Selbstbildnisse der 20er Jahre

Die Sammlung Feldberg

2004 war die Berlinische Galerie mit der Sammlung Feldberg zu Gast im Jüdischen Museum Berlin.

Kunst gegen Kleidung: Eine Sammlung entsteht

Siegbert Feldberg, 1899 geboren, trat Anfang der 1920er Jahre in das Stettiner Familienunternehmen ein, eine florierende Firma für Herrenkonfektion. Da diese in Berlin eine Verkaufsfiliale unterhielt, war er oft in der Hauptstadt tätig. Hier machte Feldberg, der kulturell vielseitig interessiert war, auch die Bekanntschaft von Künstlern. Um 1923, als das Geld immer mehr an Wert verlor und die Inflation die Preise ins Aberwitzige trieb, war der junge jüdische Unternehmer in der Lage und bereit, Kunst mit „harter Währung“, d.h. mit Anzügen und Mänteln, zu bezahlen.

Ausstellung bereits beendet

Übersichtsplan mit allen Gebäuden, die zum Jüdischen Museum Berlin gehören. Der Libeskind-Bau ist grün markiert

Wo

Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

Kunst gegen Kleidung – diese ungewöhnliche Form des Kunsterwerbs behielt Feldberg auch in den folgenden Jahren bei. Er galt als generöser Tauschpartner und blieb es auch, als Künstler mit der Weltwirtschaftskrise erneut in Not gerieten und verstärkt auf Unterstützung angewiesen waren. So konnte er bis 1933 mehr als 150 Arbeiten auf Papier zusammentragen, darunter die Selbstbildnisse von 65 Künstlern und vier Künstlerinnen. Diesen Selbstdarstellungen, ob als Zeichnung, Aquarell, Pastell oder Druckgrafik, galt sein besonderes Augenmerk. Sie geben der Sammlung Feldberg Profil und den Rang des Außergewöhnlichen.

Ein beredtes Bild des Berliner Kunstlebens

Es sind Selbstbildnisse sowohl von prominenten als auch von weniger bekannten und in Vergessenheit geratenen Künstler*innen. Zu den in den 1920er Jahren berühmten Künstler*innen zählen Käthe Kollwitz, Max Liebermann und Lesser Ury. Auch die Expressionisten Erich Heckel und Oskar Kokoschka hatten damals bereits einen Namen und einen festen Platz in der deutschen Gegenwartskunst. Die Mehrzahl der in der Sammlung vertretenen Künstler*innen jedoch gehörten, wie Feldberg selbst, einer jüngeren Generation an, die durch das Erlebnis des Ersten Weltkriegs desillusioniert war. Vielen der Selbstporträts haftet etwas Nachdenkliches und Melancholisches an, aus vielen spricht eine nüchterne Selbstreflexion und realistische Haltung, die, deutlich in der Formensprache, eher Anschluss sucht, als dass sie Irritation und Provokation auslösen will. So unterschiedlich sie im einzelnen auch sein mögen - die meisten Selbstdarstellungen der Sammlung sind Ausdruck eines „historischen Kompromisses“ zwischen Tradition und Moderne. Sie sprechen für den gegenwartsorientierten und aufgeschlossenen Kunstgeschmack Feldbergs, aber auch davon, dass das noch Ungewohnte und für seine Zeit Gewagte seine Sache nicht war.

Zugleich ergibt sich aus den Selbstporträts ein beredtes Bild des Berliner Kunstlebens zwischen 1923 und 1933. Bemerkenswert ist, wie viele Künstler*innen die deutsche Hauptstadt zum Ort ihres Schaffens gewählt hatten. Nur zehn der Künstler*innen aus der Sammlung Feldberg sind in Berlin geboren. Die anderen waren aus Königsberg, Danzig, Breslau, Dresden, Köln und Frankfurt gekommen oder aus Mittel- und Osteuropa (Russland, Litauen, Polen, Ungarn, Österreich und Rumänien), 20 der Künstler*innen waren Jüd*innen.

