JMB Journal 18:
Licht
Mit Licht begann die Welt. Und Licht spielt im Judentum eine herausragende Rolle: Es symbolisiert die Unterscheidung von Heiligem und Profanem, von Erkenntnis und Irrtum. Das Entzünden einer Flamme ist elementarer Bestandteil vieler jüdischer Rituale.
Licht ist auch das Element zweier Installationen, die Sie zurzeit am JMB erleben können: Sowohl das Kunstwerk res·o·nant von Mischa Kuball in den Achsen des Neubaus, als auch die begehbare Installation Ganzfeld „Aural“ des weltweit bekanntesten Lichtkünstlers James Turrell. Kein Zufall also, dass wir unser neues JMB Journal dem Licht gewidmet haben.
Lesen Sie hier über das Licht in der Schöpfungsgeschichte, in Religion und Wissenschaft, in Kunst und Architektur; erfahren Sie, welche Herausforderungen viele jüdische Rituale bieten können, wenn es um die Frage der Lichtbeschaffung geht oder darum, dass man gerade kein Licht entzünden darf.
Für die Fotostrecke Nachtschicht haben wir in dieser Ausgabe jene Menschen porträtiert, die dann arbeiten, wenn es dunkel wird: die Wachleute und die Polizist*innen, die das Museum nachts schützen. Außerdem stellen wir Ihnen hier das großangelegte Projekt Objekttage vor, in dem Jüdinnen*Juden in ganz Deutschland anhand mitgebrachter Erinnerungsstücke ihre Migrationsgeschichten erzählen.
Mit Texten von Peter Schäfer, Michal Friedlander, Léontine Meijer-van Mensch, Thomas de Padova, Hans Wilderotter, Julia Voss, Detlev Weitz, Urs Schreiner und Lenka Reinerová und mit Fotos von Stephan Pramme.
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Entdecken Sie drei Bildstrecken zum Thema Licht
Nachtschicht
Wer das Jüdische Museum Berlin besucht, begegnet ihnen zuerst: den Wachleuten und der Polizei, die Gebäude und Personen schützen. Doch auch wenn alle Gäste längst gegangen, die Büros leer und die Lichter aus sind, sind sie noch vor Ort. Eine Nacht im Museum.
Bildstrecke Nachtschicht
![Eine Polizistin bewacht nachts den Haupteingang des Jüdischen Museums Berlin](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8607.jpg?itok=p7J1wv5B)
„Mein Lieblingsort am Museum ist der Haupteingang. Da trifft man Besucher aus der ganzen Welt, da ist das Museum eine echte Begegnungsstätte. Schon früh morgens halten die ersten Reisebusse. Ich vertröste die Menschen bis zur Öffnung, beantworte ihre Fragen. Nachts sind hier höchstens mal einsame Wanderer oder müdes Party-Volk.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Eine Polizistin und ein Polizist bewachen nachts den Neubau](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8537.jpg?itok=4uNgeb-m)
„Wo geht’s denn hier nach Baden-Württemberg? Man fragt uns die absonderlichsten Sachen. Wenn nachts jemand vorbeikommt, beobachten wir die Person. Bis sie den Sicherheitsbereich verlassen hat.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Eine Polizistin und ein Polizist bewachen nachs den Neubau des Jüdischen Museums Berlin.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8564.jpg?itok=e20yhno7)
„Nach dem ersten Nachtdienst bin ich platt. Zuhause gehe ich erst mal mit meinem Hund eine Stunde spazieren, raus aufs Feld. Vollkommene Ruhe, da kann ich ausspannen. Danach ab ins Bett, aber meistens schaffe ich es nicht in den Tiefschlaf. Abends dann wieder los. Zweite Schicht.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Blick in den Paul-Celan-Hof des Neubaus des Jüdischen Museums Berlin.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8660.jpg?itok=yc7_YI4d)
„Hier kommt nachts nur der Fuchs vorbei, der schiebt seine Schicht, genau wie wir. Immer pünktlich um halb vier schleicht er durch den Garten.“
Jüdisches Museum Berlin; Foto: Stephan Pramme
![Ein Mitarbeiter der Sicherheit beleuchtet mit einer Taschenlampe den Garten des Exils im Jüdischen Museum Berlin.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8511.jpg?itok=gAPBy7Ef)
„In den Garten des Exils wollten eines Nachts mal zwei Jugendliche einsteigen. Die dachten wohl, das sehen wir nicht. Sie haben sie sich dann entschuldigt. Wir haben es dabei belassen, sonst wären sie ja vorbestraft gewesen.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Ein Mitarbeiter der Sicherheit sitzt auf einem Stuhl im Libeskindbau des Jüdischen Museums Berlin.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8480.jpg?itok=igVCSek6)
„Eigentlich kann man sich im Libeskindbau nicht verlaufen. Trotzdem verliert man anfangs manchmal fast den Überblick.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Ein Mitarbeiter der Sicherheit nachts am Schreibtisch.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8764_0.jpg?itok=MRhrawKz)
