Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Sonntag,
27. August 1933

Jüdischer Ehevertrag zwischen Heinz Gottschalk und Liselott Feilchenfeld

Ein großer Kreis von Verwandten und Freunden versammelte sich am Nachmittag des 27. August 1933 in der Wohnung von Daniel Feilchenfeld in Berlin-Tiergarten. Zehn Tage nach dem dessen Tochter Liselott (1909–2006) ihren Verlobten Heinz Gottschalk (1902–1987) standesamtlich geheiratet hatte, fand an diesem Tag die religiöse Trauung statt. Rechtsgültig wurde die Ehe durch das Aufsetzen und Unterschreiben des hier abgebildeten jüdischen Ehevertrags, der Ketubba.

Wie auf den ersten Blick ersichtlich, handelt es sich bei dem Dokument um einen Vordruck, in den handschriftliche Eintragungen gemacht wurden: das Datum der Eheschließung, die Namen von Bräutigam und Braut, die von beiden Seiten in die Ehe eingebrachten Geldsummen und die Unterschriften von zwei Zeugen, durch die die Urkunde erst ihre Gültigkeit erhielt. Der in Aramäisch abgefasste Text folgt einem seit Jahrhunderten unveränderten Wortlaut und regelt die Pflichten und die Verantwortung des Bräutigams gegenüber der Braut während der Ehe und nach seinem Tod.

Am 28. August, einen Tag nach der Hochzeit, erschien in der »Jüdischen Rundschau«, dem offizielle Organ der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, noch eine kleine Hochzeitsanzeige. Das frisch vermählte Paar hat sie vielleicht selbst gelesen: in einem Zug nach Italien, auf dem Weg nach Palästina.

Ulrike Neuwirth und Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Auswanderung | Berlin | Religiöses Leben | Zionismus
Ehevertrag (Ketubba) zwischen Heinz Gottschalk und Liselott Gottschalk, geb. Feilchenfeld, Berlin, 27. August 1933
Schenkung von Ronit Vered

Abschied und Anfang

Dass Freud‘ und Leid nah beieinander liegen, hat Daniel Feilchenfeld (1868–1968) im August 1933 sicher oft empfunden. Knapp zwei Jahre zuvor war seine Frau Elsbeth gestorben – die Hochzeit ihres einzigen Kindes konnte sie nicht mehr miterleben. Doch wie froh wird er gewesen sein, dass die Wahl seiner Tochter auf den jungen Unternehmer Heinz Gottschalk gefallen war. Sie verband nicht nur die Herkunft aus wohlgeordneten bürgerlichen Verhältnissen, vielmehr waren beide fest entschlossen, ihr gemeinsames Leben in Palästina zu beginnen.

Der Gedanke, eine Heimstätte für alle Juden in Palästina zu schaffen, war ihnen seit der Kindheit durch die aktive Mitarbeit in der zionistischen Jugendbewegung vertraut. Der politische Umschwung nach Hitlers Machtübernahme gab sicher den letzten Ausschlag, nun selbst Pionierarbeit in der neugegründeten Siedlung Ramot Hashawim zu leisten. Und so war die Freude Daniel Feilchenfelds zugleich getrübt: Noch am Tage der Trauung verließ das junge Paar Deutschland. Doch zum Abschied fand der Brautvater ermutigende Worte, die Mutter des Bräutigams mit einschließend: »Es ist uns Beiden nicht leicht, euch in die Ferne ziehen zu lassen, in die Ferne sage ich und nicht in die Fremde, denn uns allen ist es heute mehr denn je jüdisches Land, Heimatland, in dem ihr euch, so Gott will, wie unter Brüdern wohl fühlen werdet.«

Einladungskarte von Daniel Feilchenfeld zur Hochzeit seiner Tochter Liselott, Berlin, August 1933 
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