Veröffentlicht von am 1. Juni 2015 1 Kommentar

Auf dem Weg zu einer Online-Plattform für jüdische Geschichte und Kultur

Die mittelfristige Online-Strategie des Jüdischen Museums Berlin

Foto von der Workshopshoparbeit bei we are museums 2014

Während eines Workshops bei wearemuseums 2014 in Warschau CC-BY-SA wearmuseums

Zurzeit findet die Konferenz »we are museums« in den Räumen unserer Akademie statt – ich arbeite seit Tagen an meiner Keynote-Lecture und lasse die letzten beiden Jahre Revue passieren: Beinahe auf den Tag genau vor zwei Jahren setzten sich einige Kolleginnen und Kollegen des Museums das erste Mal zusammen, um über den derzeitigen Webauftritt und Eckpfeiler für dessen Erneuerung zu sprechen. Unsere Online-Aktivitäten waren beständig größer und vielschichtiger geworden, externe Gutachten und Fokusgruppen-Evaluationen aber zeigten, dass unsere Besucher sich zunehmend schlechter auf unserer Website zurechtfanden. Zeit also, einen Relaunch zu planen und in die Tat umzusetzen. Welchen Stellenwert aber hat eine Museumswebsite angesichts der zunehmenden Bedeutung von Portalen wie der Deutschen Digitalen Bibliothek, Europeana oder dem Berliner Museumsportal auf der einen und dem Universum von Wikimedia auf der anderen Seite? In welchem  Verhältnis sollten Social Media-Aktivitäten und die Vermittlung von Inhalten auf einer Museumswebsite stehen? Diese und andere Fragen verdeutlichten schnell: Es war an der Zeit, alle bisherigen und kommenden Projekte, Planungen und Gewohnheiten zu überdenken – und sich auf eine Online-Strategie zu einigen.

Illustration von einer Grundschullehrerin mit Schulklasse

Illustration zur Persona einer Grundschullehrerin (Lisa Schulz, 35 Jahre, mit Schulklasse), die in einem museumsinternen Workshop entwickelt wurde © Johannes Plagemann

Nach einer eingehenden SWOT (Akronym für Strength, Weaknesses, Opportunities, Threats)-Analyse der bestehenden Website machte ich mich auf die Suche nach geeigneten Werkzeugen und Publikationen, um diese Strategie zu entwickeln. Als hilfreich erwiesen sich dabei nicht nur einschlägige Blogs (wie etwa die Digital Media Section des V&A-Blog oder »Fresh and New(er)« von Seb Chan), sondern auch der jährliche Museum Horizon Report des New Media Consortiums und der Werkzeugkasten des Digital Engagement Framework von Jasper Visser und Jim Richardson. Ich beriet mich mit Harald Krämer (der mittlerweile Professor an der School of Creative Media der City University of Hong Kong ist) und nahm Kontakt zu einigen Kollegen an anderen Museen wie etwa John Stack (nun Digital Director at the Science Museums Computer Group) auf, deren Publikationen (in diesem Fall: http://www.thestacker.net/)  ich schon länger verfolgte. Last, but not least, sprach ich mit vielen Kolleginnen und Kollegen, um die Kapazitäten unseres Museums besser zu verstehen und eine Kalkulation über personelle Ressourcen und finanzielle Aufwendungen aufzustellen. Nach etwa drei Monaten entstand eine erste Skizze von den Eckpfeilern der künftigen Online-Strategie, die ich in den folgenden Monaten um eine Zeit- und Projektplanung ergänzte.

Eckpfeiler der Online-Strategie

Slide aus der Präsentation zur Online-Strategie CC-BY-SA Jüdisches Museum Berlin

 

Die Online-Strategie des Jüdischen Museums Berlin baut auf  einem Online Mission-Statement auf, das die allgemeinen Zielsetzungen des Museums auf die zukünftige Online-Plattform überträgt. Sie baut auf drei Eckpfeilern auf:

Ein Forum zur Stärkung der Partizipation
Um dies zu gewährleisten, haben wir die Social Media Think Unit an der TU Berlin gebeten, unsere bisherigen Social Media-Aktivitäten zu evaluieren. Auf Grundlage ihrer Empfehlungen gilt es nun, eine Social Media-Strategie zu entwickeln.  Im November 2013 unterzeichnete unser Museum die Berliner-Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen und einigte sich mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und drei weiteren namhaften Kultureinrichtungen auf eine begleitende Best Practice-Richtlinie. Um den hier formulierten Open Access-Gedanken zu stärken und die Nachnutzung unserer Inhalte zu ermöglichen, haben wir uns in den letzten Monaten intensiver mit dem Creative Commons-Lizenzmodell beschäftigt. Von zentraler Bedeutung ist dabei für  uns die Frage, was wir als offene Daten zur Verfügung stellen können und welcher Standardisierungen es bedarf, um dies zu tun.

