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„Der Anteil, den Schwarze Soldaten an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus hatten, droht in Vergessenheit zu geraten”

Drei Fragen an Marion Kraft

In der Reihe Neue deutsche Geschichten stellten wir am 6. Juli 2016 den Sammelband Kinder der Befreiung vor. Zu Gast waren die Herausgeberin Marion Kraft und die Autorinnen Ika Hügel-Marshall und Judy Gummich. Sie sprachen über die Erfahrungen und Perspektiven Schwarzer Deutscher der Nachkriegsgeneration und beleuchteten damit einen wenig bekannten Teil deutscher Geschichte und US-amerikanisch-deutscher Beziehungen.

Der Band bringt die Biografien und Stimmen vieler verschiedener Autor*innen zusammen und widmet sich Fragen von Rassismus in Geschichte und Gegenwart sowie der vielfältigen Realität Schwarzer Menschen in Deutschland. Serpil Polat stellte der Herausgeberin Marion Kraft vorab – am 5. Juli 2016 – die folgenden drei Fragen:

Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden und was hat Sie persönlich dazu motiviert?

Die Idee zu dem Buch entstand im Herbst 2014 in persönlichen Gesprächen mit einigen der Autor*innen, die, wie ich auch, als Kinder afroamerikanischer Soldaten und weißer deutscher Frauen in den Nachkriegsjahren in Deutschland zur Welt kamen. Uns fiel dabei auf, dass einerseits der Anteil, den diese Soldaten an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus hatten, von der Geschichtsschreibung weitgehend vernachlässigt worden ist und andererseits die Rassismuserfahrungen, die Schwarze Menschen im Nachkriegsdeutschland machen mussten, in Vergessenheit zu geraten drohen. Gleichzeitig stellten wir fest, dass in aktuellen sozial-historischen Forschungsprojekten zur Nachkriegszeit ein oft sehr einseitiges Bild der ehemals sogenannten „farbigen Besatzungskinder“ gezeichnet wird. Es war uns wichtig, aus Anlass des siebzigjährigen Kriegsendes im Jahr 2015, hier mit unserer eigenen Stimme zu sprechen.

Woher kommt der Titel „Kinder der Befreiung“ und wer ist damit gemeint?

Der Titel „Kinder der Befreiung“ knüpft an die Befreiung Deutschlands vom Faschismus an, die der afrikanisch-deutsch-amerikanische Journalist und Zeitzeuge Hans-Jürgen Massaquoi als den verdienten Niedergang eines der brutalsten Herrschaftssysteme bezeichnete. „Befreiung“ konterkariert damit den teilweise immer noch gebräuchlichen Begriff der „Besatzung“ und meint gleichzeitig auch die Befreiung von diskriminierenden Bezeichnungen, die für die Kinder alliierter Soldaten mit deutschen Frauen noch lange vorherrschten. Betroffen davon waren vor allem Schwarze Kinder. Der Titel des Buches bezieht sich auch auf die Erfahrungen der Menschen selbst, die allen Widrigkeiten zum Trotz die positive Gestaltung ihrer Leben in die eigenen Hände nahmen.

Buchcover: Kinder der Befreiung.

Buchcover Kinder der Befreiung; Unrast Verlag

Das Buch verbindet unterschiedliche Facetten: geschichtliche und wissenschaftliche Analysen, biografische Erzählungen, Interviews und literarische Texte. Welches Konzept steht hinter dieser Vielfalt an Zugängen und Textarten?

Mit der Konzeption des Buches soll aus unterschiedlichen Perspektiven dieser Teil verdrängter Geschichte beleuchtet werden. Dabei ordnet mein einleitender Beitrag die Erfahrungen der Nachkriegsgeneration in die lange Geschichte und gegenwärtige Situation Schwarzer Menschen in Deutschland ein. Die darauffolgenden biografischen Erzählungen und Interviews verweisen auf Gegenentwürfe zu einer von Machtstrukturen bestimmten Geschichtsschreibung und werden durch verschiedene wissenschaftliche Analysen zu einer kollektiven Erfahrung verbunden. Einige lyrische Texte haben wir aufgenommen, weil sie nochmals eine besondere Möglichkeit der Reflektion schaffen können. Somit richtet sich der Band an eine vielfältige Leser*innenschaft und bietet verschiedene Anstöße zur Analyse der Geschichte und zur Bekämpfung bis heute noch fortbestehender Formen des Rassismus.

