Veröffentlicht von am 6. Januar 2017 1 Kommentar

Einen Golem to go, bitte!

 Vier Fantasie-Skulpturen aus Recyclingmaterial

Die Kinder in unserer Golem-Werkstatt bauten ganz unterschiedliche Golems; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Svenja Kutscher.

Auf dem Boden liegen hebräische Zeitungen und bunte Stoffreste. Auf den Tischen stapeln sich Drähte, Ketten, alte Elektrogeräte, Kochtöpfe, gebrauchte Brillenetuis, Knöpfe und viele weitere Haushaltsmaterialien. All die Dinge, die sonst keine Verwendung mehr finden, bekommen in der Golem-Werkstatt eine völlig neue Bedeutung.

Neben den Alltagsgegenständen findet sich auch eine Vielzahl an natürlichen Materialien, wie Kastanien, Stroh, getrocknete Blätter und Tannenzapfen, deren Duft mich an einen Spaziergang im Wald erinnern.

Kind hält gebastelte Fantasiefigur aus einer Tastatur mit Schwanzflosse und Papiergesicht vor sich

Computergolem; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Aylin Uysal

Inspiriert von einem Besuch unserer aktuellen Ausstellung GOLEM (mehr dazu auf unserer Website), haben unsere kleinen Besucher*innen ab fünf Jahren nun eine Stunde lang die Möglichkeit, ihre Ideen und Wünsche in »Form zu bringen« und ihren ganz eigenen Golem zu gestalten.

Ich freue mich über so viele gespannte Gesichter und über das Interesse der Kinder an dem, was jetzt passiert. »Schaut euch die Materialien an, nehmt sie in die Hand und experimentiert mit ihnen! Ihr könnt selbst entscheiden, wie euer Golem aussieht und was er kann«, erklärt die Workshopleiterin.

Gebastelte Fantasiefigur aus Korken, Drähten, alten Elektroteilen

Korkenzieher-Golem; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Katharina Erbe

Daraufhin tasten sich viele kleine Hände an die Fülle von Dingen heran und beginnen mit dem Bau ihres Golems. Einige Kinder stürzen sich sofort auf die Materialien. Andere sind zunächst unschlüssig und wählen nach intensiver Bedenkzeit ihre Lieblingsobjekte aus. Kurz überlege ich mir, was mein Golem wohl können sollte? Sollte er fliegen können? Gedanken lesen? Zaubern können? Oder alles zusammen?

Im Mittelpunkt steht die Lust auf das freie Experimentieren und die Freude am Schaffen. »Denn der Schöpfungsprozess ist wichtiger als das künstlerische Endprodukt«, sagt die israelische Künstlerin Anat Manor (http://anat-manor.net). Sie konzipierte den Workshop »Golem to go! Eine Legende aus Müll«, da sie selbst daran interessiert ist, mit Alltagsgegenständen zu experimentieren und sich so wieder mehr der realen Welt und ihren Sinnen zuzuwenden.

Gebastelte Fantasiefigur aus Kabeln, Korken, weißen Blättern und anderen Materialien, gehalten von einer Kinderhand

Quadratisch-praktischer Golem mit Strohmund; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Katharina Erbe

Die Grundlage hierfür bietet das pädagogische Konzept der jüdisch-israelischen Pädagogin Malka Haas (geb. 1920 in Berlin). In der Filmdokumentation aus dem Kibbuz Sde Eliyahu Das Leben ist eine Ganzheit (2011) beschreibt Manor den holistischen Ansatz von Haas, der auf tatsächlichem Tun und Experimentieren basiert.

Diesem kreativen Prozess des Schaffens wird im Golem-Lab viel Raum gegeben. Nach fleißigem Basteln, Kleben und Bauen, ist die Schaffensphase beendet und so tummeln sich viele außergewöhnliche Kreaturen nebeneinander, die mit all ihren Besonderheiten reihum vorgestellt werden:

Gebastelte Fantasiefigur aus Plastik, Styropor, Stroh und anderen Recyclingmaterialien, dahinter ein Kind im Schneidersitz

Golem »Fusel« kann Sachen in Gold verwandeln; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Svenja Kutscher.

»Mein Golem heißt Blume und ist ein Arbeitsgolem. Das einzige, was er nicht kann, ist sprechen«, sagt der stolze Besitzer. Auch der Computergolem mit Fernsteuerung à la 21. Jahrhundert, der fliegende Golem namens Techno oder der Happy-Golem, der immer glücklich ist, gerne in Sachen Mode berät, aber Schwierigkeiten beim Laufen hat, sind Teil der illustren Gruppe. »Meins ist ein Es, es heißt Fusel, weil es verstrubbelt ist und es kann Sachen in Gold verwandeln. Es kann aber nicht springen«, erklärt Fusels Erschafferin.

Gebastelte Fantasiefigur aus Kabeln, Plastikflaschen und anderen Materialien; im Hintergrund eine Kinderhand

Zu diesem Golem gibt es eine Fernbedienung; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Katharina Erbe.

Nicht nur die Kinderaugen strahlen, sondern auch meine Augen sind im Laufe des Workshops immer größer geworden. Ich freue mich über die Fantasie, der ich begegnen durfte, über das freie Denken, das Kindern oft viel leichter fällt als Erwachsenen, und über die Liebe zum Detail, mit der die Golems von ihren Erschaffer*innen gebaut wurden.
Da fällt mir ein, was ich mir wünsche: einen Kreativgolem, bitte!

Nach den Erfahrungen in der Golem-Werkstatt sieht Aylin Uysal täglich jede Menge Dinge auf der Straße, aus denen sich tolle Golems bauen ließen

Bei Interesse an der Golem-Werkstatt für Schulklassen und Hortgruppen gibt es hier weitere Informationen:  https://www.jmberlin.de/die-golem-werkstatt

 

Veröffentlicht unter GOLEM, Im Jüdischen Museum Berlin, Kunst
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Kommentiert von Lars Friedrich am 10. Januar 2017, 17:38 Uhr

Eine tolle Aktion; so macht Museumsarbeit mit Kindern viel Freunde! Schöne Grüße aus dem Museum im Bügeleisenhaus in Hattingen/Ruhr

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