Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Dienstag,
28. März 1933

Halbjahreszeugnis für Mirjam Frank

Biblische Geschichte, Hebräisch Lesen und Übersetzung der Gebete – in diesen drei Fächern erhielt die erst achtjährige Mirjam Frank, Schülerin der 2. Klasse, einmal wöchentlich Religionsunterricht, wie wohl fast alle jüdischen Volksschüler in Berlin. Das Zeugnis nennt keine Schule, angegeben ist lediglich der Ortsteil Niederschöneweide.

Aus dem »Jüdischen Jahrbuch für Gross-Berlin 1928« geht jedoch hervor, dass an der 2. Gemeindeschule in der Kiefholzstraße Ferdinand Last jüdischen Religionsunterricht erteilte. Die Unterschrift des Lehrers findet sich auf dem Zeugnis. Ob Mirjam in der Kiefholzstraße auch zur Schule ging, ist nicht bekannt; sicher ist, dass sie hier bis Ostern 1935 am Religionsunterricht teilgenommen hat.

Die jüdische Gemeinde unterhielt Anfang 1933 nur wenige eigene Schulen in Berlin. Sie konnte aber an fast 20 öffentlichen Schulen Räume nutzen, um jüdischen Schülern Religionsunterricht erteilen. Erst im März 1935 wurde ihr diese Möglichkeit entzogen.

Mirjam Frank besuchte ab Ostern 1935 die katholische Private Franziskus-Schule in der Hohenstaufenstraße 2 in Berlin-Schöneberg. Infolge der nach dem Novemberpogrom 1938 erlassenen Verordnungen musste sie die Schule verlassen, da alle jüdischen Kinder nur noch an jüdischen Schulen unterrichtet werden durften. Im April 1939 wanderte Mirjam mit einem Kindertransport nach England aus, einen Monat später gelang ihren Eltern die Ausreise nach Schanghai. Erst 1947 sahen sie ihre Tochter in den USA wieder.

Mirjam Franks Religionslehrer Ferdinand Last überlebte nicht. Der 1883 in Frankfurt am Main geborene Lehrer, der möglicherweise bis zur Auflösung des jüdischen Schulwesens im Juli 1942 weiter unterrichtete, wurde am 3. März 1943 mit seiner Frau nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Berlin | Kindheit | Religiöses Leben | Schule
Halbjahreszeugnis der Religionsschule für Mirjam Frank, Berlin, 1933
Schenkung von Irving und Miriam Klothen, geb. Frank

Kennkarte von Mirjam Frank

Mirjam Franks Kennkarte weist die beiden diskriminierenden Identifikationsmerkmale auf, welche auf den Kennkarten aller deutschen Juden zu finden waren: Das große „J”, das auch schwarz auf der Vorderseite gedruckt wurde, und ein von den Nationalsozialisten angeordneter, ab dem 1. Januar 1939 zu führender Zwangsname – Sara für Frauen und Mädchen, Israel für Männer und Jungen. Verordnet im Juli 1938, mussten alle deutschen Juden bis Ende des Jahres eine Kennkarte beantragen.

Kennkarte von Mirjam Frank, Berlin, 5. Januar 1939
Schenkung von Irving und Miriam Klothen, geb. Frank 
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