Heftcover mit Collagetechnik, auf dem in einzelnen Buchstaben Het OWC draufgeklebt sind.

„Ik neurie mee ’t propellerlied …“

Het Onder­water-Cabaret als Zeugnis poli­tischen Wider­stands im nieder­ländischen Exil (1943–1945)

Curt Blochs deutsch-nieder­ländische Zeitschrift „Het Onder­water-Cabaret“ ist ein beeindruck­endes Zeugnis mutigen individu­ellen politischen Wider­stands. Sie war nicht nur für ihren Verfasser, sondern auch für die wenigen Leser­innen und Leser von existenz- und sinn­stiftender Bedeutung.

Mit der Verschlechterung der Lebens­bedingungen in den Nieder­landen seit dem Frühjahr 1943 nahm der Wider­stand gegen die deutschen Besatzer auch in der breiteren nieder­ländischen Bevölkerung zu. Kleinere Wider­stands­gruppen entstanden, in der Regel ohne Kontakt zueinander, so beispiels­weise in Amsterdam die Gruppe De Ondergedoken Camera (Die unter­getauchte Kamera), die zwischen 1943 und 1945 die Aktivitäten der deutschen Besatzung fotografisch dokumentierte.1

Für die versteckt lebenden jüdischen Exilantinnen und Exilanten steigerte sich die Erfahrung eines Ohnmachts­gefühls, eines Gefühls, jede Möglichkeit aktiven Handelns verloren zu haben und nicht mehr selbst­bestimmt leben zu können.

Die daraus resultie­rende Frage nach der Wieder­erlangung individueller wie kollektiver Handlungs­fähigkeit löste in manchen Fällen auch in der Isolation künstlerische Aktivitäten aus – die die Ereignisse dokumen­tierten und Zeugnis ablegten, die den wenigen Gleich­gesinnten die Kraft zum Weiter­leben gaben und sich den politischen Entwick­lungen entgegen­stellten.

Auch die Untergrundzeitschrift Het Onder­water-Cabaret (OWC) (Das Unterwasser-Kabarett), deren erstes hand­gefertigtes Heft der deutsch-jüdische Exilant, promovierte Jurist und spätere Antiquitäten­händler Curt Bloch am 22. August 1943 in seinem Versteck im nieder­ländischen Enschede „erscheinen“ ließ, nahm ihren Anfang in dieser Erfahrung.2

Wer ist Curt Bloch?

Curt Bloch (1908–1975), deutscher Jurist und Autor des handgefertigten Untergrundmagazins Het Onderwater-Cabaret, Pseudonym Cornelis Breedenbeek, 1933 Flucht in die Niederlande, ab August 1942 dort im Versteck

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Die erste Ausgabe des OWC

Ihre erste, 18 Seiten umfas­sende Ausgabe ist von einem gestalteten Deck­blatt und einem Abspann mit der Werbung für ein von Bloch selbst verfasstes Jugend­buch umschlossen.3 Nach einem orientier­enden Inhalts­verzeichnis folgen drei Gedichte in nieder­ländischer Sprache, „Vroeger, thans en straks“ („Früher, jetzt und bald“), „Groote mannen“ („Große Männer“) und „Spoken. Een griezelig verhaal“ („Geister. Eine gruselige Geschichte“).4 Sie themati­sieren das Elend alltäg­lichen Lebens unter der deutschen Besatzung, den Energie- und Lebens­mittelmangel ebenso wie die in alptraum­artige Bilder gefassten psychischen Belas­tungen des Lebens im Versteck. Scharf kritisiert Bloch Hitler und Mussolini als Empor­kömmlinge, die ihre verblendeten Völker in einen Krieg treiben, der mit einer Nieder­lage enden werde. Die politischen Ereig­nisse an der Ostfront und in Italien, bis zum Sturz Mussolinis im Juli 1943, die die Hoffnung der im Versteck Leben­den auf ein schnelles Ende des Krieges nähren konnten, unter­liegen als historische Folie schließlich auch dem vierten – als ein­zigem Text in deutscher Sprache verfassten – Gedicht des ersten Heftes.

Sein Titel „Der Schleier von Catania“ lässt die Geschichte der Agata von Catania assoziieren, deren Schleier – der Über­lieferung nach – den Ausbruch des Ätna zu stoppen vermochte. In satirischer Verkehr­ung des Bildes attackiert das Gedicht die Goebbels’sche Propa­ganda und Verschleier­ungstaktik, die die über­raschende Landung der britischen 8. Armee und der amerika­nischen 7. Armee am 10. Juli 1943 auf Sizilien sowie die fast kampflose Übernahme Catanias und anderer Städte der Region in einen Schachzug deutscher Kriegs­führung um­deutete und damit den wahren Kriegs­verlauf zu verschleiern suchte. Mit dem Hinweis „Für das 4e Reichs-Cabaret“ versehen, wird mit diesem Gedicht zugleich ein gleich­namiges Format innerhalb der Zeitschrift eingeführt, das mit Gedichten in aus­schließlich deutscher Sprache in den Folge­heften zu einem festen Bestandteil des OWC werden sollte. In kabaret­tistischer Manier wurde darin in satirischem, teilweise sarkas­tischem Tonfall die deutsche Propa­ganda ad absurdum geführt.

Ein fünftes Gedicht des ersten Heftes, erneut in nieder­ländischer Sprache, trägt einen für die Unter­grund­zeitschrift insgesamt program­matischen Charakter und ist unter dem Titel „Het Propellerlied“ dem militä­rischen Kampf gewidmet. Ein lyrisches Ich schreibt sich darin – im Blick auf die Bombar­dierung Hamburgs und des Ruhrgebietes durch die Royal Air Force (RAF) – aus einer Situation der Ver­zweiflung und Mut­losigkeit aus dem Versteck heraus:

[…]

Is soms mijn moed erg diep gezonken,

Kijk ik de dingen somber aan

En hoor dan met motorenronken

De RAF. naar Duitschland gaan,

(Ist mein Mut manchmal sehr tief gesunken,

Seh‘ ich nur Düsteres in den Dingen

Und höre dann mit Motorengedröhn

die RAF nach Deutschland gehn,)

Die Geräusche der Militäraktionen und die damit verbundenen Hoffnungen, das ‚Dritte Reich‘ zu zer­schlagen, bringen dem lyrischen Ich „Lin­derung seines Leidens“. Es nimmt das Summen des Propellerliedes auf und damit zugleich ein gemein­schafts­stiftendes „Wir“ des militär­ischen Kampfes der Alliierten, – ohne die Ambivalenz seines Wunsches nach Wider­stand und dessen möglicher Verwirk­lichung aus dem Blick zu verlieren.