„Wenn die Müdigkeit kommt? Da helfen Kaffee, frische Luft oder Gespräche mit Kollegen.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Innenansicht eines Ausstellungsraums mit zahlreichen christlichen Symbolen aus der Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ des Jüdischen Museums Berlin.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8674.jpg?itok=h0hw-cih)
„Die Kontrollgänge machen wir allein. Da kam schon der ein oder andere bleich zurück! Nachts sind die Sinne extrem geschärft. In manchen Räumen muss man gut aufpassen, was im Kopf passiert.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Innenansicht eines Ausstellungsraums der Ausstellung „Welcome to Jerusalem“. Zu sehen ist ein Mitarbeiter der Sicherheit neben dem sogenannten Beuterelief vom Titusbogen (Original: Rom, 81-96 Gipsabguss, Hersteller: Virgilio Gherardi, Rom, um 1900).](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8699.jpg?itok=HudD-F-2)
„In den Ausstellungsräumen wird die Beleuchtung zentral gesteuert. Da haben wir nachts keinen Einfluss, da bleibt es dunkel. Aber wir haben Taschenlampen und Funk.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
![Ein Mitarbeiter der Sicherheit kontrolliert einen Technikraum im Keller des Jüdischen Museums Berlin.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/3m4a8487.jpg?itok=Md1A4bf9)
„Nachts kontrollieren wir alle Räume. Technik-, Heizungs-, Serverräume, die Depots und Ausstellungsräume. Wenn da zum Beispiel irgendwo Wasser läuft und Sammlungen nass würden… das wäre fatal.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Pramme
Arbeit in der Silberschmiede
Lampen für den rituellen Gebrauch wurden und werden oft besonders kunstvoll geschmiedet. Im Jahr 2003 gab das Jüdische Museum Berlin in einer Hanauer Silberschmiede eine Chanukka-Lampe nach einem über hundert Jahre alten Entwurf in Auftrag.
Bildstrecke Arbeit in der Silberschmiede
![Die Chanukka-Lampe und der Entwurf auf Papier, der fast hundert Jahre alt ist](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/2003_100_0hanau_zeichnung_klein.jpg?itok=c6ecqJG2)
Die Chanukka-Lampe und ihr über hundert Jahre alter Entwurf auf Papier.
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe
![Der Gießer Herr Ehrlich fertigt eine Gussform aus dunklem Sand](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_35250_klein.jpg?itok=8--op2pK)
Die Herstellung eines solchen Kunstwerks ist ein aufwändiger Prozess. Zuerst fertigt der Gießer Herr Ehrlich eine Gussform aus dunklem Sand, in der er die Vorder- und Rückseite der Modelle abformt. Dadurch entsteht ein Hohlraum im Sandbett, der später mit Silber ausgegossen wird.
Foto: Gabriele Schwark
![Die Abformung der Chanukka-Lampe wird mit Kohlestaub und Formpuder bestäubt](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_35245_klein.jpg?itok=ae1g681T)
Viele Arbeitsschritte müssen dafür erfolgen: zum Beispiel das Bestäuben der Abformung mit Kohlestaub und Formpuder.
Foto Gabriele Schwark
![Ein Mann gießt heißes Silber in den Hohlraum der Form der Chanukka-Lampe](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_35235_klein.jpg?itok=lo7RZCcA)
Durch diese Eingüsse wird das über 1000 ºC heiße Silber in den Hohlraum gegossen. Nach dem Erkalten entnimmt Herr Ehrlich die fertigen Gussstücke und gibt sie an die Silberschmiede Oswald weiter.
Foto: Gabriele Schwark
![Nahaufnahme zweier Hände, die Ecken und Überschüsse eines Details der Chanukka-Lampe feilen](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_35208_klein.jpg?itok=zqCZGM0r)
Dort verfeinern die Mitarbeiter die Chanukka-Lampe: Sie feilen Ecken und Überschüsse ab…
Foto: Gabriele Schwark
![Lötstelle zweier Versatzstücke der Chanukka-Lampe](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_35210_klein.jpg?itok=v_WEmqgc)
…und löten Versatzstücke zusammen. Anschließend werden alle Einzelteile poliert.
Foto: Gabriele Schwark
![Hände, die mit Hammer und Punze arbeiten](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_35223_klein.jpg?itok=4FqkaAi0)
Hier zieht ein Mitarbeiter die Konturen mit Hammer und Punze nach, um die Details der Rückwand deutlich herauszuarbeiten.
Foto: Gabriele Schwark
Die Lampe im Mittelpunkt
In unseren Online-Sammlungen ergibt die Suchanfrage „Lampe“ über 300 Treffer. Von Chanukka-Leuchtern bis hin zu Reklamemarken aus dem Lüsterhaus Weinschenk & Co. für Zuglampen und Beleuchtungskörper um 1910.
Es findet sich eine Lithographie aus dem 19. Jahrhundert, ganz viele Lampen und – aus der Reihe fallend – die Sammlung von Claire Lampel. Vor allem aber finden sich Fotos, in denen die Lampe nicht nur Lichtquelle ist, sondern stumme – und vermutlich vom Fotografen so nicht intendierte ‒ Beobachterin. Könnte sie doch erzählen!
