Ein unlösbarer Fall …?
Eine Fotosammlung aus einem Versteck in Berlin-Friedrichshain
 
          Ein Mann mit zwei Frauen und einem Mädchen beim Paddeln, 1933; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. FOT 96/502/16. Weitere Informationen zu diesem Foto finden Sie in den digitalisierten Beständen unserer Sammlung
Es ist keine Seltenheit, dass ich Sammlungen überarbeite, die schon Jahrzehnte im Besitz des Museums sind. Zwar erwerben wir kontinuierlich neue Objekte durch Schenkungen und Ankäufe. Gleichzeitig ist es aber unser Bestreben, Bestände, die schon längere Zeit im Museum sind, noch besser zu inventarisieren und aufzuarbeiten. Dies ist auch sinnvoll, weil die Recherchemöglichkeiten sowohl online als auch im Bereich der Forschungsliteratur weitaus vielfältiger sind als beispielsweise noch vor 10 oder 15 Jahren. Als Basis für meine Recherchen benötige ich jedoch stets solche Anhaltspunkte wie Namen, Orte, Lebensdaten und Verwandtschaftsverhältnisse der dargestellten Personen. Im Fall der 22 Schwarz-Weiß-Fotografien, um die es hier geht, fehlen diese notwendigen Informationen jedoch in weiten Teilen. Bereits die Tatsache, wie die Objekte in unsere Sammlung gelangten, ist eher ungewöhnlich:
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    Ein Mädchen vor einer Tür stehend, vermutlich Berlin ca. 1918–1922; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. FOT 96/502/4
Die Sammlung ist auf den Zeitraum zwischen 1918 und 1945 datierbar und setzt sich aus Passbildern, Porträts und Freizeitaufnahmen zusammen. Letztere zeigen unter anderem eine Familie bei einem Ausflug ins Grüne, Jugendliche im Freibad Treptow und ein Mädchen in einer Berliner Wohnung. Meine Recherchen nach den wenigen namentlich erwähnten Personen führten allerdings zu keinen brauchbaren Ergebnissen.
Somit bleiben die Biografien der dargestellten Personen und ihre Hintergründe vorerst unbekannt. Genau dies sind aber die Informationen, durch die wir viele unserer Sammlungen erst in einen jüdischen Kontext einbetten können. Denn auf den Aufnahmen selbst ist häufig keine konkrete Ausübung der Religion dargestellt.
Was also tun mit einer Sammlung, über deren Herkunft wir beinahe nichts wissen? Zunächst hoffen wir darauf, im Zuge der Onlinestellung von den Nutzer*innen unserer digitalisierten Sammlungsbestände neue Hinweise zu den Bewohner*innen des Hauses in der Simplonstraße und den dargestellten Personen zu erhalten.
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    Passbild Elli Arndt, vermutlich Berlin ca. 1920–1940; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. FOT 96/502/13
Was aber, wenn dies nicht der Fall sein sollte und die Herkunft der Fotografien ungeklärt bleibt? Können sie für unser Museum dann trotzdem eine Relevanz haben? Ich finde ja!
Interessant ist schon die Tatsache, dass der Finder der Fotografien sofort einen jüdischen Kontext vermutete, obwohl die Objekte dafür keine konkreten Anhaltspunkte liefern. Da sie allerdings aus einem Fußbodenversteck stammen und die handschriftlichen Datierungen auf den Rückseiten lediglich bis 1933 reichen, ist mindestens davon auszugehen, dass die Aufnahmen von Verfolgten des NS-Regimes zurückgelassen werden mussten. Heute geben sie Zeugnis von der Existenz dieser Personen und die Aufgabe unseres Museums ist es, die wenigen Spuren ihres Lebens, die sich erhalten haben, für die Zukunft zu bewahren.
Anna Rosemann, Mitarbeiterin der fotografischen Sammlung, hofft auf den einen oder anderen Hinweis zu den Fotografien und darauf, dass sie mit diesem Artikel andere Museen dazu ermuntern kann, im Umgang mit ihren eigenen Objekten ungeklärter Herkunft neue Wege zu beschreiten.
Alle Fotografien aus dem Versteck in der Simplonstraße 19 finden Sie auch in unseren digitalisierten Sammlungsbeständen. Dort können Sie auch Kommentare zu einzelnen Fotos hinterlassen, sofern Sie etwas dazu wissen.
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    Herbert Fiebig im Anzug in einem Freibad in Treptow stehend, Berlin-Treptow 1929; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. FOT 96/502/21
Zitierempfehlung:
Anna Rosemann (2016), Ein unlösbarer Fall …?. Eine Fotosammlung aus einem Versteck in Berlin-Friedrichshain.
      URL: www.jmberlin.de/node/10730
Blick hinter die Kulissen: Anekdoten und spannende Funde bei der Arbeit mit unserer Sammlung (28)
 
   
                           
                           
                           
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
             
          