Illustration eines Kulturredakteurs

Illustration zur Persona eines Kulturredakteurs (Max, 40 Jahre, auf dem Weg ins Büro), die in einem museumsinternen Workshop entwickelt wurde © Johannes Plagemann

Ein Knotenpunkt für Online-Recherchen
Ein Großteil an Informationen zur deutsch-jüdischen Geschichte und auch zu den Geschichten, die unser Museum in seinen Ausstellungen erzählt, war bislang nicht auf unserer Website zu finden. Das soll nun anders werden: Mit gezielten Related Content-Hinweisen werden wir auf der neuen Website Inhalte einbinden, die wir nicht selbst verfasst haben, und umgekehrt unsere Inhalte, insbesondere die digitalisierten und in Auswahl zugänglich gemachten Bestände unserer Sammlung, auf anderen Portalen wie etwa Wikimedia Commons und der Deutschen Digitalen Bibliothek ausspielen. Um die wissenschaftlichen Aktivitäten am Museum weithin sichtbar zu machen, haben wir zudem verschiedene Open Access-Publikationsformate eingeführt: eine wissenschaftliche Reihe, Online-Publikationen und audiovisuelle Mitschnitte von herausragenden Vorträgen. Diese werden weiter ausgebaut.

Ein Kompetenzzentrum zur Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur
Der Schwerpunkt unserer bisherigen Online-Aktivitäten bestand darin, unsere Ausstellungen mit eigens entwickelten Projekten (Ausstellungstrailern, Sonderwebsites, Blogserien, Webcomics etc.) zu begleiten und Online-Ausstellungen mit unseren Sammlungsbeständen zu inszenieren. Dies wollen wir fortführen und um Service-orientierte Angebote, wie etwa FAQs und eine transparente Darstellung der Kompetenzen im Kollegium ergänzen.

 

Die bisherigen Schritte zur Implementierung der Online-Strategie

 Foto von einem Workshop im Museum

Foto eines internen Workshops mit Museumskolleginnen und -kollegen CC-BY-SA Jüdisches Museum Berlin, Foto: Mirjam Wenzel

Im Sommer 2013 verabschiedete unsere Direktion die mittelfristige Online-Strategie, die auf diesen Eckpfeilern basiert. Was seitdem folgte, waren diverse Workshops mit den Kolleginnen und Kollegen aller inhaltlichen und kommunikativen Bereiche, in denen wir:

  • uns über Wünsche und Ideen für die zukünftige Website verständigten,
  • unsere Social Media-Strategie diskutierten,
  • Personas entwarfen, um eine möglichst konkrete und – über alle Abteilungen hinweg – verbindliche Vorstellung zu entwickeln, an wen sich unsere Online-Angebote richten, um eine besucherorientierte Informationsarchitektur entwickeln zu können,
  • bei Susanna Jans ein Kameratraining absolvierten,
  • mit Barbara Fischer (Kuratorin für Kulturpartnerschaften von Wikimedia) und Ellen Euler (stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Digitalen Bibliothek) über Creative Commons diskuierten.

 

Darüber hinaus haben wir in jüngerer Zeit:

Illlustration von dem Ehepaar Koden und Levin vor dem Museumsbesuch

Illustration zur Persona einer Besuchergruppe (Ehepaar Koden und Levin aus Haifa, ca. 60 Jahre, auf dem Weg ins Museum), die in einem museumsinternen Workshop entwickelt wurde © Johannes Plagemann

 

Last but not least arbeiten wir nun seit mittlerweile fünf Monaten mit den Agenturen 3pc  und reinblau an dem größten und zentralen Projekt der neuen Online-Strategie: dem Relaunch unserer Website. Dabei galt und gilt es, sich immer neuen Herausforderungen zu stellen, wie etwa:

  • ein agiles Projektmanagement mit der Realität des öffentlichen Dienstes zu vereinbaren
  • eine modulare Informationsarchitektur für unsere Websiteinhalte zu entwickeln
  • sich über Design Directions jenseits von Geschmacksfragen zu verständigen
  • ein neues Content Management System (Drupal) aufzusetzen und sich in den Umgang mit diesem einzuarbeiten.

 

Die Ergebnisse dieses langen, anhaltenden Prozesses werden – und das ist das Schöne an einer Online-Strategie – alle in den kommenden Monaten und Jahren sichtbar sein. Sie dürfen also gespannt sein.

Diesen Beitrag schrieb @MirjamWenzel, Medien, in Vorfreude auf @wearemuseums

Kommentiert von Mirjam Wenzel am 2. Juni 2015, 03:45 Uhr

P.S. Meine Präsentation über den digitalen Wandel am Jüdischen Museum Berlin für „wearemuseums“ ist nun ebenfalls einsehbar – und zwar hier: http://bit.ly/1FZzcWC

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