Fahne, Tamburin und Ester-Taschen – Purim einmal anders

In unserer Dauerausstellung gibt es einen Ort, der immer wieder neu zu aktuellen Themen bespielt wird: drei prominent platzierte, dickbauchige Vitrinen, die wir im Jargon des Museums auch »Raviolis« nennen.

Die »Raviolis«-Vitrinen in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin, bestückt zu Purim

Die »Ravioli«-Vitrinen mit neuen Objekten zu Purim © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Christiane Bauer

Zu Purim wurden diese Vitrinen im Segment »Tradition und Wandel« nun mit neuen Exponaten gefüllt. Die Neubestückung wirft einen feministischen Blick auf das Fest und richtet das Augenmerk auf die neuesten Entwicklungen, die maßgeblich von jüdischen Frauen in den USA geprägt werden.

Im Fokus der Präsentation stehen die beiden weiblichen Personen der Purim-Geschichte, die während des Gottesdienstes in der Synagoge vorgelesen wird: Ester und Waschti. Letztere fand lange Zeit wenig Beachtung. Sie war die erste Frau des persischen Königs Achaschwerosch, die wegen ihres Ungehorsams von ihm verstoßen wurde. Daraufhin nahm er die schöne Jüdin Ester zur Frau, die schüchtern und still – so ganz anders als die aufmüpfige Waschti – war. Doch im Laufe der Zeit trat Ester aus ihrer Zurückhaltung, fasste immer mehr Mut und verwandelte sich in die Heldin, die den Mordkomplott an den persischen Juden vereiteln konnte.

Die Geschichte der zwei ungleichen Frauen, die sich gegen die männliche Autorität erheben, lässt Purim für Feministinnen in einem besonderen Licht erscheinen. Sie kreierten neue Rituale für das Fest, bei denen nicht nur Ester gedacht, sondern auch Waschti als Vorbild gefeiert wird.

Tamburin zu Purim

Objektaustausch mit Tamburin, USA 2008, Holz, Kunststoff, Metall © Betsy Platkin Teutsch, Foto: Christiane Bauer

Die Künstlerin Susan Fischer Weis etwa fertigte für einen eigens ausgeschriebenen Wettbewerb eine Ester-Waschti-Fahne. Diese soll bei der Verlesung der Purim-Geschichte in der Synagoge geschwenkt werden, sobald der Name einer der beiden Frauen erwähnt wird.
Auch das ausgestellte Tamburin erklingt zu Ehren von Ester und Waschti. Das Objekt zeigt zudem, in welcher Tradition sich die Herstellerin Betsy Platkin Teutsch sieht: Sie verbindet die Heldin der Purim-Geschichte mit der Ikone der amerikanischen Frauenbewegung – Rosie the Riveter. Rosie, die Fabrikarbeiterin, ist Symbol für die (berufliche) Schaffenskraft und Ebenbürtigkeit von Frauen.

Beide Geräusche – das sanfte Fahnenrauschen und das schillernde Tamburinschellen – sollen in einer ansprechenden Art und Weise an Ester und Waschti erinnern und sie ehren. Sie stehen im Gegensatz zur gängigen Purim-Ratsche, deren Lärm während des Gottesdienstes die Verlesung des Schurkennamens Haman übertönt und damit den Initiator des Mordkomplotts ächten und aus der Erinnerung löschen will.

Auch in Deutschland haben neue Rituale, die weibliche Perspektiven einbeziehen, Eingang in den Gottesdienst gefunden – wegweisend aber bleiben die Vorstöße amerikanisch-jüdischer Frauengruppen. Unsere »Raviolis« zeigen, wie sie Purim in ein Fest der Freude über die Heldentaten von Frauen verwandelten. Passend zu Purim könnten wir sie eigentlich in Hamantaschen – das traditionelle Purim-Gebäck – umbenennen oder besser noch in Ester-Taschen.

Christiane Bauer, Ausstellungen

Kommentiert von Sehstärke am 5. März 2013, 09:42 Uhr

Man sollte nicht vergessen das es bei so einem fest um Gott geht und nicht um Männer oder Frauen!

Kommentiert von Mirjam Wenzel am 6. März 2013, 17:32 Uhr

Da muss ich Ihnen widersprechen: In der Megillat Ester taucht Gottes Name nicht ein einziges Mal auf.

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