»Und nächsten Sonntag denkt niemand mehr an die Wahl«

– Die Reichstagswahl von 1930

Schwarz-Weiß-Fotografie eines Mannes im Anzug und mit Brille, zeitungslesend an einem Tisch sitzend

Heinz Arzt beim Zeitunglesen, 1920; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Hilde Pearton, geb. Bialostotzky

Kürzlich ging ich ein Findbuch zu einer Familiensammlung durch, die bereits seit vielen Jahren hier im Archiv ist. Ich wollte das Verzeichnis entsprechend des heutigen Standards überarbeiten. Die Sammlung umfasst Dokumente, Fotografien und Objekte zu den Familien Arzt und Bialostotzky. In dem 23-seitigen Findbuch war bei dem Berliner Likörfabrikanten Heinz Arzt (1866–1931) in der Kategorie »Korrespondenz« ein Brief einsortiert, zu dem aber weder Absender*in noch Adressat*in angegeben, geschweige denn der Inhalt des Briefes benannt war. Die äußerst knappe Information lautete: »Brief: handschriftlich, 14.09.1930.«

Ich ging also in das Archivdepot und holte das Dokument mit der Signatur 2001/219/28 aus dem Karton 451 heraus, um die Angaben zu vervollständigen. Plötzlich hielt ich ein spannendes Stück Zeitgeschichte in Händen.  weiterlesen

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Die Repräsentationskluft schließen

Ein Gespräch mit Karamba Diaby

Ein Mann mit Anzug und Krawatte auf einer Treppe sitzend

Karamba Diaby; Foto: Michael Bader

Der erste Schwarze im Deutschen Bundestag – so wird Karamba Diaby häufig vorgestellt. In seinem Buch Mit Karamba in den Bundestag: Mein Weg vom Senegal ins deutsche Parlament gibt Diaby einen spannenden Einblick in seine Lebens­geschichte, die viele Vorurteile ins Wanken bringt.

Am 1. Juni 2017 stellt er bei uns im Rahmen der Reihe »Neue deutsche Geschichten« sein Buch vor und spricht mit uns über seinen Weg vom Senegal in die DDR, seine Erfahrungen im Nachwendedeutschland, über Alltagsrassismen und nicht zuletzt über seine Ziele und Visionen als Bundestagsabgeordneter. Sithara Weeratunga und Serpil Polat haben Karamba Diaby vorab drei Fragen gestellt:  weiterlesen


Veröffentlicht von am 23. März 2017 2 Kommentare

Gelungenstes Beispiel für Deutschland wo gibt freilassen!

Foto einer Häuserkulisse in Berlin Kreuzberg/Mitte

Blick von der Akademie des Jüdischen Museums auf das Springer-Hochhaus mit der Leuchtschrift #FreeDeniz; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stefanie Haupt

»#FreeDeniz« strahlt mir die Leuchtanzeige des Axel-Springer-Hochhauses in Schwarz auf Türkisgrün entgegen, wenn ich mein Büro im Jüdischen Museum verlasse und aus dem Nordflügel der W. Michael Blumenthal Akademie ins Freie trete. Beim ersten Sehen habe ich mich noch über das Signal gefreut, mit dem die Axel Springer SE* die Freilassung des Türkei-Korrespondenten der WELT, Deniz Yücel, anmahnt. Doch mit jedem Tag wird es trauriger, die Anzeige sehen zu müssen. Ich kenne Deniz Yücel seit 2003, als er mit anderen Berliner*innen deutsch- und türkischsprachige Proteste gegen die Sprengstoffanschläge auf die beiden Istanbuler Synagogen Neve Shalom und Beth Israel vom 15. November organisierte. Bei den Anschlägen waren 24 Menschen getötet, etwa 300 verletzt worden.

Seit Längerem hatten Deniz und ich keinen Kontakt mehr; doch seit Mitte Februar kommen durch Nachrichten über seine Verhaftung wegen »Terrorpropaganda« und darauf folgende Autokorsi, Gespräche mit Freund*innen oder eben die Leuchtanzeige die Erinnerungen an 2003/2004 wieder auf, als wir fast wöchentlich miteinander zu tun hatten.  weiterlesen