[…]

Ik neurie mee ’t propellerlied:

Wij vliegen met gezoem, gebrom,

Of ziekenhuis, of Keulsche Dom,

Het wordt verbrijzeld door een bom,

Of een fabriek of burgerhuis,

Wij slaan het Derde Rijk tot gruis.

(Ich summe mit das Propellerlied:

Wir fliegen mit Gesumm, Gebrumm,

Ob Krankenhaus, ob Kölner Dom,

Es wird zerschmettert von einer Bombe,

Ob eine Fabrik, ob ein Wohnhaus,

Wir schlagen das Dritte Reich in Scherben.)

In einem Sprachspiel der doppel­deutigen Rede von einer Tante Betje, einem Aus­druck, der im Nieder­ländischen den stilistischen Fehler einer verkehrten Stellung eines Satz­gliedes bezeichnet,5 wird dieser Fehler im Sprach­lichen im Gedicht mit der verkehrten politischen Haltung der Figur einer Tante Betje parallelisiert. Das lyrische Ich fordert schließlich in den letzten Strophen des Gedichts die durch die Motoren­geräusche verängstigte Tante Betje auf, von ihm zu lernen. Sie soll ihre Ängste vor den Bombern in der Nacht als eine verkehrte Perspektive überwinden. Stell­vertretend für eine imaginierte Leser­schaft wird sie aufgefordert, das Summen der Motoren nicht zu fürchten, sondern vielmehr fröhlich aufzunehmen und weiter­zutragen – und sich auf diese Weise dem Wider­stand im Propeller­lied anzu­schließen.

[…]

Daar moet ik zeggen, Tante Betje

Ik vind je standpunt heel verkeerd

Je moest het vinden een verzetje

Ik wou, dat je dat van me leert:

Hoor jij des nachts motoren brommen

En het beneemt je dan den slaap,

Denk dan, het kan me niets verdommen,

Zeg vroolijk tegen Oome Jaap:

Zij vliegen met gezoem, gebrom,

Of ziekenhuis of Keulsche Dom

Of het wordt verbrijzeld door een bom,

Of een fabriek, of burgerhuis,

Zij slaan het Derde Rijk tot gruis.

(Da muss ich sagen, Tante Betje

Ich find dein‘ Standpunkt ganz verkehrt

Du solltest es als Zerstreuung empfinden

Ich wünschte, du würdest das von mir lernen:

Hörst du des nachts Motoren brummen

und es raubt dir dann den Schlaf,

denk dann, es kann mir nichts anhaben,

sag fröhlich zu Onkel Jaap:

Sie fliegen mit Gesumm, Gebrumm,

Ob Krankenhaus, ob Kölner Dom

Es wird zerschmettert von einer Bombe,

Ob eine Fabrik, ob ein Wohnhaus,

Sie schlagen das Dritte Reich in Scherben.)

Chronist im Versteck

Dass Curt Bloch als einziger Heraus­geber und Verfasser des OWC schließlich mit insgesamt 95 Heften, einem Konvolut von über 1.000 Seiten, als „Chronist“6 die Ereignisse des Krieges vom August 1943 bis zu Blochs Befreiung in Borne am 3. April 1945 begleiten sollte, dürfte er anfangs selbst nicht vermutet haben. Und obgleich sich Aussehen und Gestaltung der Hefte in den folgenden Wochen und Monaten weiter­entwickelten, bleiben thematische Schwer­punkte des ersten Heftes ebenso wie die Collagen auf dem Um­schlag eine Konstante. Ab Ende Dezember 1943 integriert Bloch in seine Texte auch Zeitungs­ausschnitte,7 deren Umfang wie Länge zudem ab Januar 1944 noch zunimmt.

Handschriftlich verfasste Doppelseite mit Überschrift De Spekballade.

„De spekballade“ (Die Ballade vom Speck), Ausschnitt, Het Onderwater-Cabaret vom 30. August 1943; Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unter­stützung der Familie von Curt Bloch

Auch in den späteren Heften des Jahres 1943 kommt in Gedichten wie „De spekballade“ („Die Ballade vom Speck“) im Heft vom 30. August 1943 oder „Het fruitsprookje“ („Das Märchen vom Obst“) im Heft vom 4. September 1943 die schwierige Situation im Unter­grund und des Lebens im Versteck immer wieder zur Sprache und wird auf den Um­schlägen der ersten beiden Hefte auch grafisch ein­drucksvoll ins Bild gesetzt. Ein anfangs manchmal noch komischer oder Happy End-artiger Charakter dieser Texte, beispiels­weise bei der Lebens­mittel­beschaffung in der „Ballade vom Speck“, weicht jedoch zunehmend Bildern einer verelendeten Existenz im Versteck.

Die Gedichte reflektieren die Ver­zweiflung über das Ausbleiben der erwarteten Befreiung, sie beschreiben die Ängste und das zermür­bende Warten im Versteck. So wird in dem Gedicht „Der neue Prometheus“ im Heft vom 14. Oktober 1944 die Situation im Unter­grund mit der endlosen Folter des Prome­theus verglichen. Im letzten, holprigen Kreuzreim des Gedichtes gerät zugleich die Gefährdung des Schreibens selbst literarisch ins Bild.8 Auch das Gedicht „Afscheid van het OWC” im Heft vom 15. April 1944 zeugt von den Schwie­rigkeiten, das Zeit­schriften­projekt über diesen langen Zeitraum aufrecht­zuerhalten, ohne dass eine Änderung der Lage der Versteckten in Sicht ist. Den Dichter beherrschen Resigna­tion und Erschöpf­ung. Seine Über­zeugung von den Möglich­keiten kabaret­tistisch-satirischer Behandlung des Krieges gerät in eine tiefe Krise. Er verkündet im Gedicht das Ende von Het Onder­water-Cabaret.

