Wem hat ein Objekt gehört, bevor es Teil einer Sammlung wurde? Diese Frage nach der Herkunft von Sammlungsobjekten stellen sich Sammler*innen und Museumsmitarbeiter*innen von je her. Eine „gute Provenienz“ (oder auch „Pedigree“ – Stammbaum – genannt), etwa die Herkunft aus einer renommierten Sammlung, steigerte stets den Wert und das Ansehen von Kunst und Kulturgütern.
Heute dient die Erforschung früherer Besitzverhältnisse von Sammlungsobjekten häufig der Aufklärung unrechtmäßiger Raubkontexte. Gerade der nationalsozialistische Kunst- und Kulturgutraub steht seit dem Bekanntwerden des so genannten „Schwabinger Kunstfunds“ bei Cornelius Gurlitt (2012) öffentlich im Fokus dieses Forschungszweigs. Neben der Herkunft von Gemälden und Skulpturen wird zunehmend auch die von Objekten der angewandten Kunst, Büchern, Archivalien und von Objekten, die in den ehemaligen Kolonien erworben wurden, erforscht.

Ein Provenienzforschungsprojekt unseres Museum befasste sich mit der Judaica-Sammlung, deren Grundstock der Sammler Zwi Sofer zusammengetragen hat. Hier präsentiert er einen großen Chanukka-Leuchter aus seiner Sammlung. Ort der Aufnahme nicht eindeutig bestimmbar, Anfertigung 1975 in Lübeck, Duisburg oder Hannover. Nachlass Zwi Sofer, Münster, Foto: Unbekannt

Ein Provenienzforschungsprojekt unseres Museum befasste sich mit der Judaica-Sammlung, deren Grundstock der Sammler Zwi Sofer zusammengetragen hat. Hier präsentiert er einen großen Chanukka-Leuchter aus seiner Sammlung. Ort der Aufnahme nicht eindeutig bestimmbar, Anfertigung 1975 in Lübeck, Duisburg oder Hannover. Nachlass Zwi Sofer, Münster, Foto: Unbekannt
Eng verknüpft mit der Provenienzforschung ist die Frage nach der Rückgabe (Restitution). Nach den 1998 verabschiedeten Washingtoner Prinzipien sind öffentliche Institutionen verpflichtet, zu prüfen, ob ihre Sammlungen Objekte enthalten, die ihren Vorbesitzer*innen zwischen 1933 und 1945 „NS-verfolgungsbedingt entzogen“ wurden. Ist dies der Fall, sind sie angehalten, die rechtmäßigen Eigentümer*innen zu ermitteln und mit ihnen gemeinsam nach „fairen und gerechten Lösungen“ zu suchen.
Mit den Themen Raub und Zerstörung von jüdischem Kulturgut ist auch und gerade die Sammlungsarbeit an einem Jüdischen Museum regelmäßig konfrontiert. Sammlungsobjekte erzählen hier häufiger als in anderen Museen eine Raub- oder Exilgeschichte, sind auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgung beschädigt oder gelten als „verwaist“. Konsequenterweise fokussierte daher die 2009 erfolgte Theresienstädter Erklärung unter anderem explizit auf die Auseinandersetzung mit der Herkunft von Judaica und jüdischen Kulturgütern.

Als Ergebnis unseres Provenienzforschungsprojektes zur Gemälde- und Skulpturensammlung konnte Anton von Werners Ölskizze Das Gastmahl der Familie Mosse 2016 an die Erben restitutiert werden; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe.
Weltweit haben auch Jüdische Museen, wie das Jewish Museum New York, das Israel Museum Jerusalem und das Jüdische Museum Prag, Projekte zur Provenienzforschung entwickelt. Das Jüdische Museum Berlin zählt zu den Museen in Deutschland, die die Herkunft ihrer Sammlungsbestände systematisch prüfen.
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Was wird aus dem Porträt von Max Pinselstrich?
Treffen Sie Entscheidungen rund um ein fiktives Gemälde!
Online-Spiel
2008/2020
Das Gastmahl der Familie Mosse wird restituiert
Heike Krokowski erzählt die Geschichte einer erfolgreichen Provenienzrecherche
Blog
27. Jan 2017

Raub und Restitution
Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute. Mit einem Glossar zum Thema, einigen Fallgeschichten aus der Ausstellung und einem Spiel.
Website zur Ausstellung
2008

Provenienzforschung im Jüdischen Museum Berlin
Woher stammen die Kunstobjekte und Zeremonialgegenstände in unserer Sammlung?
Projekt
2015–2019

Provenienzforschung im Jüdischen Museum Berlin
Artikel von Heike Krokowski im JMB Journal (2015) Nr. 13, S. 32/33
JMB Journal
2015

Geraubte Judaica
In diesem Symposium stand erstmals die Erforschung der Herkunft jüdischer Zeremonialobjekte in Deutschland und Israel im Zentrum, auf Deutsch und Englisch
Video- und Audio-Mitschnitte
18. /19. Jun 2018

Zwi Sofer – Sammlerbiografie
Dieses Feature entstand im Rahmen eines Provenienzforschungsprojektes in unserer Judaica-Sammlung.
Online-Feature
2019

Silber aus ehemals jüdischem Besitz
Über den Umgang mit diesem musealen Erbe
Objekte aus der Dauerausstellung

Zeugnis einer Familie
Tora-Schild (Tas) und Kästchen, Kitzingen, 1711/12, Ankauf 2014
20 Jahre, 21 Objekte
2021