Veröffentlicht von am 26. April 2017 0 Kommentare

Israelis in Deutschland – Ideologische Debatten und Identitäten im Wandel

Drei Fragen an die Anthropologinnen Dr. Dani Kranz und Katja Harbi

Ein Mann mit Mütze und warmer Jacke vor einer Wand mit dem Grafitti eines Frauengesichts

Foto: Katja Harbi

Die Akademieprogramme stellen regelmäßig neue wissenschaftliche Studien vor, die aktuelle Fragen im Bereich der Migration und Diversität beleuchten. Am 4. Mai präsentieren die Anthropologinnen Dr. Dani Kranz und Katja Harbi in einem Vortrag und einer Fotoschau bei uns im Museum die Ergebnisse ihrer Studie Israelische Migration nach Deutschland seit 1990, die sie an der Bergischen Universität Wuppertal durchgeführt haben. Darin geht es um Identitäten der Einwander*innen, die Bedeutung der Schoa für ihre Existenz in Deutschland sowie politische und ideologische Debatten, die in Israel und Deutschland um diese Migrant*innen kursieren. Wir haben Dr. Dani Kranz und Katja Harbi vorab drei Fragen gestellt:

Liebe Dani Kranz,
die Forschung zu Israelis in Deutschland konzentriert sich in der Regel ausschließlich auf Berlin – die Stadt mit den meisten israelischen Einwander*innen. Sie haben für Ihre Studie viele Interviews mit israelischen Jüdinnen*Juden geführt, die heute in unterschiedlichen Städten Deutschlands leben. Unterscheiden sich Israelis in Berlin von den Israelis etwa in Köln oder München?

Israelis spiegeln die Gesamtbevölkerung der Städte, in denen sie leben, wider. Berlin ist eine sehr junge Stadt, auch die Israelis hier sind meist jung. Viele von ihnen sind Singles und wollen sich selbst entdecken. Israelis, die in andere Großstädte ziehen, kommen oft mit einem festen Ziel nach Deutschland, sei es ein spezifisches Studium oder ein konkreter Job. Die Israelis wiederum, die in der »Provinz« leben, wandern entweder aus beruflichen oder Life-Style-Gründen, aber auch aus Liebe ein.

In den Medien kursieren zurzeit mehrere Informationen darüber, wie viele Israelis aktuell in Deutschland leben. Ihre Zahl wird mal auf 17.000, mal auf 30.000 geschätzt. Basieren solche unterschiedlichen Schätzungen auf unkonkreten statistischen Angaben oder steckt eventuell mehr dahinter?

Die diversen und meist viel zu hohen statistischen Schätzungen von Israelis in Deutschland muss man vor der Trias der deutsch/jüdisch/​israelischen Geschichte in Deutschland ebenso wie vor dem Hintergrund des zionistischen Ethos Israels verstehen. Aus deutscher Sicht sind Israelis besonders spannende Migranten, da sie eben auch noch Juden sind und ihre Einwanderung als Komplettierung des Aussöhnungsprozesses mit dem jüdischen Volk interpretiert wird. Aus israelischer Sicht hingegen wird jeder Jude, der auswandert, als ein Verlust erlebt. Somit hat die Migration eine – entgegengesetzte – ideologische Bedeutung in beiden Ländern.

Liebe Katja Harbi,
im Rahmen der Studie zu israelischen Jüdinnen*Juden im gegenwärtigen Deutschland sind sowohl eine Fotoserie deutsch-jüdischer Paare als auch weitere Fotografien entstanden. Wie kamen Sie auf die Idee, an dieses Feld mit Methoden der Visuellen Anthropologie heranzugehen?

Die Visuelle Anthropologie, hier zum großen Teil die Fotografie, ermöglicht neue Zugänge zu einem komplexen, aber oft mit Plattitüden belegten Forschungsfeld wie diesem. Als immer wieder begehbares Medium erlaubt die Fotografie, uns zu orientieren und später mit einem geschulteren Auge soziale Zusammenhänge und Entwicklungen zu erkennen, die in der initialen Phase noch nicht offensichtlich waren. Ein Vorteil, den selbst die dichte Beschreibung – also die genaue Interpretation verschiedener Situationen und Räume – oft nicht leisten kann. Auch in Interviews, bei denen es um Identitätsbildung geht, sind Fotos ein ergiebiges Medium, da durch eben diese oft Gedankengänge, Werte und Emotionen zu Tage treten, die in einem rein verbalen Interview unausgesprochen geblieben wären.

Die Fragen stellte Dr. Alina Gromova, Akademieprogramme, die auch gerne zum gegenwärtigen jüdischen Leben in Deutschland arbeitet.

Weitere Informationen zur Veranstaltung unter: www.jmberlin.de/vortrag-israelis-in-deutschland

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