Das erste Selbst­porträt als Familie während des Pessach­festes

Hannas erster Seder während Covid-19, Ein­sendung zum Sammlungs­aufruf „Pessach in Zeiten von Corona“, 2020

Ein Mann, ein Kind und eine Frau sitzen vor einem Laptop

Hannas erster Seder während Covid-19; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jasmine Bakalarz

Der erste jüdische Feier­tag, der in die Covid-19-Pandemie fiel, war Pessach 5780 (2020). Was verändert sich, wenn nicht die ganze Familie am ersten Seder-Abend zusammen­kommen kann? Um diese Frage in ihren unterschiedlichen Facetten zu beleuchten und die Antworten für die Zukunft zu bewahren, rief das Jüdische Museum Berlin dazu auf, Foto­grafien, Filme und weiteres Material zu Pessach in Zeiten von Corona einzusenden. Ein Foto schickte uns Jasmine Bakalarz für unsere Corona-Sammlung zu. Die in Buenos Aires geborene und in Toronto aufgewachsene Fotografin lebt mit ihrem Mann Daniel und ihrer Tochter Hanna Cora in Berlin. Für die damals Ein­jährige war es der erste Seder-Abend.

Was hat Sie dazu bewogen, ein Foto ein­zu­reichen?

Ich fand es spannend, dass ein Museum einen Sammlungs­aufruf zu einem aktuellen Thema gestartet hat, bei dem jeder seine ganz persönliche Geschichte einbringen konnte. Da ich mich sehr für Foto­archive interessiere, habe ich sofort darüber nach­gedacht, wie diese neuen Bilder (und die darin enthaltenen Artefakte) zu der umfang­reichen bestehenden Sammlung des Museums in Beziehung treten könnten. Darüber hinaus ist es in meinen Augen bemerkenswert, dass die meisten Objekte einer Sammlung nicht für diesen Zweck geschaffen wurden (es sei denn, sie wurden dafür in Auftrag gegeben); sie hatten zuvor ein Eigen­leben und gelangten dann durch außer­gewöhnliche Umstände in die Obhut des Museums. In diesem Fall entstanden die Bilder eigens für die „Pessach in Zeiten von Corona“-Sammlung. Da meine künstlerische Praxis in der Über­zeugung wurzelt, dass die Erzählung unserer Geschichte sowie unsere Erinnerung ein kollektiver Prozess sein sollte, der von der Gemeinschaft getragen wird, hat mich die Möglichkeit, zum Aufbau einer anderen Art von Sammlung beizutragen, sehr gereizt.

Wer ist auf dem Foto zu sehen? Von wem wurde es aufgenommen, und wo?

Diese Aufnahme haben wir zu dritt (Daniel, Jasmine und Hanna Cora) bei uns zu Hause in Berlin gemacht. Es war unser erstes Selbst­porträt als Familie anlässlich des ersten Pessach­festes, das unsere Tochter erlebt hat. Es zeigt uns, während wir per Video Call mit unserer Familie sprechen die über die ganze Welt verstreut lebt. Ich verwende für meine foto­grafischen Arbeiten immer eine Analog­kamera, aber da dies ein eher spielerisches Experiment war, habe ich eine digitale Kamera genommen, die besser dafür geeignet ist, mit dem spärlichen Licht und den plötzlichen Bewegungen des Babys besser umgehen kann.

Wie haben Sie Pessach im Jahr 2020 erlebt? Was war 2021 anders?

Wir haben 2020 mit unseren Verwandten auf der ganzen Welt per Video Call gefeiert. 2021 fanden die gleichen Anrufe statt und wir haben das gleiche Familien-Selbst­porträt auf­genommen. Am zweiten Abend des Pessach­festes haben uns zwei gute Freunde besucht – unser erstes geselliges Beisammen­sein in geschlossenen Räumen seit mehr als einem Jahr! Und es hat Spaß gemacht, Hanna Cora mittels Büchern, die meine Schwester aus Toronto geschickt hatte – darunter eine wunderbare Haggada für Kinder –, das Pessach­fest nahezubringen.

Ist es für Sie eine neue Erfahrung, vor einem Bild­schirm zu feiern?

Wir leben schon unser ganzes Leben weit weg von unseren Verwandten, typisch für die Diaspora. Ich weiß noch, wie es war, als das Dreier­gespräch die neueste technische Errungen­schaft war und wir uns am Telefon darüber stritten, wann wir den Seder abhalten sollten, weil die Kontinente in unter­schiedlichen Zeitzonen liegen. „Dajenu“ war das einzige Lied, das mit dem ungewollten Echo einen Kanon ergab. Die Möglichkeit, unsere Verwandten auf dem Bild­schirm zu sehen, insbesondere da unsere Tochter zwischen den Chagim so schnell gewachsen ist, macht die Ent­fernung und die Sehn­sucht wirklich etwas leichter zu ertragen.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie Ihr Leben verändert?

Zu Anfang ist das Leben mit einem kleinen Baby fast wie eine Quarantäne, sodass unser Tages­ablauf nicht so stark beein­trächtigt war wie bei anderen. Aber im weiteren Verlauf des Lock­downs mussten wir uns, genau wie viele andere Eltern, mit der Schließung der Kinder­tagesstätte arrangieren, obwohl wir ganztags arbeiteten. Was die jüdischen Aspekte unseres Lebens angeht, so konnten wir während der Pandemie weder reisen, um die Chagim mit unseren Familien zu verbringen, noch in die Synagoge gehen oder Gemeinde­veran­staltungen hier in Berlin besuchen.

Das Interview führte Tamar Lewinsky, Oktober 2021

Zitierempfehlung:

Tamar Lewinsky (2021), Das erste Selbst­porträt als Familie während des Pessach­festes. Hannas erster Seder während Covid-19, Ein­sendung zum Sammlungs­aufruf „Pessach in Zeiten von Corona“, 2020.
URL: www.jmberlin.de/node/8263

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