Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Montag,
6. November 1933

Affidavit für Alwine Kornstein

Von den rund 37.000 Juden, die im Jahr 1933 infolge der antijüdischen und antidemokratischen Politik der nationalsozialistischen Regierung aus Deutschland flohen, sind höchstens 1.400 in die Vereinigten Staaten gegangen. Der Grund dafür lag in erster Linie darin, dass sich die Mehrzahl der Exilanten in benachbarten Ländern niederließ, im Glauben und in der Hoffnung, dass die NS-Regierung nur von kurzer Dauer sein würde und sie bald zurückkehren könnten. Die zweitgrößte Gruppe ging nach Palästina. Darüber hinaus ist die niedrige Zahl aber damit zu erklären, dass die US-Regierung angesichts der noch spürbaren Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise nicht gewillt war, eine große Zahl von Einwanderern ins Land zu lassen. In der Tat begannen die Amerikaner erst 1939 ihre selbst festgelegte Quote von jährlich 27.000 Emigranten aus Deutschland und Österreich zu erfüllen.

Für eine Einwanderung in die USA war ein »Affidavit« Voraussetzung. Mit dieser Bürgschaft musste ein amerikanischer Bürger persönlich garantieren, für die Einreisewilligen zu sorgen, so dass sie dem Staat nicht zur Last fallen würden. Das hier gezeigte Affidavit stellten Manuel und Ilse Schwartz am 6. November 1933 für Alwine Kornstein aus, die in Breslau lebende Mutter von Ilse Schwartz. Manuel Schwartz machte Angaben über sein Arbeitsverhältnis, Einkommen und seine Ersparnisse. Das in Brooklyn wohnende Ehepaar erklärte zudem eidesstattlich, dass es bereit und in der Lage sei, Alwine Kornstein vollständig zu unterstützen, und versicherte, dass für ihren Unterhalt keine Stadt oder Kommune werde aufkommen müssen.

Manuel und Ilse Schwartz waren selbst erst kurz zuvor Bürger des Landes geworden: Manuel, der bereits 1909 als Kind eingewandert war, im Jahr 1928, und Ilse sogar erst im September 1933, durch ihre ein Jahr zuvor geschlossene Ehe.

Der Antrag für Alwine Kornstein hatte Erfolg. Im April 1934 konnte sie mit ihrem Sohn, dem Arzt Adolf Kornstein, und seiner Frau Suse in die USA einwandern. Ob auch für sie Affidavits von Manuel und Ilse Schwartz vorlagen, ist unbekannt; als sicher gilt, dass Adolf Kornstein mit einem größeren Vermögen von 5.000 US-Dollar eingereist ist.

Sieben Jahre später verließen auch die Eltern von Suse Kornstein, Julian und Margarete Rosenthal, dank der Bemühungen von Tochter und Schwiegersohn, Deutschland. Im buchstäblich letzten Moment entkamen sie der drohenden Vernichtung und legten Mitte September 1941 in New York an.

Alwine Kornstein erhielt im April 1945 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach Deutschland ist sie nie wieder gereist.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Auswanderung | Breslau
Affidavit für Alwine Kornstein, ausgestellt von Ilse und Manuel Schwartz, New York, 6. November 1933
Leo Baeck Institute, Kornstein-Rosenthal Family Collection, AR 6280
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