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Get: die rituelle Besiegelung einer Trennung

Objekt im Fokus

Dieser Scheidebrief, genannt Get, stammt aus der Sammlung des Rabbiners Dr. Julius Jakobovits (1886–1947). Er betrifft die Trennung von Siegfried Leopold von seiner Frau Resi, geborene Heim. Denn nach jüdischem Recht wird die Annullierung einer Ehe erst durch die Anfertigung eines Scheidebriefs und seine Aushändigung durch den Ehemann an seine Gattin gültig. Der Get ist somit nicht allein die formelle Bestätigung einer Scheidung, erst die rituelle Überreichung des Dokuments an die Frau besiegelt die Trennung. Geschrieben wird der Get von einem*einer kundigen Schreiber*in beim rabbinischen Gericht, nachdem der Ehemann seinen Willen hierzu bekundet hat.

Genaue Vorschriften

Form, Material und Schriftbild des Scheidebriefs müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllen: Das aus Pergament oder Papier bestehende Dokument muss länger sein als breit, es darf weder radiert noch durchlöchert sein und soll mit Gänsekiel in schwarzer, reiner Tinte geschrieben sein. Der Text wird in hebräischer Quadratschrift in zwölf Zeilen verfasst, entsprechend dem numerischen Wert des Wortes Get, das sich aus den Buchstaben gimel (=3) und tet (=9) zusammensetzt.

Eine jahrhundertealte Tradition

Der aramäische Wortlaut des Scheidebriefs ist seit Jahrhunderten festgelegt. Er benennt die Namen von Ehemann und -frau, das Datum und den Ort der Niederschrift und bedarf der Unterschrift von zwei Zeug*innen. Kern des Textes ist die Formulierung „Und jetzt sei losgelöst, entlassen und geschieden von mir, so dass dir erlaubt sei, über dich selbst zu verfügen und jeden Mann zu heiraten, den du willst.“ Nach Übergabe an die Ehefrau wird das Dokument eingerissen, um jeglichen Missbrauch zu verhindern, und an die*den Vorsitzende*n des Gerichts weitergereicht.

Schriftstück mit hebräischem Text.

Get (Scheidebrief) von Siegfried Leopold für seine Frau Resi, geb. Heim; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Dr. Julius Jakobovits

Zur Zeit der Urkundenausstellung amtierte der aus Ungarn stammende Julius Jakobovits als Rabbiner der Orthodoxen Synagoge Kottbusser Ufer (heute Fraenkelufer) in Berlin. Ein Jahr später, 1938, emigrierte er mit seiner Familie nach London. Aus seiner zehnjährigen Tätigkeit als Richter am Rabbinatsgericht in Berlin sind zahlreiche Dokumente erhalten, die nun Teil der Sammlung des Jüdischen Museums Berlin sind und Auskunft über seine berufliche Tätigkeit geben.

Resi und Siegfried Leopold

Da es sich um ein so formales Dokument handelt, erfahren wir daraus nichts über die nun geschiedenen Eheleute oder über den Grund ihrer Trennung. Über Resi Leopold wissen wir lediglich, dass sie nach ihrer Scheidung wieder bei ihren Eltern in Berlin lebte und 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Siegfried Leopold war vermutlich Fleischer, über seinen weiteren Lebensweg haben wir keine Informationen.

Titel Get (Scheidebrief) von Siegfried Leopold für seine Frau Resi, geb. Heim
Sammlungsgebiet Archiv
Ort und Datierung Berlin 12. August 1937
Material Papier, Tinte
Maße 36,6 x 25,8 cm

 

Get

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Resi Heim

Für Resi Heim wurde ein Stolperstein in Berlin-Pankow verlegt.

Mehr auf www.stolpersteine-berlin.de

Synagoge Fraenkelufer

Die Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg wurde 1913 – 1916 als orthodoxe Synagoge erbaut. Bei den Novemberprogromen 1938 wurde sie schwer beschädigt und in den 1950er Jahren abgerissen. Heute existiert nur noch ein Nebengebäude, das als konservative Synagoge genutzt wird.

