Veröffentlicht von am 30. Mai 2013 1 Kommentar

Gaggalagu

– Sprachverwirrungen im Reich der Tiere

In der Woche vom 21. bis 27. Oktober 2013 finden in der Akademie des Jüdischen Museums Berlin Lesungen, Workshops und ein Publikumstag unter dem Titel »VielSeitig. Eine Buchwoche zu Diversität in Kinder- und Jugendliteratur« in Kooperation mit Kulturkind e.V. statt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Abteilungen haben dafür zahlreiche Bücher gelesen, diskutiert und ausgewählt. Einige dieser Bücher sollen in den nächsten Monaten hier vorgestellt werden.
Aufgereihte Buchrücken von Kinder- und Jugendbüchern
Seltsame Buchstabenkombinationen auf Federn, Fellen und der Haut verschiedener Tiere, die verloren auf einer Landkarte stehen: Das Titelbild von Gaggalagu hat mir auf den ersten Blick so gut gefallen, dass ich in unserer Leserunde sofort nach diesem Buch griff.
Es ist sehr ansprechend und aufwändig gestaltet und 2006 bei kookbooks erschienen, in einem Verlag, den ich bisher nur mit Gedichtbänden für Erwachsene in Verbindung brachte. Dass der kleine Verlag auch Kinderbücher herausgibt, war mir neu. Von Michael Stavarič, dem Autor, hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört. Auch die Illustratorin Renate Habinger kannte ich nicht.

Buchcover von Gaggalagu

© kookbooks

Die ersten zwei Buchseiten bestehen aus transparentem, grünem Papier. Auch auf der ersten Seite stehen wieder diese wunderlichen Lautkombinationen: Gaggalagu, koekelekoe, ake-e-ake-ake. Erst wenn man diese durchsichtige Seite an die nächste drückt, erschließt sich der Sinn: Man sieht in der Mitte einen Hahn und die seltsamen Laute werden verschiedenen Ländern zugeordnet. Es handelt sich um den Ruf, den der Hahn von sich gibt – von den Menschen in ihre jeweiligen Sprachen übersetzt. Und so beginnt die Lektüre über die Sprachen der Tiere.

Kann ich das kikeriki des deutschen Hahnes noch sprachmelodisch und für meine Hörerfahrungen artgerecht wiedergeben, scheitere ich beim Hahnenruf aus Südafrika: koekelekoe. Meine Stimme klingt eintönig. Ich versuche, einen Buchstaben nach dem anderen zu artikulieren, als lernte ich gerade das Lesen.

»So macht doch kein Hahn«, sagt meine Tochter und versucht die Sprachmelodie des kikeriki auf das koekelekoe zu legen. Das klingt schon viel besser. Und während wir die verschiedenen Hahnensprachen in der immer gleichen kikeriki-Melodie von uns geben, überlege ich mir, wer mich über die ›richtigen‹ Melodien unterrichten könnte. Wie klingt das o oo o des vietnamesischen Hahnes?

Seite aus dem Bilderbuch mit Hähnen und dem Gedicht "Was Monika über Hähne weiß"

© kookbooks

Die Zeit, die ich üblicherweise mit dem Vorlesen ein- und desselben Buches verbringe, ist nach der ersten Seite eigentlich bereits erschöpft. Doch natürlich muss das Buch weiter gelesen werden, denn es geht ja nicht nur um Hähne, sondern auch um Hunde und Enten – ja, und sogar um Fische. Und es sind nicht nur die babylonischen Sprachverwirrungen, die Zeit brauchen und äußerste Konzentration verlangen, sondern auch die kleinen Geschichten und Gedichte um die Sprachverwirrungen herum. Manchmal verhasple ich mich und stolpere über die Sätze, frage dann meine beiden Kinder: »Habt ihr das verstanden?« »Nein.« Ich fange also wieder von vorne an und meine Tochter versteht endlich und erklärt mir, dass »Monika die Hahnensprache versteht – ihre Mutter aber nicht«. Ja, denke ich, so steht es im Text.

Ich denke schon wieder über die Sprachmelodien nach und überlege, ob Michael Stavarič, der ja in Österreich lebt, dem Text vielleicht eine andere Melodie geben würde, so dass der Sinn sich auch mir sofort erschlösse. Aber meine Kinder erfreuen sich dermaßen an den Sätzen und Worten, dass ich schließlich denke, vielleicht ist die Betonung doch nicht so wichtig. Ich lese:

»Bei der Ernte vom Bauer, Herrn Füller, vormals Brauer, heut auch Müller, helfen sie mit! Schafe berufen Kongresse, sind immun gegen Nässe, regeln den Verkehr, immer locker, nie mit Pistole und Gewehr. In Arabien: baa baa! In Kroatien: bee hee! In China: mieh mieh! In Island gar: me me! Welch ein Durcheinander! Und in Vietnam? Dort lebte ein Mann, der hatte ein Schaf, dem war so warm. Das blökte: beh ehe ehe. Und wisst ihr was? Der Mann hat geheiratet.«

Ein komischer Humor, denke ich, aber er funktioniert.

Die Zeit ist schon weit fortgeschritten, als wir das Buch weglegen. Kurz vor dem Einschlafen fragt mich mein dreijähriger Sohn: »Welcher Hahn macht cocorico?« »Der Hahn aus Frankreich« sage ich. »Der aus Paris kommt?« »Hm.« »Wie machen die Hunde in Italien?« »Ich weiß nicht. Wa, wa, wa?« »Nein. Bau, bau, bau. Die kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.«

Aber wer jetzt?

Michael Stavaric und Renate Habinger haben für das bestaunenswerte Buch Gaggalagu 2007 den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis erhalten. Michael Stavarič liest bei uns am 25. und 27.10.2013 – und ich bin schon gespannt, welche Melodien er den Tierlauten geben wird.

Nina Wilkens, Bildung

Michael Stavarič, Renate Habinger, Gaggalagu, Berlin: kookbooks 2006, 48 Seiten, durchgehend farbig illustriert von Renate Habinger, 4 bedruckte Transparentblätter.

Kommentiert von Frans am 14. Dezember 2020, 09:01 Uhr

ser schlecht

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