1946 von deutschen Polizisten erschossen

Das tragische Schicksal von Shmuel Dancyger sel. A.

Schwarz-Weiß-Fotografie von Menschen an einem Grab mit Blumen

Die Familie am Grab von Shmuel Dancyger; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Morris Dancyger

Während eines Aufenthalts in meiner kanadischen Heimatstadt Calgary (Alberta) im Sommer 2014 hatte ich Gelegenheit, Morris und Ann Dancyger zu treffen. Beide haben als Kinder den Holocaust überlebt. Morris Dancyger gehörte zu den wenigen Minderjährigen, die am 27. Januar 1945 in Auschwitz von der sowjetischen Armee befreit wurden. In den ikonisch gewordenen Filmaufnahmen, in denen Jungen und Mädchen ihre tätowierten Arme zeigen, steht der damals vierjährige Morris im Zentrum. Ann Dancyger überlebte 1942 zusammen mit ihrer Mutter auf wundersame Weise eine Erschießungsaktion in der Nähe der Stadt Ratno in der heutigen Ukraine, in der sie geboren wurde und anschließend beinahe drei Jahre im Versteck zubrachte. Als der Krieg zu Ende war, machte sie sich auf den Weg Richtung Deutschland. Von dort gelangte sie zwei Jahre später schließlich nach Calgary, wo Verwandte von ihr wohnten. Als ich dort aufwuchs, kannte ich die Dancygers nicht, und obwohl ich viel später etwas über das traurige Schicksal von Morris Dancygers Vater Shmuel gelesen hatte, war mir nicht bewusst, dass seine Witwe und Kinder in Calgary wohnten.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 24. März 2016 2 Kommentare

»… den Mantel der Anonymität zu lüften«

Ein verfrühter Aprilscherz aus dem Jahr 1931

Briefumschlag aus dem Jahr 1931 mit der Aufschrift "Fun correspondence (re marriage) between Hilde, aged 18, & Großmutter Stahl"

Briefumschlag vom 13. März 1931; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Margaret Littmann und Susan Wolkowicz, den Töchtern von Hilde Gabriel, geb. Salomonis

Die richtige Einordnung eines Dokuments in seinen historischen Kontext kann manchmal von einer klitzekleinen Zusatzinformation abhängen. Das wurde mir erst neulich wieder beim Inventarisieren einer kürzlich gestifteten Familiensammlung bewusst: Die Sammlung der Familien Gabriel/Salomonis mit mehr als 3.000 Dokumenten, Fotografien und Objekten enthält unter anderem eine umfangreiche Korrespondenz mit Hunderten von Briefen, Postkarten und Telegrammen. Beim Sortieren stieß ich auf einen kleinen Briefwechsel aus dem März 1931, bestehend aus vier Briefen: Zwei sind handschriftlich geschrieben und wurden von der damals 72-jährigen Berlinerin Ernestine Stahl (1858–1933) verfasst, die – gut leserlich – mit ihrem Namen unterschrieb. Der Verfasser der beiden anderen, maschinengetippten Briefe war mir hingegen zunächst unklar, nicht zuletzt weil seine Unterschrift fehlte. Ernestine Stahl spricht ihn in ihren Antwortschreiben als »mein Herr« und »sehr geehrter Herr« an.

Lösen konnte ich dieses kleine Rätsel erst mit Hilfe eines Briefumschlags, der an anderer Stelle des Konvoluts auftauchte und sich dem Briefwechsel zuordnen lässt.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 18. März 2016 0 Kommentare

Boris Lurie & ich

Ein Gastbeitrag von Rudij Bergmann

Im Begleitprogramm unserer aktuellen Ausstellung »Keine Kompromisse! Die Kunst des Boris Lurie« hat am 21. März 2016 ein Film von Rudij Bergmann Premiere (weitere Informationen in unserem Veranstaltungskalender). In diesem Gastbeitrag erzählt uns der Filmemacher, wie es zu der sehr persönlichen Dokumentation über Boris Lurie kam.

Schwarz-Weiß-Fotografie Rudij Bergmanns beim Fotografieren mit dem Handy

Rudij Bergmann im Depot der Boris Lurie Art Foundation in New York
Foto: Benjamin Donath

Als ich den Künstler im Zwielicht eines Hausflurs in der 66th Street, East, in New York erstmals sah, da war sie greifbar nahe, seine Sehnsucht nach Europa. Und als wir die Atelier-Wohnung betraten – diese atemberaubende Collage der Erinnerung – da war mir klar: Boris Lurie hatte die Konzentrationslager, die er gemeinsam mit seinem Vater überlebte, mental niemals ganz verlassen.

Das war im Oktober 1996. Ein Film für mein, von mir in allen Belangen selbst zu verantwortendes TV-Kunstmagazin BERGMANNsART war der Grund, zu Lurie nach New York zu eilen. (Der Film ist mit Altersbeschränkung auf YouTube zu sehen.)

Es war der Beginn einer langen Freundschaft.  weiterlesen