Die Fragen stellte Serpil Polat (Akademieprogramm zu Migration und Diversität). Auch sie forscht zu Biografien und Rassismus.

Porträt einer Frau mit Brille, die lächelt und direkt in die Kamera schaut

Die Herausgeberin Marion Kraft; Foto: privat

Zitierempfehlung:

Serpil Polat (2016), „Der Anteil, den Schwarze Soldaten an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus hatten, droht in Vergessenheit zu geraten”. Drei Fragen an Marion Kraft.
URL: www.jmberlin.de/node/6295

Interviewreihe: Neue deutsche Geschichten (12)

  • Neue deutsche Geschichten

    Im Rahmen der Reihe Neue deutsche Geschichten luden unsere Kolleg*innen vom Akademieprogramm zu Migration und Diversität von 2014 bis 2017 regelmäßig Gesprächspartner*innen ins Jüdische Museum ein, um mit ihnen anhand ihrer Biografien Geschichte und Gegenwart Deutschlands als Migrationsgesellschaft zu thematisieren. Fast immer entstanden im Vorfeld dieser Veranstaltungen Interviews, die wir hier für Sie zusammengestellt haben.

  • Karamba Diaby sitzt auf einer Treppe, er trägt einen blauen Anzug mit rotkarierter Krawatte

    Karamba Diaby

    „Diese Repräsentationskluft sollten wir schließen“

    Interview
    26. Mai 2017

  • Portät einer älteren Dame mit Dutt

    Anita Awosusi

    Über ihr Buch Vater unser – Eine Sintifamilie erzählt

    Interview
    6. Feb 2017

  • Schwarz-Weiß-Porträt eines jungen Mannes mit Brille im Halbprofil

    Ármin Langer

    „Von der Langeweile des friedlichen Zusammenlebens“

    Interview
    18. Okt 2016

  • Porträt einer Frau mit Brille, die lächelt und direkt in die Kamera schaut

    Marion Kraft

    „Der Anteil, den Schwarze Soldaten an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus hatten, droht in Vergessenheit zu geraten”

    Livestream
    6. Jul 2016

  • Porträt einer jungen Frau, die lächelt

    Çiçek Bacık

    „Bisher wurde immer über uns gesprochen und geschrieben“

    Interview
    13. Okt 2015

  • Porträt einer Frau mit blauem Kopftuch, Lippenstift und Lidschatten, die nach oben links schaut.

    Fereshta Ludin

    „Ich wünsche mir, dass man mir mehr in die Augen schaut als auf das Tuch“

    Interview
    16. Sep 2015

  • Schwarz-weiß-Porträt eines Mannes.

    David Ranan

    „Anders, aber nicht fremd“

    Interview
    6. Jul 2015

  • Ausschnitt aus einem Buchcover: Es zeigt einen in Zeitung gewickelten Fisch, von dem man Kopf und Schwanzflosse sieht.

    Ahmad Milad Karimi

    „Warum ich gerne Muslim bin und wieso Marlon Brando viel damit zu tun hat“

    Interview
    9. Mär 2015

  • Porträt einer Frau mit Brille, die lächelt und direkt in die Kamera schaut

    Alina Gromova

    Generation „koscher light“. Junge russischsprachige Jüdinnen*Juden in Berlin

    Interview
    8. Sep 2014

  • Eine ältere Frau mit Brille und Kopftuch (links im Bild) spricht mit einer jüngeren Frau, die ebenfalls eine Brille trägt und am rechten Bildrand steht.

    Canan Turan

    Kıymet oder: Eine filmische Hommage an meine Großmutter

    Interview
    4. Jul 2014

  • Auf dem Cover ist ein Foto von drei spielenden Kindern zu sehen

    Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf

    InderKinder. Über den kreativen Umgang mit Zuschreibungen

    Interview
    19. Mär 2014

  • Drei Frauen im Profil an einem Tisch, die lächelnd Bücher signieren

    Alice Bota, Khuê Pham und Özlem Topçu

    „Neue deutsche Geschichten“

    Interview
    29. Jan 2014

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