Afscheid van het OWC.

Wij wachten nu al maanden lang,

Dat ergens iets geschiedt,

Wij willen vrij uit ons gevang,

Want langer kan het niet.

[…]

Men ziet geen eind, men ziet geen slot

En geen vooruitzicht meer

En voor dit feit verstomt ons spot,

De tijd drukt ons terneer.

(Abschied vom OWC.

Wir warten schon seit Monaten,

Dass irgendwo etwas passiert,

Wir wollen frei sein aus unserer Gefangenschaft,

Denn es ist nicht länger auszuhalten

[…]

Man sieht kein Ende, man sieht keinen Schluss,

Und keine Aussicht mehr,

Angesichts dessen verstummt unser Spott,

Die Zeit drückt uns nieder.)

Ungeachtet der Erfolge der Alliierten an der Front dauerten die Kriegs­ereignisse fort. Die Lebens­situation in den Nieder­landen verschärfte sich dramatisch. Die Depor­tationen der Juden aus den Nieder­landen wurden bereits im September 1944 so gut wie abgeschlossen. Der Hunger­winter des Jahres brachte die gesamte Bevöl­kerung in größte existenzielle Not. Die von Hunger und Kälte geprägte Schreib­situation manifestierte sich selbst in der Gestaltung der Hefte: In den letzten Winter­monaten des Krieges wird Blochs Schrift zunehmend unleserlich, sodass er ab Ende Januar 1945 seine Gedichte nur noch in Druck­schrift schreibt.

Wie schwer sich angesichts der Kriegs­ereignisse, der Depor­tationen und des Hungers eine zuver­sichtliche Haltung aufrecht­erhalten ließ, zeigen auch sehr persönliche Verse Curt Blochs, die seiner Mutter Paula und seiner Schwester Helene gewidmet sind. Blochs Geburtstags­gedicht „Voor Moeder (14 April)“ im Heft vom 8. April 1944 enthält eher furchtsam anmutende Formu­lierungen einer „ … kleine kans, / dat men elkaar naar (sic.) afloop dezer tijden / Nog eens in leven wederziet“ (kleinen Chance, / Dass man sich am Ende dieser Zeiten / Einmal lebendig wiedersieht). Paula Bloch war ebenso wie Curt Blochs jüngere Schwester Helene Anfang 1943 verraten, aus einem Versteck in Leiden verhaftet und über Wester­bork nach Sobibor deportiert worden. Die sehr persön­lichen Gedichte, die der Sorge um die beiden Frauen sowie der Trauer über den fehlge­schlagenen Versuch, sie zu schützen, gewidmet sind, nehmen eine Sonder­stellung im OWC ein. Dazu gehören allein vier Gedichte des 2. OWC-Hefts Hallo Yvonne! vom 30. August 1943, dem 20. Geburts­tag Helenes, die hier mit den Namen „Yvonne“, dem Namen, den sie im Versteck ange­nommen hatte, „Leni“ und „Schwester­lein“ ange­sprochen wird. Um nicht völlig zu verzwei­feln, zwingt sich das lyrische Ich der Texte, dem Wissen „van Nazigruweldaden […], van massamoord en massagraf“9 im Osten Europas die unge­stützte Hoffnung auf einen „deus ex machina“ entgegen­zusetzen: Der Ausruf „Polen is nog niet verloren“10 bleibt jedoch von Ver­zweiflung bestimmt. Das lyrische Ich versucht, die abwesende Schwester – und damit vor allem sich selbst – innerlich zu stärken und zum Durch­halten zu ermutigen:

Houd moed und blijf vertrouwen

En tracht om elke prijs in ´t leven je te hoûen,

Want al het andre komt terecht.

(Bewahre Mut und bewahre die Zuversicht,

Und strebe danach, um jeden Preis dein Leben zu bewahren,

Denn alles andere wird sich fügen.)

(aus dem Gedicht „Hallo Yvonne!“, im: OWC-Heft vom 30.08.1943)

Die Gedichte oszillieren in dieser Weise zwischen dem Wissen um die Verhaftung der im Versteck ver­ratenen Angehörigen, der Angst um deren Schicksal und der Weigerung, die Hoffnung auf ihr Über­leben aufzugeben.11

Collage: ein Hase sitzt auf einer grünen Wiese umgeben von bunten Ostereiern.

„Voor Moeder“ aus dem Heft vom 8. April 1944, rezitiert von Richard Gonlag, 0:47 Minuten, auf Niederländisch; Abbildung: Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch

Deutsche Übersetzung: Für Mutter

Ein Jahr ging dahin, ein Jahr ohne Nachrichten, 
Ich weiß heute nicht, wo Sie sind, 
Und doch werde ich heute etwas für Sie dichten, 
Ich bin nun mal von jeher dran gewöhnt,

Für Ihren Geburtstag ein Gedicht zu schreiben, 
Und darum tue ich das auch jetzt. 
Auch wenn es vorläufig ungelesen bleiben wird, 
Hoffe ich noch immer auf die kleine Chance,

Dass man einander nach Ablauf dieser Zeiten 
Noch mal im Leben wiedersieht. 
Man weiß nicht, wohin unser Schicksal führen wird 
Und ob es für uns gut ausgeht – oder auch nicht.

Heute sind es keine Geburtstagsjubelklänge, 
Der Jubel ist schon lang vorbei, 
Ich möchte Ihnen, Mutter, heute nur danken 
Für alles, was Sie für mich getan haben.

Das OWC als politisches Projekt

Unge­achtet dieser eindrucks­vollen Zeug­nisse persönlichen Schicksals, tritt das indivi­duelle Erleben im OWC dennoch tendenziell hinter eine, in kabaret­tistisch-satirischer Weise geführte, politische Aus­einander­setzung mit dem faschis­tischen Deutsch­land und den Folgen der deutschen Besatzung in den Nieder­landen zurück. Das OWC erscheint in erster Linie als ein politisches Projekt, aus einer anti­faschistisch-sozia­listischen Perspektive heraus geschrieben.

