»Ich seh’ ein Land, hell und klar,
und die Zeit ist schon nah
dann werden wir dort leben, du und ich …«

Bald ist Pessach – das Fest von Exodus und Freiheit. Wobei dieses Jahr seltener als sonst vom Festmahl mit der ganzen Gemeinde die Rede ist. Keiner sagt es laut, aber jedem ist klar, dass man besser in kleinerer Gruppe zu Hause feiert. Wir meiden die Gemeindehäuser aus Furcht. Bloß nicht auffallen. Auf der Straße nicht Hebräisch sprechen. Manche entfernen die Mesusa aus ihrem Türrahmen, weil sie ein Haus oder eine Wohnung als jüdisch kenntlich macht. Die vorherrschende Stimmung ist angespannte Vorsicht.

Wie ist es so weit gekommen?

Plakat an einer Litfaß-Säule: Imam Ferid Heider und Rabbiner Daniel Alter werben gemeinsam für die »Cycling Unites«-Critical-Mass-Tour am 22. März 2015 in Berlin

Imam Ferid Heider und Rabbiner Daniel Alter werben gemeinsam für die »Cycling Unites«-Critical-Mass-Tour am 22. März 2015 in Berlin, Foto: Michal Friedlander

Juni 2014
Berlin, Friedrichstraße. Ein Betrunkener rollt langsam über den Bahnsteig, bis er auf die U-Bahngleise stürzt. Etwa 60 Leute stehen dabei und schauen weg, in der Hoffnung, dass jemand anders sich des unappetitlichen Problems annimmt. Und tatsächlich, ein Italiener und ein Israeli springen ins Gleisbett und holen den so gut wie bewusstlosen Mann wieder heraus. Die Menge schiebt sich an ihnen vorbei und drängt zum ankommenden Zug.

Juli 2014
Gespräche bei einer Dinnerparty. Meine Tischnachbarn werden politisch, aber ich habe keine Lust, über Israel zu reden. Der junge Mann neben mir fragt mich, ob ich die jüngste Pro-Palästinenser-Demo auf dem Kurfürstendamm gesehen hätte. Mit gedämpfter Stimme fährt er fort:  weiterlesen


Veröffentlicht von am 20. März 2015 2 Kommentare

Saskia Boddeke: »Ihr Schmerz wird unser aller Schmerz sein«

Ab dem 22. Mai 2015 zeigt das Jüdische Museum Berlin die Ausstellung »Gehorsam« des Filmregisseurs Peter Greenaway und der Multimedia-Künstlerin Saskia Boddeke. »Gehorsam« basiert auf der biblischen Geschichte vom Urvater Abraham, der dem göttlichen Befehl folgt und sich aufmacht, um seinen Sohn zu opfern. Die beiden Künstler inszenieren diese Geschichte mit Filmprojektionen, kostbaren Objekten, Soundeffekten und raumgreifenden Installationen als eindringliches Schaustück in fünfzehn Räumen. Für Saskia Boddeke bildet die Filminstallation »I’m Isaac / I’m Ishmael« zu Beginn der Ausstellung zugleich das »Herzstück« des gesamten Projekts: Kinder und junge Erwachsene aus aller Welt sind eingeladen, Teil dieser Installation zu werden:

Um unsere Leserinnen und Leser diese Einladung ans Herz zu legen, habe ich mich mit Saskia Boddeke über die Idee der Installation und ihre künstlerische Vision unterhalten.

Mirjam Wenzel: Die biblische Geschichte im 1. Buch Mose, Kapitel 22  beginnt mit der Stimme Gottes, die Abraham anweist, nach Moriah zu gehen und seinen Sohn zu opfern. Aber die Geschichte, die Sie mit der Installation »Gehorsam« erzählen, rückt die Perspektive von Isaak und Ismael an den Anfang. Warum?  weiterlesen


»Ich glaub‘ nie mehr an eine Frau« – der Ton zum Film

Es gibt Filme, die in Archiven schlummern und auf ihre Entdeckung warten. Es gibt aber auch Filme, die es nicht mehr gibt, und die dann wieder auftauchen: als Filmton.

Verpackungen von Schallplatten

Fundsituation der Schelllackplatten © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Regina Wellen

Anlässlich des Umzugs unserer Bestände in ein anderes Depot sichtete unsere Kollegin Regina Wellen aus der Restaurierungsabteilung unsere Sammlung an Schellackplatten, um ein neues Lagerungskonzept zu erstellen. Dabei stieß sie auf elf noch nicht inventarisierte Platten, die viel größer als die anderen waren und deren Label auf eine andere Verwendung als das häusliche Grammophon schließen ließ. Zu unserem Glück konnte Regina sie schnell als Filmgeleitplatten identifizieren, die während den Filmvorführungen in den Kinosälen mit Hilfe des eingezeichneten Startsignals einen synchronen Ton zum Bild liefern sollten. Die von eins bis zwanzig durchnummerierten Kästchen auf dem Label konnten nach jeder Filmvorführung angekreuzt werden, um abgenutzte Platten rechtzeitig auszutauschen. Nachdem Regina diese Platten trocken gereinigt und eine Verpackung angefertigt hatte, nahm sie  weiterlesen