Veröffentlicht von am 11. August 2017 0 Kommentare

»Eine lebendige Dauerausstellung, die immer wieder Neues bietet«

Vorest letzte Runde für den Kunstautomaten

Es ist eine kleine Erfolgsgeschichte unseres Museums: Dieses Jahr geht der Kunstautomat bereits in die fünfte (und vorerst letzte) Runde. Nach fünf Jahren »Kunst aus dem Automaten« werden über 12.250 Kunstwerke verkauft worden sein. Den Erfolg erklärt sich Maren Krüger, Kuratorin der Dauerausstellung, so: »Wir wissen, dass Besucher*innen gerne etwas mitnehmen, Überraschungen mögen und sich für die Gegenwart interessieren. Außerdem wollen wir eine lebendige Dauerausstellung, die immer wieder Neues bietet. Daraus entstand das Konzept.«

Sieben Frauen stehen vor dem Kunstautomaten in der Dauerausstellung

Die Künstlerinnen der fünften und vorerst letzten Runde des Kunstautomaten; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff

Wie bei allen gut laufenden Projekten, waren auch an diesem mehrere Personen beteiligt. Allen voran Christiane Bauer, eine ehemalige Mitarbeiterin des Museums, die die Idee zum Projekt lieferte. Inspiriert wurde sie von den Kunstautomaten der Agentur Kunsttick, die mittlerweile über ganz Deutschland verteilt sind. Die Ideengeberin machte sich damals im Internet auf die Suche nach einem passenden Modell und fand tatsächlich einen alten Automaten aus den 70er Jahren, der in einem Sportcenter in Rheinland-Pfalz stand und erst einmal angeliefert werden musste…
Wie diese bemerkenswerte Geschichte weiter ging, können Sie im ersten Blogtext zum Kunstautomaten von Christiane Bauer nachlesen.

Das Motto der aktuellen Automaten-Runde lautet: »Der Sommer der starken Frauen«. Somit ist es kaum verwunderlich, dass diesmal alle Objekte für den Automaten von Künstlerinnen kreiert wurden. Fast alle stammen aus Israel, und alle haben eine Verbindung zu der Stadt Berlin. In ihren kreativen Arbeiten setzten sich die Künstlerinnen mit den Themen Jüdische Traditionen, Israel, Zugehörigkeit und Heimat auseinander. Herausgekommen ist eine bunte Mischung an Objekten, die in ihrer Materialität sowie in ihrer Bedeutung außergewöhnlich sind.

Hier eine kurze Übersicht zu den Kunstwerken und den Künstlerinnen:

Keren Shalev, die in Rishon LeZion geboren ist, beschäftige sich bei der Entwicklung ihres Kunstwerks mit der Frage »Was bedeutet es, ein Souvenir zu bekommen?« bzw. »Wie betrachten Besucher*innen Souvenirs?« Ihr Objekt nennt sie Organisches Souvenir. Es soll den Besucher*innen dabei helfen, einen bestimmten Augenblick oder ein bestimmtes Gefühl festzuhalten, das sie während des Besuches im Museum hatten.

Kunstautomat in der Dauerausstellung

Unser ganzer Stolz – der Kunstautomat in der Daueraustellung; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Shai Keren, seit drei Jahren Produktdesignerin in Berlin, steuerte gleich zwei Kunstwerke bei: 1.) Einen Dreidel, der sich am Stiel von Weingläsern anbringen lässt und damit markiert, wem das Glas gehört und 2.) einen Stoffbeutel, auf dem viele unterschiedliche Dinge stilisiert aufgedruckt sind. Die Aufschrift auf dem Beutel heißt alte Sachen, was auf Jiddisch so viel bedeutet wie »Gebrauchtwaren«.

»I want everybody to smile when they look at my art works«, sagt Yifah Raz. Die israelische Künstlerin schuf mit Popsicle FORnEVER ein ziemlich ungewöhnliches Eis am Stiel. Da es komplett aus Beton besteht ist es laut Raz »good forever«, das heißt es behält für immer seine Form, gleichzeitig ist es jedoch »never good«, also niemals essbar. Mit ihrer FORnEVER–Serie weist die Künstlerin auf das menschliche Bedürfnis hin, an etwas festhalten zu wollen – sei es eine bestimmte Zeit, ein besonderer Moment oder die eigene Jugend. Dennoch, so Yifah Raz, hat alles im Leben ein »expiration date«, ein Ablaufdatum.

