Jüdisches Museum Berlin erwirbt ersten modernen Chanukka-Leuchter, angefertigt 1924 von Ludwig Wolpert

Pressemitteilung von Do, 18. Nov 2021

Ab dem 28. November 2021 feiern viele Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt acht Tage lang Chanukka, die Wieder­einweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 v. u. Z. Das Jüdische Museum Berlin hat mit Unter­stützung der Freunde des Jüdischen Museums Berlin einen Chanukka-Leuchter für seine Sammlungen erworben, der als das erste Stück moderner Judaica bezeichnet werden kann. Der Künstler Ludwig Yehuda Wolpert hatte den Leuchter 1924 in Frankfurt am Main angefertigt. Seine Gestaltung brach mit den bis dahin geltenden stilis­tischen Konventionen und läutete einen Wandel in Form und Stil der Judaica ein, der die Formen­sprache über Gene­rationen beeinflusste und prägte. Der Leuchter ist aus Messing gegossen und patiniert, 34 cm hoch und 38 cm breit.

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„Das Jüdische Museum Berlin hat sich seit seiner Eröffnung vor zwanzig Jahren auf das Sammeln von jüdischen Zeremonial­objekten aus Deutschland aus dem späten 19. bis frühen 20. Jahr­hundert spezialisiert“, erläutert Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin. „Wir wollen den stilis­tischen Wandel in dieser Zeit dokumentieren. Aus den 1920er Jahren sind nur wenige jüdische, von Künstler­innen und Künstlern in Deutschland geschaffene Zeremonial­objekte erhalten. Der Chanukka-Leuchter von Wolpert vertritt diese entscheidende Periode und den gestalter­ischen Aufbruch in die Moderne auf höchstem Niveau und füllt eine Lücke in der Museums­sammlung. Da das JMB in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag gefeiert hat, markiert diese wichtige Ergänzung unserer Sammlung gleichzeitig das Jubiläum. Ich freue mich sehr darüber, dass die Freunde des Jüdischen Museums Berlins den Ankauf ermöglicht haben.“

Michal Friedlander, Kuratorin am Jüdischen Museum Berlin, ist ebenfalls froh über den Neuzugang: „Es ist eine Ehre für das Jüdische Museum Berlin, diesen Leuchter in die Sammlung aufnehmen zu dürfen. Von den 1890er bis in die 1930er Jahre wurden jüdische Ritualobjekte in der Regel in historisierenden Formen und mit ornamentalen Motiven hergestellt. Der Leuchter von 1924 bildete Wolperts Ausgangspunkt, von dem aus er in der Folgezeit einen völligen Wandel in Form und Stil der Judaica anführte und das Gebiet über Generationen hinweg beeinflusste.“

Das Jüdische Museum Berlin prüft vor Ankäufen die Provenienz: Es besteht kein Verdacht oder Hinweis auf verfolgungs­bedingten Entzug in der Zeit zwischen 1933 und 1945, denn das Objekt wurde häufig in Veröffent­lichungen erwähnt, wobei William Gross als aktueller Besitzer genannt wurde, und es gab keine Restitutions­ansprüche. Deshalb ist zu vermuten, dass dieses Objekt als Emigranten­gepäck in das Mandats­gebiet Palästina (heute Israel) gebracht wurde. Wann und in welchem Kontext der Leuchter im Jüdischen Museum Berlin ausgestellt werden wird, steht noch nicht fest.

Ludwig Yehuda Wolpert wurde 1900 in Hildesheim in eine orthodoxe jüdische Familie geboren. Die Familie betrieb zunächst eine kleine Socken- und Handschuh­strickerei, später wurde Wolperts Vater Salomon Schochet (ritueller Schlachter) und amtierte als Rabbiner eines Altenheims. Im Alter von 16 Jahren nahm Ludwig das Studium der Bildhauerei an der Frankfurter Kunst­gewerbe­schule auf; nach Abschluss des Studiums im Jahr 1920 begann er, als Bild­hauer zu arbeiten.

Da Wolpert sich von der Anfertigung von Gebrauchs­gegenständen ein sichereres Einkommen erhoffte, kehrte er 1925 für ein zweites Studium an die Frankfurter Kunstschule zurück und wandte sich der Silber­schmiede­kunst zu. Der damalige Leiter der Schule war Christian Dell, zuvor Meister der Form an der Bauhaus-Schule. Dell brachte die innovativen Ideen und Arbeits­methoden der Bauhaus-Schule mit. Wolpert machte sich den moder­nistischen Stil zu eigen und konzentrierte sich in der Folgezeit auf die Herstellung moderner, funktionaler jüdischer Zeremonial­objekte aus Silber. 1928 beauftragte Karl Schwarz, der Direktor des ersten Jüdischen Museums Berlin, das bis zum November­pogrom 1938 in der Oranienburger Straße existierte, Wolpert mit der Anfertigung einer Reihe von jüdischen Zeremonial­objekten, die dann im Museum sowie in einer Wander­ausstellung gezeigt wurden.

Wolpert emigrierte 1935 nach Palästina, wo er weiterhin Objekte in seinem einzig­artigen Stil schuf und durch seine Lehrtätigkeit an der New Bezalel School bis 1956 eine ganze Generation von Silber­schmieden ausbildete, die in einem modernistischen Stil arbeiteten. Danach zog Wolpert in die Vereinigten Staaten, wo er die Tobe Pascher Werkstatt im Jüdischen Museum von New York leitete. Seitdem gilt Wolpert als der „Vater“ der zeit­genössisch gestalteten Judaica-Objekte. Seine Stücke zeichnen sich durch ihre eleganten, schlichten Formen, ihren Funktio­nalismus und die Schönheit der hebräischen Schrift­züge aus, die er in viele seiner späteren Kreationen integrierte. Wolpert hat bei den Welt­ausstellungen in New York und in Montreal Werke ausgestellt und viele international bekannte Werke geschaffen, etwa die Bronzetüren der Synagoge am John F. Kennedy Airport. Er starb 1981 in New York.

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