Aus dem Golem-Talmud

Beitrag im Ausstellungskatalog GOLEM

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Joshua Cohen

Einmal kam Rav Zeira zu Rava und sprach, Da mir nie ein Golem begegnet ist, glaube ich nicht an Golems. Beweise mir, dass es sie gibt. Rava sprach, Forderst du denselben Beweis des Allmächtigen [i. e. wenngleich Gott dir nie offenbart wurde, glaubst du dennoch, dass Gott existiert]? Rav Zeira sprach, Du wagst es, einen Klumpen belebten Lehms mit dem Schöpfer des Weltalls zu vergleichen? Rava sprach, Wagst du es, dich selbst mit ihm zu vergleichen?

Ein gewisser Irrgläubiger kam zu Rav Idis und sprach, Ich möchte einen Golem – schaffe mir jetzt einen, oder deine Tora ist falsch. Rav Idis sprach, Komme wieder am Tage der Schöpfung Adams [i. e. am Freitag]und bringe mit dir ein drittgeborenes Kalb, zum Drittel seiner Reife herangewachsen [i. e. das schmackhafteste der Kälber]. Der Irrgläubige kam wieder mit seinem Kalb und verlangte seinen Golem, doch Rav Idis sprach, Komme wieder am Tage der Schöpfung Adams und bringe mit dir zwei Kerzen, ein halbes Log Wein und ein Tartemar Brot. Der Irrgläubige kam wieder mit den Kerzen, dem Wein und dem Brot in der rechten Menge und verlangte die Aushändigung seines Golem, doch Rav Idis sprach, Brot ist nicht bloß Weizen und Wein wächst nicht an der Rebe [i. e. einen Golem zu schaffen erfordert Zeit und Mühe]. Komme wieder am Tage der Schöpfung Adams und bringe mit dir deine jüngste Tochter als meine Braut. Der Irrgläubige kam wieder mit seiner jüngsten Tochter und sprach, Ich habe dir alles gegeben, was du begehrtest, – ein Kalb, die Kerzen, den Wein, das Brot, und nun gebe ich dir das Kostbarste, was ich habe, meine jüngste und schönste Tochter, und doch habe ich noch immer keinen Golem. Was weiter muss ich tun, oder wirst du endlich zugeben, dass du keinen Golem schaffen kannst und also deine Tora falsch ist? Rav Idis sprach, Du willst einen Golem? Komme wieder am Tag der Erschaffung der Welt [i. e. Donnerstag, der glückverheißendste Tag zur Hochzeit] und bringe einen Spiegel mit.

Rav Jochanan sprach im Namen von Rav Meir, Ein Golem ist das, was du beherrschst. Doch Rav Jischmael, Sohn des Rav Jose, widersprach, Ein Golem ist der, den du beherrschst.das, so ist ein Golem unbeseelt. Wenn der, so ist ein Golem lebendig oder kann es sein]. Die Gemara antwortet, indem sie eine Baraisa zitiert, „Da Adam aus Staub geschaffen ward, sind auch wir alle aus Staub gemacht und zum Staub müssen wir zurück. Gott atmet aus, um uns Leben zu geben, und atmet ein, um das Leben wieder zu nehmen.“ Rav Idis sprach, Dies heißt, dass alle Menschen Golems sind. Rabban Gamliel sprach, Dass alle Menschen Golems sind, heißt nicht, dass alle Golems Menschen sind. Rav Idris stimmte zu und sprach, Die meisten von ihnen sind Frauen.

Wie Rav Zeira von Raba berichtet, sind vier Dinge nötig, um einen Golem zu schaffen: ein nicht löschbarer Filzstift, eine Schere, ein Tuch, eine Frau. Und dies ist zu tun: Man nehme die Frau, stelle sie aufrecht hin und breite das Tuch über ihren Kopf, dabei stelle man sicher, dass es ihren Leib vollkommen bedeckt, bis hin zu den Enden ihrer Glieder. Mithilfe der Schere schneide man nun ein Loch für ihr Gesicht. Und zuletzt nehme man den Filzstift und schreibe das Wort scharmuta [Hure] auf den Streifen Tuch, der ihre Stirn bedeckt. Rav Idis sprach, Das Loch muss nur für die Augen geschnitten werden. Rav Jochanan sprach, Gar keine Löcher, keine Schere erforderlich. Rav Jischmael, Sohn des Rav Jose, sprach, Das Wort auf ihrer Stirn muss sawdschati [meine Ehefrau] lauten oder uchti [meine Schwester] oder ami [meine Mutter], und es muss mit Blut geschrieben sein, kein Stift erforderlich. Einmal kam ein gewisser Wäscher [i. e. Schwindler] zu Rav Meir und fragte, Kann eine Frau aus einer anderen Frau einen Golem machen? Kann sie sich selbst zum Golem machen? Rav Meir antwortete, Ja und ja, doch wenn sie es tut, so nur, weil sie mit vorgehaltener staubiger Rippe dazu gezwungen worden ist [i. e. nur, weil sie von einem Mann gezwungen worden ist].

übers. Joshua Cohen

Joshua Cohen arbeitet als Schriftsteller in den USA. Als Literaturkritiker schreibt er regelmäßig Beiträge für das Harper’s Magazine, New York Times Book Review und London Review of Books. Zwischen 2001 und 2007 war er Osteuropakorrespondent der englischen Ausgabe des Jewish Daily Forward mit Sitz in Berlin. Sein Werk erscheint auf Deutsch im Verlag Schöffling & Co. Auf Vier neue Nachrichten (2014) und Solo für Schneidermann (Herbst 2016) werden weitere Romane folgen, darunter Buch der Zählung und Witz.

Shai Azoulays Gemälde„Golem“: im Zentrum steht ein Mann mit roter, skimützenartiger Maske, der eine blaue Kugel in der Hand hält, rechts neben ihm eine Frau mit Burka. Im Vordergrund befinden sich weitere Personen.

Golem
Shai Azoulay, Israel, 2013
Öl auf Leinwand, 169 x 178 cm
Foto: Courtesy of Shai Azoulay

Citation recommendation:

Joshua Cohen (2016), Aus dem Golem-Talmud. Beitrag im Ausstellungskatalog GOLEM.
URL: www.jmberlin.de/node/4711

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