuhr Ernst Rosenthal in die USA, in der Annahme, eine Stelle bei einem ihm bekannten Kollegen in Chicago antreten zu können. Diese Hoffnung zerschlug sich jedoch und er musste nach Chemnitz zurückkehren. Ein Jahr später gelang es ihm dann, sich in den USA niederzulassen. Am 31. Dezember 1936 fuhr er mit seiner Frau Margot an Bord der S.S. »Washington« von Southampton nach New York. Dank der Empfehlung seines Studienfreundes Joseph Kaschmann, der Deutschland bereits im August 1933 verlassen hatte, ging Rosenthal nach Hartford, Connecticut, wo er die notwendigen medizinischen Prüfungen ablegte. Im November 1937 eröffnete er eine Augenarztpraxis, die er bis kurz vor seinem Tod fast 34 Jahre lang unterhielt.

Ernst Rosenthal mit einem Patienten, Hartford, um 1938.
Schenkung von Karin und Steve Rosenthal 
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