Nationalsozialismus

Ein Drittel der Künstler*innen musste nach 1933 emigrieren. Drei sind in den Lagern von Dachau, Lodz und Riga ermordert worden.

Siegbert Feldberg selbst entschloss sich, Deutschland zu verlassen. 1934 ging er nach Bombay, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Anfang 1939 folgten ihm seine Frau und die beiden Söhne nach Indien. Hildegard Feldberg konnte bei der Ausreise rund 150 Zeichnungen und Aquarelle mitnehmen. Das sei „entartete“ und mithin wertlose Kunst, erklärte sie denen, die darauf achteten, dass sie keine Wertsachen außer Landes brachte.

Unbeschadet überstanden die Kunstwerke die langen Jahre der Emigration. 1963 kehrte das Ehepaar Feldberg nach Europa zurück. Sie wollten zunächst wieder nach Berlin, doch fühlten sie sich hier nicht mehr zu Hause und ließen sich 1965 schließlich im Schweizer Tessin nieder. Auf einer Reise nach Berlin, wo sie alljährlich alte Freunde, Theater und Konzerte besuchten, erlag Siegbert Feldberg 1971 einem Herzanfall.

Eine Sammlung kehrt nach Berlin zurück

In seinen letzten Lebensjahren hatte Siegbert Feldberg mehrfach lockenden Kaufangeboten für einzelne Blätter seiner Sammlung widerstanden. Er hielt sie zusammen, weil er hoffte, sie eines Tages geschlossen an ein Berliner Museum verkaufen zu können. 1976, fünf Jahre nach seinem Tod, erfüllte sich sein Wunsch: Die Berlinische Galerie konnte die Sammlung mit Mitteln der Deutschen Klassenlotterie von den Erben erwerben und die Selbstporträts dorthin zurückholen, wo sie in den Jahren der Weimarer Republik entstanden waren.

Ausgestellte Künstler*innen

Annot (Annot Jacobi), Isidor Aschheim, Henoch Barczynski, Lis Bertram, Erich Brill, Joseph Budko, Fritz Burger-Mühlfeld, Karl Dannemann, Heinrich Maria Davringhausen, Arthur Degner, Harry Deierling, Ludwig Dettmann, August Wilhelm Dressler, Max Dungert, Heinrich Ehmsen, Karl Eulenstein, Friedrich Feigl, Conrad Felixmüller, Michel Fingesten, Ernst Fritsch, Heinz Fuchs, Oskar Gawell, Robert Genin, Moritz Grossmann, Rudolf Grossmann, Erich Heckel, Franz Heckendorf, Heinrich Heuser, Carl Hofer, Ernst Honigberger, Rudolf Jacobi, Willy Jaeckel, Alexander Kanoldt, Albert Klatt, Paul Kleinschmidt, Wilhelm Kohlhoff, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Issai Kulvianski, Max Liebermann, Ludwig Meidner, Moriz Melzer, Carlo Mense, Felix Meseck, Max Neumann, Willi Nowak, Josef Oppenheimer, Paul Paeschke, Jan van Ripper, Rudolf Schlichter, Otto Schoff, Werner Scholz, Arthur Segal, Walter Simsch, Eugen Spiro, Jakob Steinhardt, Hans Uhl, Lesser Ury, Ines Wetzel, Ernst Wetzenstein, Friedrich Winkler-Tannenberg, Gert Wollheim sowie ein*e unbekannte*r Künstler*in.

Frühere Stationen der Ausstellung

2002 waren die Selbstbildnisse der Sammlung Feldberg in der Hart House Gallery der Universität von Toronto (Kanada) und im McMullen Museum in Boston (Massachusetts, USA) zu sehen. Ende 2003 bis Anfang 2004 wurden sie im Käthe Kollwitz Museum Köln gezeigt.

Informationen zur Ausstellung im Überblick

  • Wann

    2. Apr bis 25. Jul 2004

  • Wo

    Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
    Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
    Zum Lageplan

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