Das Besondere an den Fotografien von Shimrit Kalish ist, dass sie ihre eigenen Träume abbilden. Für ihre Serie Fremdes Land fotografierte die Künstlerin ausschließlich Modelle aus dem Ausland. Auf diese Weise sind fünf unterschiedliche Bildmotive entstanden. Eines zeigt zum Beispiel eine Interpretation von Moses auf den Hügeln Jerusalems.

Mit ihrem Kunstobjekt The Black Tablets of Commandments bietet Alona Rodeh unseren Besucher*innen die Möglichkeit, ganz persönliche Gebote aufzuschreiben. Ob es zehn sein sollen, das entscheiden die Besitzer*innen selbst. Da hier nichts in Stein gemeißelt wird, können die Besitzer*innen zwischendurch alles wieder wegwischen und neu auf die handlichen Mini-Tafeln schreiben.

Hand einer Besucherin, die gerade ein Fach des Kunstautomaten öffnet und das Kunstwerk herauszieht.

»Kunst-Ziehen« leicht gemacht; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff

Shira Orions Kunstwerk unterteilt ihre eigenen Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart. Surreale Bilder im Leporello-Stil zeigen Erinnerungen der Künstlerin aus ihrer (alten) Heimat Israel sowie neu gewonnene Eindrücke aus ihrer (neuen) Heimat Berlin.

Das Gedicht whispering home bildet den zentralen Kern von Adi Liraz‘ Objekt. Die interdisziplinäre Künstlerin schrieb es sich zunächst auf den eigenen Körper, fotografierte es danach ab und druckte das Foto anschließend in einem aufwendigen Verfahren auf alte Bettwäsche. Die Frage nach dem Zuhause, nach der eigenen Heimat ist etwas, mit dem sich Liraz seit Langem beschäftigt. Seit 2003 in Berlin, stellte die Israelin mit der Zeit fest, dass die hebräische Sprache immer mehr zu dem wird, was für sie »home« repräsentiert.

In ihrer Arbeit zerteilte Maja Gratzfeld ein Bild in 500 Einzelteile. Wenn ein*e Besucher*in eins der Puzzle-Teile aus dem Kunstautomaten zieht, nimmt er*sie es mit nach Hause, wo auch immer dieser Ort liegt. Jedes Teil hat einen Code. Geben die Besitzer*innen diesen Code auf der Seite http://www.the-dispersal-project.com/ ein, schalten sie ihr eigenes Stück damit frei und können es online sehen. Wenn alle Puzzle-Teile am Ende aktiviert sind, ist das Gesamtbild erkennbar. Die in Saarlouis geborene Künstlerin erschuf mit ihrem the dispersal project nach eigener Aussage eine künstliche Diaspora. Jedes Puzzle-Teil symbolisiert ein Individuum, das sich von seinem Ursprungsort zu einem anderen Ort bewegt. Alle Teile gehören zu einem großen Ganzen, das sie verbindet. Sollten am Ende nicht alle Puzzle-Stücke aktiviert worden sein, bleiben weiße Flecken auf dem Bild – sie stehen für das Verschwinden von Bräuchen, Traditionen und Sprachen, die eine Diaspora mit sich bringt.

Haben Sie Lust bekommen, sich selbst eins der spannenden Objekte aus unserem Kunstautomaten zu ziehen? Dann haben Sie dazu noch bis zum 10. Dezember die Gelegenheit. Bis zu diesem Datum steht unser Automat an bekannter Stelle in unserer Dauerausstellung, neben dem Schteh-Cafe am Treppenübergang von der ersten zur zweiten Ausstellungsebene.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim »Kunst-Ziehen« und einen interessanten Ausstellungsbesuch!

Blog-Redakteur David Studniberg bekam beim Pressetermin mit den Künstlerinnen spontan ein kleines Souvenir geschenkt: Milk FORnEVER, ein Plastikbecher mit einem Klacks »Beton-Milch«, hat nun einen eigenen Platz in seinem Büro.

Mehr zum Kunstautomaten sowie Fotos der aktuellen Kunstwerke finden Sie unter: https://www.jmberlin.de/kunstautomat

Warum der Kunstautomat nur noch bis 10. Dezember zugänglich ist, erfahren Sie unter: https://www.jmberlin.de/neue-dauerausstellung

 

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