Ende 1936 verließen Ernst und Margot Rosenthal Deutschland und emigrierten in die USA, in der Hoffnung auf ein Leben ohne Diskriminierung und Verfolgung.

Bruno Heidenheim (gest. 1940): Album zum Abschied von Margot (1913–2010) und Ernst Rosenthal (1898–1971), Chemnitz, 1936; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Um ihnen den Abschied leichter zu machen, schenkte ihnen die befreundete Familie Heidenheim den „Kleinen Knigge für große Leute“, ein liebevoll collagiertes Album aus selbstgedichteten Merksprüchen und ausgeschnittenen Zeitungsbildern. Augenzwinkernd sollte es die Rosenthals auf ihr neues Gastland vorbereiten.
Das Album zum Durchblättern
Widmung der Familie Heidenheim an das Ehepaar Rosenthal auf dem Vorsatzblatt des Abschiedsalbums; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Unseren lieben Freunden Margot und Ernst Rosenthal wünschen wir in der Stunde des Abschieds von Herzen Glück. Bruno Heidenheim, Eva Heidenheim, Annamaria Heidenheim. Chemnitz, 10. Dezember 1936“, heißt es auf dem Vorsatzblatt des Abschiedsalbums; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Der selbst gestaltete Schmutztitel des Abschiedsalbums von Bruno Heidenheim; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Kleiner Knigge für große Leute, This book is the production of Bruno Heidenheim, Chemnitz, 10. Dezember 1936.“ Der selbst gestaltete Schmutztitel des Albums bildet den Auftakt der folgenden humorvollen Collagen; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Mit der Skyline von Chicago bebildertes Gedicht zur neuen Heimat der Rosenthals; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Der Hoffnung auf ein neues Glück“ – Amerika als Land der Träume, soll jedem „der mit Fleiß und Kraft“ zu arbeiten weiß, ein Leben in Wohlstand ermöglichen. Mit Bildern der Skyline von Chicago illustriert Heidenheim sein Gedicht von der neuen Heimat der Rosenthals; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Gedicht über die Nacht nach der Abschiedsfeier der Rosenthals; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Von Mayonnaisen-Eiern und Morpheus, dem Gott der Träume – allegorische Figuren schmücken die humorvollen Reime Heidenheims über die Nacht nach der Abschiedsfeier der Rosenthals; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Hilf mir, Amerika!“ – Rahmenhandlung des Abschiedsalbums; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Diese Seiten erzählen eine Art Rahmenhandlung: Das Ehepaar Rosenthal liegt im Bett, als Ernst von einem Albtraum heimgesucht wird. Seine Frau – „Hasi“ genannt – versucht ihn zu wecken. Schließlich fährt er mit einem Schrei aus dem Schlaf auf: „Hilf mir, Amerika!“; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Einleitung zum folgenden Knigge für Amerika; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Ein Buch auf sicheren Tatsachen“ – hier leitet Heidenheim den folgenden Knigge für Amerika ein, damit den Rosenthals keine Fauxpas passieren; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 1 der Benimmregeln, die in den Vereinigten Staaten zu beachten sind, über das Grüßen; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Hier beginnen die scherzhaften Benimmregeln, die in den Vereinigten Staaten zu beachten sind: „Kapitel 1. Was muss der Gent vom Grüßen wissen?“
Viele ausgeschnittene Zeichenfiguren, die teilweise mit dem Kopf von Ernst Rosenthal versehen sind, erklären, wie sich ein Gentleman auf der Straße zu verhalten habe. Vom Hutziehen über das Begrüßungsritual bis hin zum typischen „Keep Smiling“, das durch ein breites Grinsen des damals beliebten Komikers Stan Laurel dargestellt ist; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 2 und 3 des Knigges, „Der Kuss“ und „Wo geht der Gent“; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Doch anʼdre Länder, anʼdre Sitten“ – Die Doʼs and Donʼts des Datings dürfen natürlich nicht fehlen und werden hier in Kapitel 2 „Der Kuss“ und 3 „Wo geht der Gent“ dargelegt, herrschen in Amerika wohl andere Sitten als in Deutschland. So geht der Mann stets am Gehwegrand zur Straße, um die „Miss“ vorm spritzenden Autoschmutz zu schützen; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 4 „The Conversation“ – Übersetzungen des alltäglichen Sprachgebrauchs; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Beach“ oder „Bitch“? In Kapitel 4 „The Conversation“ wird von kleinen Tücken des alltäglichen Sprachgebrauchs erzählt, welche mit lustigen Illustrationen versehen wurden; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 5 „Bei Tisch“. Heidenheim erläutert die Benimmregeln beim Restaurantbesuch; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Bei Tisch“: Auf der rechten Seite haben die Freunde Ernst Rosenthal und Bruno Heidenheim an einem Restauranttisch Platz genommen. Nun werden die Benimmregeln erläutert: Man müsse der Dame beim Platznehmen behilflich sein, sie maßvoll bedienen, dürfe Fleisch- und Fischmesser nicht verwechseln, das Wasser im Finger-Bowl nicht austrinken und vor allem: „Nie rülpse, immer leise kau’n. Man rülpst nur in der China-Town.“; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 7 und 8 – Knigge für ein gepflegtes Äußeres; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
In der typischen Collagetechnik, die bunte Zeitschriftenausschnitte und handschriftliche Reime kombiniert, folgen der wöchentliche Besuch im Barber-Shop, einige Tipps zur Finger- und Gesichtspflege und die Frage nach der Blume im Knopfloch; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 9 – weitere Anweisungen zum Umgang zwischen Mann und Frau; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Stehʼ auf!! Cigarre aus dem Schnabel!“ – Hier geht es um weitere Regeln zum Umgang mit Damen sowie um sprachliche Missgeschicke, die es zu vermeiden gilt; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 10 – weitere Arten und Unarten; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Die „Unsitten des Spuckens“ – Heidenheim lässt in seinem Knigge kein Thema aus; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Kapitel 11 und 12 – Chewing gum und Barbesuch; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Beim Essen klebʼ ihn untern Tisch“ – so gibt Heidenheim seinem Freund scherzhafte Anweisung zum Umgang mit „Chewing gum“. Auch „im Saloon“ sollen die Rosenthals wissen „how to behave“; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Heuchelei statt Gambelei; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Heuchelei statt Gambelei – der letzte Tipp von Bruno Heidenheim für die Rosenthals: nicht jede Schmeichelei für bare Münze nehmen; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Weissagung und Vorausahnung; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Ich kann Amerika“ steht auf dem Schild, das Ernst Rosenthal auf der linken Seite in die Luft hält. Seine Frau „Hasi“ ist glücklich und stolz auf ihren Mann. Das Einleben in den neuen Alltag scheint geglückt zu sein. Rechts eine „Vorausahnung“: Im Jahr 1966, dreißig Jahre nach der Auswanderung, würden die Heidenheims die Rosenthals in Chicago besuchen. „Adé, adé, vergesst uns nicht. Wir geben euch den Segen mit. Glück sei die Ernte überm Meer. Glaubt mir, uns wird der Abschied schwer.“ Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Heidenheims Vision für seinen Freund Ernst Rosenthal; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
„Lotte: ,Say Alfred-Dear, who is this man on the monument?‘
Alfred: ,Well, Darling, do you remember little Ernst of Chemnitz? He went famous all over America.‘
Lotte: ,What is the inscription on the monument?‘
Alfred: ,The thankful Stars the grand Doc.‘
Lotte: ,Ain’t he great?!‘“
So lautet Bruno Heidenheims „Vorausahnung“ für seinen Freund Ernst Rosenthal; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Rückseite des Abschiedsalbum; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Rückseite des Abschiedsalbum. Zu dem vorausgeahnten Besuch ist es nie gekommen. Bruno Heidenheim starb 1940 an den Folgen der schweren Zwangsarbeit; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2017/285/0, Schenkung von Karin und Steve Rosenthal, Foto: Roman März
Our Stories: „Ade, Ade vergesst uns net, wir geben euch den Segen mit. Glück sei die Ernte überm‘ Meer, glaub mir uns fällt der Abschied schwer.“ Aubrey Pomerance, Leiter des Archivs und Kurator für die neue Dauerausstellung, erzählt von diesem Zeugnis einer engen Freundschaft und zwei unterschiedlichen Lebenswegen.
Zur gesamten Video-Reihe Our Stories
Zum Album in unseren Online-Sammlungen.
Dauerausstellung: 13 Dinge – 13 Geschichten (13)
13 Dinge – 13 Geschichten
Ein Tora-Schild, eine Skulptur, ein Kissen: 13 ungewöhnliche Objekte erzählen 13 Geschichten jüdischen Lebens. Eine Tour der JMB App führt quer durch unsere Dauerausstellung zu Hinguckern aller Art, manche klein, manche groß. Was wäre ein Museum ohne seine vielen Dinge, jedes reich an Bedeutung? Einen Vorgeschmack auf die Objekte bekommen Sie auch hier auf unserer Website.

