Rot-Kreuz-Briefe: Lebenszeichen mit höchstens 25 Wörtern

Blick ins Depot

„Hoffe immer, bleib gesund.“ Diese Worte schrieb Marianne Simion im April 1942 an ihre Mutter Emma Warschauer. Sie selbst war 1939 von Berlin nach England geflohen, wo sie als Kindergärtnerin arbeitete. Durch einen Rot-Kreuz-Brief war es ihr nun gelungen, mit ihrer Mutter, die in einem jüdischen Altersheim in Berlin lebte, Kontakt aufzunehmen und ihr ein Lebenszeichen zu senden.

Der Nachrichtendienst des Roten Kreuzes

Das Internationale Rote Kreuz hatte 1936 begonnen, einen Nachrichtendienst aufzubauen. Diese Rot-Kreuz-Briefe boten Emigrant*innen die Möglichkeit, mit ihren in Deutschland gebliebenen oder bereits deportierten Verwandten auch dann in Verbindung zu bleiben, wenn der Postweg ausgeschlossen war. Denn dieser war mit Ländern, die sich mit Deutschland im Krieg befanden, ab 1940 verboten.

Versteckte Mitteilungen

Auf dem Formblatt konnten sich die Familien kurze Mitteilungen mit maximal 25 Wörtern schreiben. Oft erreichten sie ihre Empfänger*innen erst Monate später. Aus Angst vor der Zensur versteckten die Schreibenden schlechte Nachrichten hinter harmlosen Begriffen. Die Deportation von Verwandten umschrieben sie so häufig als „Reise“ oder „Auswanderung“.

Gestempelter und signierter Rot-Kreuz Brief.

Rot-Kreuz-Brief von Marianne Simion an ihre Mutter Emmy Warschauer; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Renate Simion, Foto: Jens Ziehe

Deportation nach Theresienstadt

Nachdem Marianne Simion lange Zeit nichts von ihrer Mutter gehört hatte, schrieb sie im August 1942 an die gewohnte Adresse, doch eine unbekannte Person antwortete ihr: „Das geliebte Muttchen leider nach Theresienstadt ausgewandert Ende Juni.“ Über Rot-Kreuz-Briefe blieben Mutter und Tochter bis April 1943 in Kontakt. Im Januar 1944 starb Emma Warschauer mit 82 Jahren in Theresienstadt.

KZ Theresienstadt

Das Konzentrationslager Theresienstadt in der damals vom Deutschen Reich besetzten Tschechoslowakei war von 1941 bis 1945 ein Sammel- und Durchgangslager zunächst vor allem für tschechische Jüd*innen. Nach der Wannseekonferenz wurden seit 1942 auch alte oder als prominent geltende Jüd*innen aus Deutschland und anderen besetzten europäischen Ländern in das Lager deportiert. In der NS-Propaganda wurde Theresienstadt zum „Altersghetto“ verklärt und während einer kurzen Phase als angebliche „jüdische Mustersiedlung“ verschiedenen ausländischen Besucher*innen vorgeführt.

Mehr bei Wikipedia

Titel Rot-Kreuz-Brief von Marianne Simion an ihre Mutter Emmy Warschauer
Sammlungsgebiet Archiv
Ort und Datierung London 22. April 1942
Material Papier, Bleistift, Tinte, Stempelfarbe
Maße 22,7 x 14,6 cm
Erwerb Schenkung von Renate Simion

Online-Ausstellung „Wer kann Auskunft geben...?“

Über die Suche von Georg Marcuse nach seiner Familie, die nach Theresienstadt deportiert worden war, haben wir in Zusammenarbeit mit Google Arts & Culture eine Online-Ausstellung erstellt.

Zur Ausstellung bei Google Arts & Culture

Rückseite des Rot-Kreuz-Brief mit handschriftlicher Notiz.

Rückseite des Rot-Kreuz-Briefes von Marianne Simion an ihre Mutter Emmy Warschauer; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Renate Simion, Foto: Jens Ziehe

Ausgewählte Dokumente und Objekte: Archiv (10)

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