Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Sonntag,
29. Oktober 1933

Abschrift des Rabbinatszeugnisses für Fritz Pinkuss

Zwölf Semester Studium lagen hinter Fritz Pinkuss (1905–1994), als er am 2. Juli 1931 an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin die Prüfung zum Rabbiner bestand. Er hatte zunächst in Breslau Jüdische Theologie studiert, an der Universität Würzburg promoviert und sich anschließend an der Hochschule in Berlin eingeschrieben. An dieser »unabhängigen Lehranstalt zum Zwecke der Erhaltung, Fortbildung und Verbreitung der Wissenschaft des Judentums« ließ er sich zum Rabbiner ausbilden.

Sein Zeugnis, unterschrieben von bekannten jüdischen Gelehrten wie Leo Baeck und Ismar Elbogen, dokumentiert diesen Werdegang, listet seine Abschlussarbeiten auf und entlässt ihn »mit den besten Segenswünschen«. Pinkuss war nun befähigt als »Rabbiner, Prediger und Religionslehrer« zu wirken. Er ging nach Heidelberg und übernahm die Stelle seines Onkels Hermann Pinkuss als Rabbiner in der dortigen Jüdischen Gemeinde.

Eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses stellte sich Fritz Pinkuss im Oktober 1933 zusammen mit anderen Dokumenten in seiner Funktion als Gemeindevorsteher selbst aus. Vermutlich spielte er bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken, Deutschland zu verlassen, da er das deutsche Judentum durch die Nationalsozialisten in seiner Existenz gefährdet sah. Spätestens ab Oktober 1934 stand er dann mit der Jüdischen Gemeinde in São Paulo, Brasilien, in Kontakt.

Unter den Papieren von Fritz Pinkuss befindet sich auch eine 1936 angefertigte Übersetzung des ursprünglich auf Deutsch verfassten Rabbinatszeugnisses ins Portugiesische. In diesem Jahr emigrierte Fritz Pinkuss mit seiner Frau Lotte Selma Pinkuss, geb. Sternfels, und dem einjährigen Sohn Michael Ludwig nach Brasilien. Dort übernahm er eine Rabbinerstelle und baute als Oberrabbiner die liberale deutsch-jüdische Gemeinde in São Paulo auf. Später begründete er an der Universität der Stadt das Zentrum für jüdische Studien.

Christiane Bauer

Kategorie(n): Auswanderung | Religiöses Leben | Wissenschaftler
Rabbinatszeugnis für Fritz Pinkuss vom 2. Juli 1931, beglaubigte Abschrift in deutscher Sprache, Heidelberg, 29. Oktober 1933
Schenkung von Michael Ludwig Pinkuss

Hatarat Hora’a

Zusammen mit dem Zeugnis erhielt Fritz Pinkuss nach dem erfolgreichen Rabbinatsexamen auch die Hatarat Hora’a, die Urkunde, mit der er zum Rabbiner ordiniert wurde. Sie trägt allein die Unterschrift seines Professors für Talmud, des renommierten Gelehrten Dr. Chanoch Albeck.

Auch die Abschrift der Ordinationsurkunde beglaubigte Fritz Pinkuss selbst in seiner Funktion als Bezirksrabbiner in Heidelberg.

Ordinationsurkunde (Hatarat Hora'a) für Fritz Pinkuss vom 6. Januar 1932, beglaubigte Abschrift in hebräischer Sprache, Heidelberg, 29. Oktober 1933
Schenkung von Michael Ludwig Pinkuss 
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