Veröffentlicht von am 22. August 2017 0 Kommentare

Selbstbewusste Schleierträgerinnen

Die italienische Autorin Elena Loewenthal erzählt von starken jüdischen Frauen in der Tora

Noch bis zum 27. August ist die aktuelle Ausstellung Cherchez la femme zu sehen, die sich aus weiblicher Perspektive mit religiösen Kleidungsvorschriften für Frauen auseinandersetzt (mehr zur Ausstellung auf unserer Website). Als ich vom Thema der Ausstellung erfuhr, fiel mir gleich der Roman Attese (2004) der italienischen Autorin Elena Loewenthal ein. (Der Buchtitel kann auf Deutsch sowohl »Erwartungen« als auch »Wartezeiten« bedeuten). Der Roman erzählt in vier großen Kapiteln die Geschichte verschiedener jüdischer Frauenfiguren. Eigentliche Hauptfigur des Romans ist jedoch ein geheimnisvoller Schleier, der die Protagonistinnen von biblischen Zeiten bis ins heutige Venedig hindurch begleitet.

Zwei weiße Schleierarten auf Modell-Köpfen in einer Ausstellung präsentiert

Schleier in der Ausstellung Cherchez la femme; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Mirjam Bitter

Der Schleier kann als Metapher für ein von Frauen bewahrtes und weitergegebenes jüdisches Gedächtnis gelesen werden, das Erinnern und Vergessen, Tradition und Erneuerung miteinander verbindet. Denn jede der Frauenfiguren im Roman legt den Schleier nicht nur aus kulturellen Gründen etwa für Trauerzeiten an, sondern gestaltet ihn auch selbst um, näht eigene Fäden ins Gewebe, oder pflegt zumindest einen sehr eigenwilligen Umgang mit dem geerbten Kleidungsstück.  weiterlesen

Veröffentlicht unter Cherchez la femme, Geschichte
Verschlagwortet mit , , , , , ,


Veröffentlicht von am 20. Juni 2016 0 Kommentare

Hannah Arendt – eine scharfdenkende Beobachterin ihrer Epoche neu gelesen

Titelblatt des Sonderhefts zu Hannah Arendt vom philosophie Magazin»Da ist irgendetwas passiert, mit dem wir alle nicht mehr fertig werden«, sagte Hannah Arendt über Auschwitz und die Folgen in einem legendären Fernsehinterview mit Günter Gaus. Ein zweiminütiger Ausschnitt aus diesem Interview bildet den Auftakt der Filminstallation zum Auschwitz-Prozess in unserer Dauerausstellung (vgl. den Blogtext zur Neueröffnung dieses Ausstellungskapitels im Sommer 2013). In einer Ausstellung mit Fotografien von Fred Stein (2013/2014) haben wir unter anderem seine berühmten Porträts der politischen Theoretikerin gezeigt, die wir auch hier im Blog vorstellten (ein weiteres finden Sie auf der Ausstellungswebsite).

Hannah Arendt beeinflusst auch zeitgenössische Künstler*innen: Alex Martinis Roe forderte in ihrem Werk für unseren Kunstautomaten mit dem Titel »Brief an die Deutsche Post«, dass die Briefmarke mit der Abbildung Hannah Arendts neu aufgelegt werde (vgl. unser Interview mit der Künstlerin hier im Blog). Im Dezember letzten Jahres fand bei uns im Museum zudem ein Symposium statt, das ausgehend von Hannah Arendt die aktuelle Bedeutung von Pluralität für Theorie und Praxis auslotete (vgl. die Vortragsthemen in unserem Veranstaltungskalender).

Nun hat das Philosophie Magazin der Ausnahmedenkerin unter dem Titel Hannah Arendt. Die Freiheit des Denkens ein Sonderheft gewidmet, das seit dem 16. Juni 2016 erhältlich ist.  weiterlesen

Veröffentlicht unter Geschichte, Literatur, Politik, Über den Tellerrand
Verschlagwortet mit , , ,


Veröffentlicht von am 23. Mai 2016 0 Kommentare

»Jegliche Kunst ist heutzutage unangemessen, die Inhumanität der Welt zu repräsentieren«

Ein Gespräch mit Peter Weibel über Boris Lurie als ultra-realistischen Neo-Avantgardisten und Pornografie als Metapher der kapitalistischen Gesellschaft

Bunte Collage mit gelbem Stern und den Worten »A Jew Is Dead«

Boris Lurie, »A Jew is dead«, 1964; Boris Lurie Art Foundation, New York, USA

Mirjam Bitter, Blogredaktion: Im Begleitprogramm zu unserer Boris Lurie-Retrospektive halten Sie am 30. Mai 2016 bei uns im Museum einen Vortrag zum Thema »Der Holocaust und das Problem der visuellen Repräsentation« (weitere Informationen in unserem Veranstaltungskalender). Ist damit die These verbunden, dass der Holocaust ein zentraler Aspekt in Boris Luries Werk ist?

Porträtfoto, lächelnd mit Hand am Kinn

Peter Weibel
© ONUK

Peter Weibel: Für die Neo-Avantgarden nach dem 2. Weltkrieg waren der Krieg und der Holocaust, Hiroshima und Nagasaki zentrale traumatische Erfahrungen. Nehmen Sie zum Beispiel das Bild »Hiroshima« (1961) von Yves Klein und das Environment »Zeige Deine Wunde« von Joseph Beuys (1974–1975). Viele Künstler antworteten auf die erlebte Inhumanität mit einer Infragestellung des Humanismus und sogar der Kultur: Warum haben Literatur, Malerei, Musik, Philosophie diese Barbarei des 20. Jahrhunderts nicht verhindern können?  weiterlesen