Bereits in dem Gedicht „Der November­ling” im Heft vom 11. Dezember 1943 ver­schränkt der Autor in diesem Sinne program­matisch den Geburts­tag des lyrischen Ich mit politischen November­ereignissen der Vergangen­heit, zeichnet es als von der Revolution „infiziert“ und beschreibt so den Ver­fasser als einen anti­faschistischen, sozialistischen Dichter:12

[…]

Ich fühle mit der Masse,

Begreife ihre Not

Und darum bin ich heute

Politisch ziemlich rot.

Hab‘ ich auch heute Sorgen,

Ich achte sie gering

Ich glaube an das Morgen,

Ich bin Novemberling.

Noch im ersten Heft vom Januar 194513 übernimmt das lyrische Ich im Gedicht „De Verzetsbeweging“ daher auch die im OWC fast durchgehend einge­nommene Perspektive der Wider­stands­kämpfer – hier schließlich in den Auseinander­setzungen zwischen den Alliierten, den Ver­bündeten und Widerstands­gruppen über die Bildung legitimer Regie­rungen in den befreiten Staaten, indem es die Regierungen von Papandreou in Griechen­land und Pierlot in Belgien als Regie­rungen von „pseudo-democraten” beschreibt.

In einer Reihe program­matischer Gedichte des Konvoluts wird zudem bereits in den ersten Monaten der Entstehung von Het Onder­water-Cabaret erkennbar, welche Ambitionen Curt Bloch mit diesem Projekt vor allem verfolgte: Im Gedicht „Het Onder­water Cabaret“ im Heft vom 18. Dezember 1943 positioniert er seine Zeit­schrift nicht nur als „ziemlich rot“, sondern beansprucht zugleich – in Abgrenzung zu öffent­lichen Publikationen der Zeit – unabhängig und frei die Wahr­heit zu verbreiten, zu schreiben, was in anderen Zeitungen nicht mehr zu lesen war und damit eine anti­faschistische Auf­klärung zu leisten. Im OWC-Heft vom 29. Januar 1944 formuliert das Gedicht „Ein Ziel“ dieses Anliegen noch einmal ausdrücklich, wenn es darin heißt:

[…]

So hat mein Dichten einen Zweck:

Die Hirne zu laxieren

Und Göbbels Propagandadreck

Aus ihnen abzuführen.

Vor dem Hinter­grund der Kriegs­ereignisse wird im OWC vorgeführt, welche Untaten die National­sozialisten und deren Mit­läufer zu verant­worten haben und wie konträr sich das von ihnen propagan­distisch Verkündete dazu verhält.

So präsentiert das Gedicht „De ‚bevoorrechten‘“ (Die „Privilegierten“) im Heft vom 4. September 1943 zunächst das Selbst­bild von Anhängern des National­sozialismus, die sich als privilegierte Träger einer unbeug­samen Ideologie („als van staal“) und künftige Nutznießer eines bevor­stehenden Sieges betrachten, – um diese Perspektive im Fortgang des Textes gleich doppelt zu brechen. Zum einen wird dieses Selbstbild am Anfang des Gedichts durch eine verglei­chende Parallel­stellung von Bildern als verfehlt markiert: Es wird auf die Über­zeugung von Geistes­kranken, aufgeklärt zu sein, projiziert und mit der Wahr­nehmung von Affen im Zoo verglichen, die die Besucher selbst als hässliche Affen betrachten. Zum anderen wird dieses Selbst­verständnis schließlich in der letzten Strophe ganz explizit als verfehltes Denken zurück­gewiesen:

Jij bent voorbarig, jonge kwast,

Zou jij ook maar iets verder kijken

Dan zou het lot, waarnaar je vlast,

Je zeker niet meer zoo ‘bevoorrecht’ lijken.

(Du bist voreilig, junger Tor

würdest du nur etwas weiter schauen

Dann würde dir das Schicksal, worauf du erpicht bist

bestimmt nicht mehr privilegiert erscheinen.)

Die häufig satirisch angelegte Konfron­tation von national­sozialistischer und wider­ständischer Perspektive findet sich schon in den ersten Heften und setzt sich auch in jenen Gedichten fort, in denen Zeit­ungs­meldungen integriert sind. Dabei ist die Strategie umso überzeugender, als darin nun die National­sozialisten selbst zu Wort kommen. Ihre Position wird nicht, wie noch im „Schleier von Catania“ oder in den „‚bevoorrechten‘“, literarisch ins Bild gesetzt, sondern ist wörtlich im Dokument der Zeitung präsent.

Diese Technik einer konfron­tativen Collage illustriert das Gedicht „Oude kranten“ im gleich­namigen Heft vom 22. Januar 1944 exemplarisch.

Oude kranten

Een zeldzame bekoring

Geeft mij een oude krant

Men kan er veel uit leeren,

Hij is interessant.

Je kunt eraan goed merken,

Hoe gauw de tijd vervliegt,

En buitendien blijkt duidelijk

Hoezeer men ons beliegt

[…]

(Alte Zeitungen

Ein seltene Verführung

ist mir eine alte Zeitung

Man kann daraus eine Menge lernen,

Sie ist interessant.

Man kann darin gut erkennen,

Wie rasch die Zeit verfliegt,

Und außerdem zeigt sie deutlich

Wie sehr man uns belügt.

[…])

Zunächst kom­mentarlos wird dem Gedicht eine nieder­ländische Zeit­ungsmeldung vom 25. September 1939 beigefügt, die eine Erklärung von Goebbels und einen Beschluss der Reichs­regierung wiedergibt, nach der das Deutsche Reich die Souverä­nität Belgiens, der Nieder­landen und Luxem­burgs strikt respektieren werde. Derart propagan­distische Lügen werden in den Texten paraphrasiert, um sie schließlich mit dem Hinweis auf den tatsäch­lichen Kriegs­verlauf zu desavouieren:

Er kwam wel krijg met Rusland,

Amerika kwam ook

En de krantenillusies

Zijn opgegaan in rook.