L’amitié au coeur (Herzensfreundschaft)
Étienne-Maurice Falconet (1716–1791), Paris, 1765, Marmor

Memmelsdorfer Genisa
Memmelsdorf (Fundort), ca. 1725–1830, Papier, Tinte, Textil, Leder, Porzellan

Tora-Schild
gestiftet von Isaak Jakob Gans (1723–1798), Hamburg, 1760–1765, Silber

Schewirat ha-Kelim (Bruch der Gefäße)
Anselm Kiefer, 1990–2019, Blei, Eisen, Glas, Kupferdraht, Holzkohle und Aquatec

Familienbild Manheimer
Julius Moser (1805–1879), Berlin, 1850, Öl auf Leinwand

Puppenspiel
König Salomo und die Königin von Saba, Käte Baer-Freyer (1885–1988), Berlin, ca. 1924, Sperrholz, Metalle

Zierkissen
Daniel Josefsohn (1961–2016), Berlin, 2014/15

Silber aus ehemals jüdischem Besitz
Provenienz: bis 1939 unbekannter jüdischer Besitz, 1939, Finanzbehörde Hamburg

Abschiedsgeschenk
Album zum Abschied von Margot (1913–2010) und Ernst Rosenthal (1898–1971), Bruno Heidenheim (gest. 1940), Chemnitz, 1936

Handwaschbecken
Hersteller: S. & D. Loewenthal, Frankfurt am Main, 1895–1996, Silber

Bereits ausgewandert
Nicht abgeholte Mitgliedsausweise der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, 1949

Komposition
Otto Freundlich (1878–1943), 1938, Tempera auf Karton

„Judenstern“
aus dem Besitz der Familie Lehmann, Berlin, 1941–1945
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Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland
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