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Rabbinatsgericht

Ein Rabbinatsgericht (hebräisch Beth Din) besteht in der Regel aus mindestens drei Rabbiner*innen.

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Ausgewählte Dokumente und Objekte: Archiv (10)

  • Archiv

    Stöbern Sie online in ausgewählten Archivbeständen vom 18. Jahrhundert bis in die Nachkriegszeit: Private und offizielle Dokumente erzählen vom Leben als Wandergeselle im 19. Jahrhundert, käuflichen Schutzrechten in der Frühen Neuzeit oder verzweifelten Emigrationsbemühungen während des Nationalsozialismus

  • Adoptionsvertrag mit Stempeln.

    Adoptionsvertrag Gloeden und Loevy

    Schon ein jüdisch klingender Name konnte Anlass für Diskriminierungen sein. Daher ließen sich die Geschwister Erich und Ursula Loevy 1918 von dem Gymnasialprofessor und Familienfreund Bernhard Gloeden adoptieren

  • Brief mit Schwärzungen.

    Ein verzweifelter Brief an den Sohn

    „So lange wir noch hier sind, werden wir dir noch jeden 3ten Tag schreiben.“, schrieben Paul und Sophie Berliner am 6. November 1941 an ihren in Stockholm lebenden Sohn Gert

  • Dienstausweis mit Bild und Stempeln

    „Dienstausweis!“ von Martin Riesenburger

    Mit einem provisorischen Dokument wird Martin Riesenburger im Februar 1953 bescheinigt, dass er als Rabbiner für die Seelsorge in Ost-Berliner Gefängnissen zuständig ist

  • Ein Brief.

    Get von Siegfried Leopold für seine Frau Resi

    Nach jüdischem Recht wird die Annullierung einer Ehe erst durch die Anfertigung eines Scheidebriefs und seine Aushändigung durch den Ehemann an seine Gattin gültig

  • Karteikarten.

    Karteikarten der Britischen Armee

    Tausende deutsche Emigranten kämpfen im Zweiten Weltkrieg in der Britischen Armee gegen Deutschland. Für den Fall der Gefangennahme mussten sie ihre Namen ändern, dokumentiert auf diesen Karteikarten

  • Eine Tasche gefüllt mit mehreren Briefen.

    Ledermäppchen von Frieda Neuber

    Kurz vor ihrer Deportation nach Theresienstadt übergab Frieda Neuber ihrer Nichte ein Ledermäppchen. Die darin enthaltenen Briefe dokumentieren ihre verzweifelten Bemühungen um eine Auswanderung

  • Verschiedene zerknitterte Schriftstücke mit hebräischen Buchstaben, ein Schuh und eine Tasche

    Memmelsdorfer Genisa

    Im Februar 2002 fiel während der Renovierung eines Hauses bei der Öffnung der Deckenfächer ein Leinensack mit Papieren und persönlichen Gegenständen herunter. Das Haus hatte sich von 1775 bis 1939 in jüdischem Besitz befunden

  • Ausgefülltes Dokument mit Stempeln.

    Rot-Kreuz-Brief an Emmy Warschauer

    Der Nachrichtendienst der Hilfsorganisation bot nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Emigrant*innen die Möglichkeit, Kontakt mit Verwandten in Deutschland aufzunehmen. So erhielt Emmy Warschauer ein Lebenszeichen ihrer Tochter

  • Handschriftliches Dokument aus dem 18. Jahrhundert.

    Schutzbrief für die Jüdinnen*Juden in Ichenhausen

    Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Aufenthalts- und Gewerberechte von Jüdinnen*Juden in den deutschen Territorien in Schutzbriefen geregelt, die käuflich erworben werden mussten

  • Seite des Wanderbuchs.

    Wanderbuch von Leopold Willstätter

    Von 1836 bis 1843 war Leopold Willstätter als Wandergeselle in Südwestdeutschland und Frankreich unterwegs. Das Wanderbuch mit einer genauen Personenbeschreibung diente dem Schuhmacher auch als Ausweis

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