(Es kam der Krieg mit Russland,

Amerika kam auch

Und die Zeitungsillusionen

Haben sich in Rauch aufgelöst.)

Eine von der nationalsozialistischen Propaganda als „roddel“ (Klatsch) denunzierte Sichtweise erweist damit ihre Wahrhaftigkeit.

Erkennbare Ziele des OWC können daher – neben einer mentalen Ent­lastung ihres Verfassers durch kreative politische Tätigkeit und der Ermutigung einer kleinen zeit­genössischen Leser­schaft – vor allem in einer Auf­klärung über die zeit­genössischen politischen Ereignisse in zweierlei Richtung gesehen werden: Atta­ckieren die Texte einerseits die Ideologie und Praxis des faschis­tischen Regimes in Deutsch­land und in den besetzten Nieder­landen, indem sie dessen Propa­ganda – nicht zuletzt im deutsch­sprachigen Format des „4. Reichs-Cabarets“ – eine ent­larvende, aufklärende Haltung ent­gegensetzen, richten sich die Gedichte anderer­seits gegen die nieder­ländischen Kollabo­rateure und beschreiben insbe­sondere in den nieder­ländischen Texten die Folgen der deutschen Besatzung bis in das alltägliche Leben hinein.

So grenzt sich das OWC nach­drücklich ab von der Propaganda einer Nazi-Zeitung wie Volk en Vaderland oder attackiert das kulturelle Angebot der Frontzorg, einer Abteilung der N.S.D.A.P., die nieder­ländischen SS-Kämpfern an der Ostfront Pakete schickte. Im Gedicht vom „Proloog voor NSBers en Duitsch­gezinden” („Prolog für NSBer und Deutschgesinnte“) im Heft vom 11. September 1943 verbindet der Verfasser die Ab­lehnung der „Frontzorg“ mit einer ihn bewegenden „Sorge um die innere Front“:

Aan „frontzorg“ is gewijd dit spel

Als zorg voor het inwendig front

Hekelt het onverbloemd en fel

Of NSB. of Arbeidsfront:

(Der „Frontzorg“ ist dieses Spiel gewidmet

In der Sorge um die innere Front

Prangert sie unverblümt und heftig an

Ob NSB, ob Arbeitsfront:)

Das OWC übernimmt dabei – wie im „Propel­lerlied“ – immer wieder die Position des militä­rischen Kampfes sowie des Wider­stands im Unter­grund. Im Gedicht „De nieuwe service“ („Der neue Dienst“) im gleichen Heft vom 11. September 1943 begrüßt es in diesem Sinne die Erschießung von Kollabo­rateuren durch nieder­ländische Widerstands­gruppen wie der CS-6. Auch das Gedicht „Afrekening“ („Abrechnung“) im Heft vom 9. Oktober 1943 thematisiert das Bedürfnis nach Rache und Ver­geltung als ethisch gerecht­fertigt, wenn es darin heißt:

Het is geen laag en leelijk wraakgevoel

Dat heden zelfs de vroomste menschen gaat bezielen,

Het is een zuiver hunkern naar gerechtigheid.

(Es ist keine niedrige und hässliche Rache

Die heute selbst die frommsten Menschen begeistern wird,

Es ist eine reine Sehnsucht nach Gerechtigkeit.)

Scharf kritisieren mehrere Gedichte zudem die Kollabo­ration und Korrumpierung nieder­ländischer Kultur­schaffender, etwa von Willem Mengelberg, dem Chef­dirigenten des Concert­gebouworkest, dessen Konzerte für national­sozialistische Funktionäre und Organi­sationen als ein blasphemischer Dienst am „geest van bruut geweld“ (Geist brutaler Gewalt) verurteilt werden.14

Zeitgenössisch singulär in diesem Zusam­menhang ist die Kritik des OWC an der ideologischen Instrumen­talisierung Rembrandts durch die National­sozialisten, die sich in dieser Weise weder in der illegalen Presse noch in der nieder­ländischen Öffentlich­keit jener Jahre finden lässt. Während Rembrandt wegen seiner persön­lichen Beziehungen zu Juden und der Bedeutung von jüdischen Figuren und biblischen Themen in seinem Werk unter National­sozialisten – vor allem bei der SS – durchaus umstritten war,15 knüpfte die NS-Kultur­politik in den Nieder­landen an eine bereits vor dem Krieg bestehende natio­nalistische Rembrandt­verehrung an. Forciert wurde ein wahrer Rembrandt-Kult, in dem Rembrandt – als nieder­ländischer Maler ‚germa­nischen Geistes‘ – zum Symbol national­sozialistischer Kultur­arbeit avancierte.16 Neben diversen Publikationen und Veran­staltungen, wurde der Geburtstag von Rembrandt zum Nationalfeiertag erklärt, der 1944 zugleich den Höhepunkt einer nationalen Kulturwoche bildete. Das Haus von Rembrandt in Amsterdam galt den Nationalsozialisten als besonders schützenswert. Das Gedicht „Het Rembrandthuis te Amsterdam“ („Das Rembrandt-Haus in Amsterdam“) im OWC-Heft vom 13. Mai 1944 kritisiert diese kultur­politische Verein­nahmung Rembrandts mit dem Argument, dass diejenigen, die vorgeben, mit dem Haus den Geist Rembrandts zu schützen, diesen mit der Deportation der Bewohner des Viertels gerade zerstört haben. So bleibt das „Rembrandthuis“ als ein Symbol für Humanität am Ende des Gedichtes aufgehoben in einer bitteren Ambivalenz: Zwar ist es noch anwesend im alten Juden­viertel der Stadt und „trotzt dem Wahnsinn der Zeit“ („trotseert den waanzin van den tijd“), die Menschen des Viertels aber, an denen die humanitas sich erst erweisen würde, wurden verschleppt und getötet („weggevoerd en zijn gedood“).

Heftcover mit Collagetechnik, auf dem in einzelnen Buchstaben Het OWC draufgeklebt sind.