Bildstrecke Die Lampe im Mittelpunkt
![Drei Personen an einem Tisch sitzend unter einem Lampenschirm](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/a_44997_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=D4UEhc0u)
Boris Schmerling mit seinem Sohn Grigroy, der Gouvernante Marie Iwanowna Mamayeff und der großen Stehlampe, die sich ins Bild geschlichen hat, um dem unbekannten Fotografen diese Aufnahme zu ermöglichen.
Berlin 1936, Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Günter Nobel
![Vier Personen am Wohnzimmertisch in einer Aufnahme um 1900](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/2006_217_193_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=vW-p8l__)
Familie Oppler am Wohnzimmertisch, um 1900, vermutlich Nürnberg. Das behagliche Zusammensitzen ist so komponiert, dass alle Familienmitglieder erkennbar sind. Auch Tante Lampe, zwar nicht eingeladen, aber immer im Mittelpunkt.
Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Dr. phil. Fortunatus Schnyder-Rubensohn
![Ein älterer Herr mit seiner erwachsenen Tochter liest unter einem Lampenschirm.](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/fot_88_5_27_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=iebH7RKa)
Wie oft lesen Sie eigentlich mit Ihren Liebsten gemeinsam in einem Buch? Beim Licht einer Tischlampe? Lesende sind ein beliebtes Motiv – sicher nicht zuletzt wegen der selbstverständlichen Lichtquelle, die es dem Fotografen leichter macht. Hier zu sehen sind Karl Plessner mit seiner Tochter Caroline Lesser und Tischlampe: drei Leuchten mit Stoffschirm und Fransen. Berlin, um 1915.
Foto: Jüdisches Museum Berlin
![Eine Frau und ein Kind neben einem Tischchen mit Stehlampe, auf dem Tisch steht ein Fotoporträt eines Jungen](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/2011_14_17_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=UKST5Awj)
Familienaufstellung oder: Die Lampe als Platzhalter. Erna Wittkowsky mit ihrem Sohn Heinz Ludwig, Berlin, um 1931. Betrachtet man die Bildkomposition, so nimmt die Tischleuchte mit geblümtem Schirm die Position des Dritten im Bilde ein, vielleicht des Vaters, der vermutlich die Fotografie machte, denn Paul Wittkowsky besaß eine Kopieranstalt für Amateuraufnahmen. Ein viertes Familienmitglied, wahrscheinlich der Sohn Gert, ist als Bild im Bild verewigt und wird von der Lampe gewissermaßen im Arm gehalten.
![Poträt einer lesenden Frau](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/fot_88_500_230_011_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=qSDXzXY9)
Herbert Sonnenfeld, Porträt einer lesenden Frau, Berlin ca. 1937. Die Lampe aus Pergament ist zwar groß, aber eine eher zurückhaltende Gesellschafterin: ungeblümt und nicht zu hell. Die wirkliche Lichtquelle ist auf diesem Bild nicht zu erkennen. Ein Strahler, der von links oben scheint? Ein weiterer von unten vorn? In jedem Fall sind noch mehr Leuchten im Spiel.
Jüdisches Museum Berlin, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin
![Eine Frau und ein Mann scherzen auf einem gestreiften Sofa unter einem Lampenschirm](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/job_0185_b_beschnitten_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=--G5sUpZ)
In den 1950er Jahren wird die Lampe als Lichtquelle für Fotos nicht mehr benötigt, der Schnappschuss mit Blitzlicht ausgeleuchtet. Stumme Beobachterin bleibt sie nichtsdestotrotz. „Achtung, die Lampe! Die brauchen wir noch zum Tischtennisspielen!“ Edith Drabkin und ein unbekannter Mann auf einem Sofa an Silvester, Stockholm 1957.
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Walter Frankenstein und Söhne
![Eine Frau spielt Pingpong, im Hintergrund eine Stehlampe](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/job_0181_a_beschnitten_lampe_im_mittelpunkt_galleryimage.jpg?itok=0PSujkVj)
Edith Drabkin und eine bereits bekannte Lampe beim Pingpong. Stockholm, um 1960.
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Walter Frankenstein und Söhne
![Eine Aufnahme der Künstlerin Rita Ostrovska zeigt eine Tapetenwand mit Kalender, im Vordergrund ist eine Stehlampe zu sehen](/sites/default/files/styles/media_lightbox/public/media/images/jmb100415_019_lampe_im_mittelpunkt.jpg?itok=_CFBLvKW)
Selten steht die Lampe selbstbewusst und ganz allein im Mittelpunkt. Diese Aufnahme der Künstlerin Rita Ostrovska entstand in Kiew, in der Wohnung ihrer Eltern am Tag vor der Ausreise nach Deutschland. Wurde die Zeitung zum Schutz beim Transport um den Lampenstiel gewickelt? Blieb die Lampe zurück? Könnte sie doch erzählen!
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Rita Ostrovska