Moses Mendelssohn (1729–1786), der große Philosoph der Aufklärung, und seine Frau Fromet (1737–1812) stifteten diesen Tora-Vorhang 1774/75 einer Berliner Synagoge. Wahrscheinlich ließen sie ihn aus Fromets seidenem Brautkleid anfertigen.
Tora-Vorhang für die höchsten Feiertage
Ein weißer Vorhang hängt traditionell an Rosch ha-Schana und Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertagen, vor dem Tora-Schrein. Darin werden die Tora-Rollen mit dem Text der fünf Bücher Mose aufbewahrt. Auf unserem Tora-Vorhang sind über der hebräischen Widmungsinschrift zwei Löwen zu sehen. Sie symbolisieren Juda, einen der zwölf Stämme Israels. Unter der Krone stehen die Worte »Keter Tora« (Krone der Tora). Die mit Blumenranken geschmückten Säulen weisen, wie auch die kleinen Motive auf dem oberen Querbehang, auf den Tempel in Jerusalem hin.

Tora-Vorhang; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. KGT 97/1/0, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, Foto: Hans-Joachim Bartsch
Migrationsgeschichte eines Tora-Vorhangs
Einige Jahre nach Moses Mendelssohns Tod 1786 kehrte Fromet in ihre Heimatstadt Hamburg zurück. Den Tora-Vorhang nahm sie mit. Er schmückte nun den Tora-Schrein einer Synagoge in Altona. Mehrere Generationen später, nach dem Novemberpogrom 1938, gelangte der Vorhang mit Geflüchteten nach Antwerpen in Belgien. Dort kam er in dem provisorischen Betsaal einer kleinen Geflüchtetengemeinde zu Ehren. Fanden keine Gottesdienste statt, verwahrte der Gemeindevorsteher Leo Rothschild die Ritualgegenstände in seiner Wohnung. Nach der deutschen Besetzung Belgiens im Mai 1940 übergab dessen Frau Betty den Vorhang – in einem Wäschekorb unter Haushaltswäsche verborgen – einem Geschäftsfreund ihres Mannes zur Aufbewahrung. Betty Rothschild und zwei ihrer Söhne wurden in Auschwitz ermordet. Leo Rothschild und der Sohn Josef überlebten. Der Tora-Vorhang überstand die Kriegsjahre unversehrt.
Titel | Tora-Vorhang, gestiftet von Moses Mendelssohn und seiner Frau Fromet Gugenheim |
---|---|
Sammlungsgebiet | Zeremonialobjekte |
Ort und Datierung | Berlin 1774/75 |
Material | Seide, Leinen, bestickt |
Maße | 210 x 145 cm |
Erwerb | Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin |
Warum wir den Tora-Vorhang aus Fromet Mendelssohns Brautkleid nicht dauerhaft in unserer Ausstellung zeigen können, erklärt unsere Gemälderestauratorin Barbara Decker in einem Video aus der Reihe »Was wir nicht zeigen«.
Teilen, Newsletter, Feedback
Ausgewählte Objekte: Judaica-Sammlung (6)
Mehr zum Thema …
Judaica

Sammlungsgebiet Judaica
Circa 1.500 Objekte des religiösen Gebrauchs spiegeln jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart wider.
Alles über ...
Ausgewählte Sammlungsobjekte und Highlights
Auf einen Blick ...
Mehr zum Thema …
9. November 1938
Moses Mendelssohn
Entdecken Sie weitere Objekte zum Philopsophen und Aufklärer in unseren Sammlungen.
Online-Sammlungen