Cover des OWC-Hefts vom 31. Dezember 1944; Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch

Jüdische Erfahrung und Widerstehen

Das Judentum, das in diesem Text dabei mit zum Thema wird, spielt in den Gedichten Curt Blochs – von einigen bereits erwähnten persön­lichen Texten abgesehen – eine eher unter­geordnete Rolle. Der Autor, der sich als Anti­faschist versteht und eine universalistisch aus­gerichtete Botschaft von Freiheit und Gerechtigkeit vertritt, erlebt seine jüdische Herkunft vor allem in den Erfahrungen von Ausgrenzung, Verfolgung und eines Lebens im Versteck. Man ist nun, wie es in einem Gedicht vom 25. September 1943 heißt, „een […] verstoppeling“,17 – eine wortspielerische Zusammen­führung von „verstoppen“ („verstecken“) und „verschoppeling“ („Verstoßener“). Und als Bloch im Dezember 1944 sein Versteck in Enschede verlassen und bei einer Familie in Borne untertauchen muss, identifiziert sich das lyrische Ich über die Figur des Ahasver erneut mit der jüdischen Gemein­schaft, indem es sich fragt: „Wohin wird Euch, wohin wird mich das Schicksal führen?“18 Das Gedicht „Abschied“, das im Heft vom 31. Dezember 1944 diese Frage formuliert, gehört wie das Gedicht „Ahasver“ vom 13. Januar 1945 zu den wenigen Gedichten der Zeitschrift, in denen jüdisches Schicksal explizit zum Thema wird. In beiden Texten ist die literarische Bezug­nahme auf den „ewig wandernden Juden“ nicht nur an die Identifikation mit einer verfolgten Gemein­schaft, sondern zugleich an eine Vorweg­nahme der erhofften Befreiung und an die Sorge um ein ungewisses Schicksal der Ver­steckten gebunden.

So gibt das lyrische Ich im Gedicht „Abschied“ vor allem seiner Hoffnung auf ein Ende aller Leiden Aus­druck19 und auf das „frohe Wieder­sehen“ einer auseinander­getriebenen Gemein­schaft.

Aufgeschlagene Doppelseite mit dem handschriftlichen Gedicht: Abschied.

„Abschied“ , OWC-Heft vom 15. April 1944; Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch

Dagegen greift das Gedicht „Ahasver“ zwar das überkommende Bild des „ew’ge(n) Jude(n)“ auf, der „von Ort zu Ort“ irrt, „Gehöhnt, verfolgt, geschlagen“. Es gibt dem anti­semitischen Topos jedoch eine zweifache wider­ständige Wendung: Zum einen identifiziert sich der Autor in der Figur noch einmal explizit positiv mit einem jüdischen Kollektiv als einer Schicksals­gemeinschaft, wobei die Ewigkeit der Wanderung zugleich ins Bild setzt, dass die Gemeinschaft „nicht zu besiegen“ ist – ewig wandern bedeutet auch ewig Überleben. Zum anderen wird diese Perspektive noch gesteigert, indem im Bild des Wucherns ein weiterer anti­semitischer Topos umgekehrt und an die Ankün­digung einer Bestrafung gebunden wird: Nicht die Juden, sondern ihre Peiniger werden für ihre Untaten hohe Zinsen empfangen – „Die Schläge, die ihr gabt, / Kriegt ihr zurück mit Zinsen, / Mit Zins und Zinseszins“.20

„Was wird geschehn?“ Das Ende des OWC

Dass aber die Zuversicht einer ange­messenen Vergeltung der faschis­tischen Verbrechen nicht ungebrochen blieb, zeigen Gedichte wie „Was wird geschehn?“ im Heft vom 6. Januar 1945. Es formuliert bereits die Sorge, was nach dem Krieg mit den Nazis und was mit Hitler passieren werde, ob das „Welt­gericht“ die richtige Ent­scheidung fällen und eine Vergeltung der Schuld der National­sozialisten erfolgen werde. Als das letzte Heft des OWC am 3. April 1945 schließlich vorlag, hatte sich nach dem Willen seines Verfassers der unmittelbare Zweck seiner Zeitschrift zunächst erfüllt. Denn „als er eindelijk komt de vreê, / Verdwijnt direct het OWC.“ (Denn wenn endlich der Frieden kommt, / verschwindet das OWC sofort.), hatte Bloch bereits am Anfang seines Projektes, im Heft vom 18. Dezember 1943, in dem Gedicht „Het Onder­water Cabaret“ bekundet.

Eine sich in allen Heften manifes­tierende unmittelbare Gebundenheit der Texte an die tagesaktuellen politischen Ereignisse erwies sich schließlich nicht nur für deren Rezeption im Versteck, sondern auch im Blick auf eine imaginierte (künftige) Leserschaft, die durch Aufklärung gegen eine politische Verführung immunisiert werden sollte, durchaus als Problem. Konnte die Zeit­schrift vor dem Ende des Krieges zunächst aus nachvollziehbaren Gründen nur einem kleinen Kreis von Helfern und Vertrauten zugänglich gemacht werden,21 da ihr Auffinden ihren Verfasser ebenso gefährdet hätte, wie deren Leserinnen und Leser,22 lassen die Texte zugleich eine intendierte Leserschaft in nieder­ländischen Mitläufern und einer verblendeten deutschen Bevölkerung erkennen, zu deren Aufklärung und Umer­ziehung sie nach Ende des Krieges beitragen sollten. Damit verbundene Probleme wie Chancen einer künftigen Lektüre thematisierte Curt Bloch selbst in seinem Gedicht „An meine deutschen Leser“ im Heft vom 3. Juni 1944:

[…]

Und lest ihr sie, müsst ihr nicht denken,

Die sind nun nicht mehr aktuell,

Drum kann man sich das Lesen schenken,

Drum weg damit und möglichst schnell.

Denn amüsant ist die Lektüre

Für manche Leute sicher nicht,

Die sehn, man sitzt hier über ihre

Verfloss’ne Dummheit zu Gericht,

Die Dummheit der vergangnen Zeiten,

Denn die steht grausam hier zu Buch,

Die sie schwer büssten und bereuten

Für ihr Gefühl schon schwer genug.

