Brot und Golems

Sechs Golem-Tonfiguren in einem Ladenregal

Souvenirshop in Prag, 2016; Foto: Katharina Schmidt-Narischkin

In den Prager Souvenirläden sind sie allgegenwärtig: die klobigen, mechanisch-massigen Golem-Figuren, die ihre Popularität dem Film Der Kaiser und sein Bäcker von 1951 verdanken. Der tschechische Komödien-Klassiker heißt im Original Císařův pekař – Pekařův císař und wurde von Martin Frič and Jiří Krejčík als Verwechslungskomödie mit politischer Botschaft konzipiert. Ein cholerischer Kaiser Rudolf II. und sein korrupter Hofstaat suchen mal nach dem Elixier ewiger Jugend, mal nach einem Rezept, um aus Blei Gold zu machen – vor allem aber wollen sie den legendären Golem finden. Denn dieses Sammlungsstück fehlt in der kaiserlichen Wunder- und Kuriositätenkammer noch. Auf der Suche nach dem Golem kommt es zu einem fulminanten Rollentausch zwischen Rudolf und seinem kaiserlichen Bäcker Matej. Ein Seitenwechsel, von dem beide auf ihre Weise profitieren: der Kaiser eher mit privaten Eskapaden, der Bäcker zum Wohl für alle. Der Film endet mit einem sozialistischen Schlussakkord. Die kaiserliche Bäckerei samt Kornkammern gehört ab sofort den Angestellten und auch die mächtige Golem-Maschine ist gezähmt: Der Golem wird zum dampfenden Backautomaten, durch dessen Kraft das Prager Volk mit Brot versorgt werden kann. Gleichheit und Gerechtigkeit sind endlich hergestellt.

Filmstill mit einer angeketteten Golem-Figur

Golem im Film Der Kaiser und sein Bäcker, Regie: Martin Frič und Jiří Krejčík, Tschechoslowakei, 1951
© National Film Archive, Prag

Die vier Meter hohe Film-Requisite hingegen wird Jahrzehnte später zum Ausgangspunkt für einen Rechtstreit. Die Tochter des Bildhauers Jaroslav Horejc, der den Golem für den Film entwarf, forderte Autorenrechte ein. In den Straßen von Prag, im Wachsfigurenkabinett oder auf Firmenschildern, überall begegnet man der ikonischen Figur. 2010 sprach ihr ein Prager Gericht in der Rechtsnachfolge des Vaters das Urheberrecht an dem Golem des Films zu. In Horejcs Skulptur zeigte er sich erstmals als Gestalt ohne menschliche Züge, deren roboterhaftes Aussehen die Bezüge zur modernen Lebenswirklichkeit betonte. Horejcs Golem wurde zur visuellen Inspirationsquelle. Ähnlich wie Paul Wegeners Golem mit der unverkennbaren Frisur, der in der Simpsons-Folge You Gotta Know When to Golem wiederauftaucht, oder die geisterhafte Gestalt aus Hugo Steiner-Prags Lithografien (mehr dazu in unseren Sammlungen online), der Lord Voldemort in den Harry-Potter-Verfilmungen verblüffend ähnlich sieht, begründete Horejcs Dampf-Maschine aus Der Kaiser und sein Bäcker einen eigenen Golem-Typus.

Wir zeigen den Film am 5. Dezember um 19 Uhr im Begleitprogramm zu unserer Golem-Ausstellung (weitere Informationen zur Ausstellung und zur Veranstaltung auf unserer Website).

Martina Lüdicke träumt manchmal von einem Golem, der frische Croissants backen kann.

Veröffentlicht unter Film, GOLEM, Im Jüdischen Museum Berlin
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