Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

< 28. APRIL 1933
3. MAI 1933 >

Montag,
1. Mai 1933

Paul von Hindenburg und Adolf Hitler bei der Mai-Kundgebung im Lustgarten

Eine erstaunliche Fotografie. Aufgenommen am 1. Mai 1933, den die Nationalsozialisten zum »Feiertag der nationalen Arbeit« erklärt hatten. In einem offenen Wagen sind Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler zu sehen, nach der Kundgebung im Berliner Lustgarten, bei der Hindenburg von der Schlossterrasse aus eine Rede gehalten hatte. Am Straßenrand drängen sich die Menschen, die Arme zum Hitlergruß erhoben. Direkt vor dem Auto steht, mit Kamera in der Hand, der Fotograf Martin Dzubas (1900–1941).

Das hier gezeigte Bild wurde als »Echtfotografie-Postkarte« verkauft. Der Zufall wollte es, dass der 32-jährige Dzubas die Karte an einem Zeitungsstand entdeckte und sie zusammen mit einer weiteren, auf der er ebenfalls zu sehen ist, erwarb. Jahrzehnte später kommen die Bilder in seinem kleinen fotografischen Nachlass zum Vorschein, der dem Jüdischen Museum gestiftet wurde. Ob Aufnahmen, die er selbst an diesem schicksalhaften Tag gemacht hat – am 2. Mai werden die Gewerkschaften verboten und zerschlagen –, veröffentlicht wurden, ist unbekannt.

Martin Dzubas war Fotograf in der Bild- und Filmabteilung des Polizei-Instituts für Technik und Verkehr. Im August 1933 verlor er, Sohn eines jüdischen Vaters, nach fünf Jahren Tätigkeit seine Stelle und eröffnete daraufhin ein Fotoatelier in Berlin-Lichterfelde. 1934 erschienen Bilder von ihm, der bis dahin kaum Verbindung zum Judentum und zur Jüdischen Gemeinde hatte, in deutsch-jüdischen Zeitungen. In den folgenden Jahren trat er fast ausschließlich als Sportfotograf in Erscheinung. Hunderte seiner Aufnahme wurden gedruckt, in der »CV-Zeitung«, im »Jüdischen Gemeindeblatt Berlin« und im »Schild«, der Zeitung des Reichbunds jüdischer Frontsoldaten.

Im Mai 1939 wurde Martin Dzubas, der verheiratet und Vater eines Sohnes war, der »Rassenschande« bezichtigt und im Untersuchungsgefängnis Moabit eingekerkert. Eine Verurteilung gab es nicht. Nach seiner Entlassung im Dezember musste er Zwangsarbeit in einer Spinnstofffabrik leisten. Im Januar 1941 wurde er erneut verhaftet und im KZ Sachsenhausen interniert. Sieben Monate später überstellte man Martin Dzubas in das KZ Gross Rosen, wo er am 27. Dezember im Alter von 41 Jahren umgekommen ist.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Berlin | Gewerkschaften | Journalisten | Künstler und Schriftsteller
Paul von Hindenburg und Adolf Hitler bei der Mai-Kundgebung im Lustgarten, unbekannter Fotograf, Berlin, 1. Mai 1933
Schenkung von Hans Dzubas

Fotoreporter und Kunstfotograf

Es haben sich nur wenige Fotografien von Martin Dzubas erhalten. Der über 60 Fotos umfassende Nachlass, den sein Sohn dem Jüdischen Museum stiftete, zeigt aber, wie vielseitig und qualitätvoll sein fotografisches Werk war. Er enthält neben beruflichen Tatortdokumentationen für die Polizei auch lebendige Porträts, stimmungsvolle Großstadtimpressionen, streng komponierte Architekturaufnahmen und formal-abstrakte Stillleben. Einige Sportfotografien von Martin Dzubas sind darüber hinaus mit anderen Sammlungen ins Archiv gelangt.

Martin Dzubas mit Kamera (Selbstporträt), um 1935.
Schenkung von Hans Dzubas 
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