Die Hoffnung Curt Blochs auf eine Publikation seiner Gedichte nach dem Krieg, die die Umerziehung der Deutschen und der nieder­ländischen Kollabora­teure begleiten sollte, hat sich schließlich nicht erfüllt. Dennoch hatte die Zeitschrift Het Onder­water-Cabaret nicht nur für ihren Verfasser, sondern auch für ihre wenigen Leserinnen und Leser eine wichtige existenz­erhaltende wie sinnstiftende Funktion. Sie bleibt heute ein beein­druckendes Zeugnis mutigen individuellen politischen Wider­stands während der deutschen Besetzung der Nieder­landen.

Kerstin Schoor ist Professorin an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und Mitglied im Direktorium des Selma Stern Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Als Literatur- und Kultur­wissenschaftlerin beschäftigt sie sich unter anderem mit deutsch­sprachiger Exilliteratur nach 1933 und deutsch-jüdischer Literatur vom 18. bis zum 21. Jahrhundert.

Saskia Schreuder ist Lehrerin an der weiter­führenden Schule, dem Staring College in Lochem, und Teacher in Residence am Pre-University College of Society der Radboud Universität in Nijmegen (Nieder­lande). Sie setzt sich in ihrer Forschung mit deutsch-jüdischer Literatur auseinander und promovierte zu jüdischer Erzähl­literatur im national­sozialistischen Deutschland.

Der vorliegende Beitrag ist eine erweiterte Fassung des gleich­namigen Aufsatzes im JMB Journal, Nr. 26, S. 54-67.

Zitierempfehlung:

Kerstin Schoor, Saskia Schreuder (2024), „Ik neurie mee ’t propellerlied …“. Het Onder­water-Cabaret als Zeugnis poli­tischen Wider­stands im nieder­ländischen Exil (1943–1945).
URL: www.jmberlin.de/node/10312


  1. Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag von Jeroen Dewulf im JMB Journal, Nr. 26. ↩︎
  2. Ein erstes Buch über Curt Bloch und seine Zeitschrift ist unter dem Titel Het Onderwater Cabaret. Satirisch verzet van Curt Bloch im Herbst 2023 in Zwolle von Gerard Groeneveld erschienen. Siehe auch das Interview mit dem Autor im JMB Journal, Nr. 26, S. 89ff. ↩︎
  3. Boek van Piet en Coba. Hun avonturen in oorlogstijd [Das Buch von Piet und Coba. Ihre Abenteuer in Kriegszeiten] ist nicht erhalten. Im Januar 1945 begann Bloch mit einem dreizehnten Abenteuer eine Fortsetzung des Buches unter dem Titel Nieuwe avonturen van Piet en Coba. Naverteld door Cor. Nieuwe serie, no. 1, januari 1945.Vgl. Groeneveld, S. 51. ↩︎
  4. Bei allen Übertragungen im Text, insbesondere den Übertragungen ganzer Gedichtstrophen ins Deutsche, handelt es sich nicht um Nachdichtungen. Die Rohübersetzung soll hier lediglich die Verständlichkeit des Textes erleichtern. ↩︎
  5. Der Begriff „tante betje“ (auch: tantebetje) wurde von dem Sprachpuristen Charivarius (1870–1946) eingeführt. Er sagte, er sei in Briefen seiner Tante Betje oft auf den Stilfehler gestoßen, vgl. https://onzetaal.nl/taalloket/tante-betje, abgerufen am 7.10.2023. ↩︎
  6. Vgl. das Gedicht „De crisis van het OWC”, im: OWC-Heft vom 25.12.1943. ↩︎
  7. Die wichtigste Quelle Curt Blochs für diese Zeitungsausschnitte war das Twentsch Nieuwsblad. Außerdem konnte die Verwendung folgender Periodika nachgewiesen werden: das Twentsch dagblad Tubantia en de Enschedesche courant, De Telegraaf, die NRC, Huis aan Huis (vermutlich Ausgabe Enschede), Das Hamburger Fremdenblatt, die Münchner Illustrierte Presse, der Illustrierte Beobachter, Volk en Vaderland sowie die Neue JZ. Ab Juli 1944 wird das Twentsch Nieuwsblad rationiert. Bloch bekommt von Helfern Illustrierte, damit er seine Tätigkeit als Chronist fortsetzen kann. Vgl. das Gedicht „Krantenbezuiniging“ ["Zeitungsrationierung"], im: OWC-Heft vom 5.8.1944 sowie das Gedicht „Bedankje voor geïllustreerde bladen“ [“Danke für illustrierte Blätter”], im: OWC-Heft vom 9.8.1944. ↩︎
  8. Wie Prometheus durch die Götter / An den Felsen ward geschmiedet, / Sitz ich hier und fluch und wetter, / Denn ich finde, es ermüdet.↩︎
  9. („von Nazigräueltaten (…), von Massenmord und Massengrab“), aus dem Gedicht „Nog is Polen niet verloren“, im: OWC-Heft vom 30.08.1943. ↩︎
  10. („Polen ist noch nicht verloren“), in: ebd. ↩︎
  11. Curt Bloch erfuhr erst nach Kriegsende, dass sie über Westerbork nach Sobibor deportiert und dort bereits am 21. Mai 1943 ermordet worden waren. Seine Schwester Erna Levy kam 1944 in das Konzentrationslager Stutthof und starb dort am 1. Oktober 1944. Die Nachricht vom Tod seiner Angehörigen stürzte Bloch in eine tiefe Depression. ↩︎
  12. Vgl. u.a. auch die Gedichte: „Ein Ziel“, im: OWC-Heft vom 29.1.1944, „Vrijheidslied”, im: OWC-Heft vom 4.9.1943, „Bloedrood waaien onze vlaggen”, im: OWC-Heft vom 18.12.43. ↩︎
  13. Das Heft trägt kein Datum, es wurde vermutlich in der ersten Januarwoche 1945 erstellt. ↩︎
  14. In: „Aan een Verdwaalde“ („An einen Verirrten“), im: OWC-Heft vom 30.8.1943. ↩︎
  15. Gegen die ideologisch motivierte Abwertung von Rembrandts künstlerischer Qualität durch „diese neunmal dummen Narren“ wendet sich das Gedicht „Kleiner Rembrandtmonolog“, im: OWC-Heft vom 7.10.1944. ↩︎
  16. Vgl. zur ideologischen Instrumentalisierung von Rembrandt durch die Nationalsozialisten: Kees Bruin: Hoe fout was Rembrandt in de oorlog? Over bezit en gebruik van een cultuursymbool. De Gids, Jg. 157 (1994), S. 839–852, hier S. 847. Nach Bruin gab es in den Niederlanden während der Besatzung keinen Protest gegen den ideologischen Missbrauch von Rembrandt. Auch die illegale Presse habe sich hierzu nicht geäußert. ↩︎
  17. Vgl. das Gedicht „Een kleine verstoppeling vraagt“, im: OWC-Heft vom 25.9.1943. ↩︎
  18. In: „Abschied“, im: OWC-Heft vom 31.12.1944, vgl. auch „Ahasverus in dezen tijd“, im: OWC-Heft vom 2.9.1944. ↩︎
  19. So heißt es in dem Gedicht „Abschied“: „Daß am Ende dieser Sorgen, / Einmal tagt ein neuer Morgen / Ohne Schmerz und ohne Leid. // Bauend auf den guten Stern / Laßt uns auseinandergehen, / Hoffend, daß nicht allzufern / Winkt ein frohes Wiedersehen“ ↩︎
  20. Vgl. das Gedicht „Ahasver“, im: OWC–Heft vom 13.1.1945. ↩︎
  21. So heißt es auch im Gedicht „Het Onderwater Cabaret” im Heft vom 18.12.1943 ausdrücklich, dass die Zeitschrift sich lediglich an einen kleinen Kreis von Lesern richten kann: „De lezerkring waarvoor het werkt / Is wel zeer klein thans en beperkt, / Maar men begrijpt, het is geen tijd, / Voor al te grote rugbaarheid. / Doch wie tot nu is abonnée, / Is met het OWC tevrêe.“ („Die Leserschaft, für die es arbeitet, / Ist zwar jetzt sehr klein und beschränkt, / Aber man versteht, es ist nicht die Zeit, / Für allzu große Werbung. / Aber diejenigen, die bisher abonniert haben, / Sind mit dem OWC zufrieden.“) Zu den Lesern des OWC gehörten Bruno Löwenberg und Karola Wolf, mit denen Bloch das Versteck in Enschede teilte, sowie das Ehepaar Bertus und Aleida Menneken, das ihm Unterschlupf gewährte. In Borne nahmen Jeronimo und Johanna Hulshof Curt Bloch auf. Wahrscheinlich blieb er in dieser Stadt noch bei anderen, unbekannten Helfern. Vgl. dazu ausführlicher Gerard Groeneveld: Het Onderwater Cabaret. Satirisch verzet van Curt Bloch, Zwolle 2023, hier S. 47, 62ff., sowie den Beitrag von Aubrey Pomerance im JMB Journal, Nr. 26. ↩︎
  22. Vgl. das Gedicht „Het Onderwater Cabaret“ im Heft vom 18. Dezember 1943 warnend: „Zorgvuldig houdt met het verstekt, / Men wenscht niet, dat men het ontdekt / Want vindt men het, vriend geloof het maar, / Dan was men werkelijk de sigaar“ („Sorgfältig hält man es versteckt, / Man will nicht, dass man es entdeckt / Denn findet man es, mein Freund, / glaub mir, man wäre angeschmiert.“ ↩︎

