Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Donnerstag,
27. Juli 1933

Schreiben von Rudolf Rülf an den Reichsarbeitsminister

Seit Rudolf Rülf (1890–1968) aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist, praktiziert er als Zahnarzt in Wolfenbüttel. Doch jetzt ist der Fortbestand seiner Praxis bedroht. Mit Schreiben vom 14. Juli hatte ihm die Kassenärztliche Vereinigung Braunschweig die Kassenzulassung entzogen, da der von ihm geleistete »Kriegsdienst an der Front« nicht »der vorgeschriebenen Dauer« entspreche. Zwei Wochen hat er Zeit, beim Reichsminister für Arbeit Widerspruch einzulegen. Die Kassenvereinigung hatte ihm allerdings abgeraten, umfangreich Stellung zu nehmen, da dies »entbehrlich« sei, »den Geschäftsgang« erschwere und sich »zum Nachteil« auswirken könne.

Zu Beginn seines Briefes stellt Rülf die lange Ansässigkeit seiner Familie heraus. Detailliert schildert er dann seinen militärischen Werdegang: Nachdem er sich zunächst als Freiwilliger gemeldet hatte, aber nicht angenommen worden war, wurde er im November 1914 eingezogen. Er leistete Kriegsdienst bis Dezember 1918, in den letzten Kriegswochen in Feldlazaretten in Nordfrankreich. Rülf stellt fest, dass er somit Frontkämpfer sei und die Frontkämpfer-Klausel auch für ihn gelte.

Das Reichsarbeitsministerium lehnte seinen Widerspruch trotzdem ab und teilte mit, dass sein Kriegsdienst »nicht als eine, Ihre nichtarische Abstammung hinreichend ausgleichende Tätigkeit an der Front« angesehen werden könne. Dieser Beschluss kam einem Berufsverbot gleich. Rudolf Rülf emigrierte mit seiner Familie 1934 nach Palästina. Die Inneneinrichtung und Instrumente seiner Zahnarztpraxis nahm er mit.

Jörg Waßmer

Kategorie(n): Ärzte | Berufsverbot | Frontsoldaten
Schreiben von Rudolf Rülf an den Reichsarbeitsminister Franz Seldte (Seite 1), Wolfenbüttel, 27. Juli 1933
Schenkung von Alfred Rülf
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