Collage in grau-blau auf orangem Hintergrund mit blauer Zickzacklinie: der Kopf eines Mannes in einer Taucherglocke, seine Hand umfasst einen Schlauch, daneben ein Manometer.

Alle Angebote zur Ausstellung „Mein Dichten ist wie Dynamit“ Curt Blochs Het Onderwater Cabaret

Über die Ausstellung
„Mein Dichten ist wie Dynamit“ Curt Blochs Het Onderwater Cabaret – 9. Feb bis 23. Jun 2024
Begleitprogramm
Katastrophe. Wirken im Versteck. Führung durch die Ausstellung – Termin nach Absprache
Ausstellungseröffnung – 8. Feb 2024
Kuratorenführung für Mitglieder der FREUNDE DES JMB – 8. Apr 2024
Joodse vluchtelingen – Schicksale deutsch-jüdischer Emigrant*innen in den Niederlanden – 3. Mär 2024
Archivbestände zu deutschen Jüdinnen und Juden in den Niederlanden – Show and Tell für Mitglieder der FREUNDE DES JMB, 7. Mär 2024
Het Onderwater Cabaret Live. Ein musikalisch-literarischer Abend – 11. Apr 2024
Versteckt in Enschede. Zeitzeugengespräch mit Herbert Zwartz – 16. Apr 2024
Publikationen
JMB Journal 26: Het Onderwater Cabaret – Sonderausgabe zur Ausstellung
Digitale Angebote
OWC-Online-Feature – Ein Blick hinter die Kulissen der Aus­stellung
Leben und Werk von Curt Bloch – Essay mit biografischen Einblicken, JMB Journal 26
Auf dem Flügel meiner Phantasie – Video mit Marina Frenk, Richard Gonlag und Mathias Schäfer, auf Deutsch, Niederländisch und in deutscher Gebärdensprache
„Es ist kompliziert“ – Ein Text von Simone Bloch, Tochter von Curt Bloch, JMB Journal 26
Aktuelle Seite: „Ik neurie mee ’t propellerlied …“ – Essay über Het Onder­water-Cabaret als Zeugnis poli­tischen Wider­stands im nieder­ländischen Exil (1943–1945)
Untergrundliteratur in den Niederlanden 1940–1945 – Essay, JMB Journal 26
Alle Audiostücke der Ausstellung – mit Transkriptionen und Übersetzungen
Alle Ausgaben von Het Onderwater-Cabaret – zum Durchblättern
Siehe auch
Überleben im Versteck
Zum Webprojekt www.curt-bloch.com

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