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Symposium zum 70. Jahrestag der Nacht der ermordeten Dichter

Im Rahmen der Sommeruniversität für jiddische Sprache und Literatur (mit Video-Mitschnitt auf Jiddisch, Deutsch und Englisch)

Am 12. August 2022 jährt sich zum 70. Mal die Nacht der ermordeten Dichter, der Höhe­punkt der stalin­istischen Verfol­gungen jüdischer Intellek­tueller. Mit Dovid Bergel­son, Peretz Markish, Itsik Fefer, Dovid Hofshteyn, Leyb Kvitko und anderen wurden die wichtig­sten sowjetisch-jiddischen Literaten ermordet, von denen die meisten aus dem Gebiet der heutigen Ukraine stammten und sich in der Kiewer Gruppe zusammen­schlossen. In den 1920er Jahren lebten viele von ihnen zeit­weise im Berliner Exil. Auf Veranlassung der sowjetischen Regierung gründeten sie im Zweiten Welt­krieg das Jüdische Anti­faschistische Komitee. Als dieses 1948 durch Stalin auf­gelöst wurde, wurde seine Mit­glieder verfolgt, verhaftet und zum Teil nach Schau­prozessen ermordet.

Mitschnitt verfügbar

Übersichtsplan mit allen Gebäuden, die zum Jüdischen Museum Berlin gehören. Die W. M. Blumenthal Akademie ist grün markiert

Wo

W. M. Blumenthal Akademie,
Klaus Mangold Auditorium
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 1, 10969 Berlin
(gegenüber dem Museum)

Diesen Dichtern und der jiddischen Kultur, die sie inner- und außerhalb der Sowjet­union aufbauten und repräsen­tierten, widmen die Sommer­universität für jiddische Sprache und Literatur und das JMB ein Tages­symposium. In zwei Panels ordnen renommierte Wissenschaft­ler*innen der sowjetisch-jüdischen Kultur­geschichte die Ereignisse des 12. August 1952 und ihre Konse­quenzen durch neueste Forschungs­ergebnisse ein und diskutieren außer­dem das literarische Vermächtnis der ermordeten Dichter.

Abge­schlossen wird die ganz­tägige Gedenk­veranstaltung mit der Lesung Lies diese Zeichen. Ein Abend zum 70. Jahrestag der Nacht der ermordeten Dichter im Glashof des JMB. Lena Gorelik, Olga Grjasnowa, Lana Lux und Sasha Marianna Salzmann lesen aus Texten der ermordeten Dichter in deutscher Übersetzung. Tal Hever-Chybowski liest aus den jiddischen Originalen.

Programm

Dieses Symposium wird die Nacht der ermordeten Dichter neu beleuchten und neue Wege des Verständnisses jenseits des Dogmatismus des Kalten Krieges für ein breites Berliner Publikum in zwei aufeinander­folgenden Panels erproben.

Panel 1, 14-16:30, Die Nacht der ermordeten Dichter – Geschichte und Vermächtnis (auf Englisch)

In Panel 1 werden führende Wissenschaftler*innen der sowjetischen jiddischen Kultur und des jüdischen Kalten Krieges (Gennady Estraikh (NYU) und Miriam Schulz (University of Toronto)) neben den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Jüdische Antifaschistische Komitee die unmittelbare Nachkriegszeit in der Sowjetunion und die stalinistischen antijüdischen Säuberungen genau nachzeichnen, auf welche Weise dieses Ereignis im Laufe des jüdischen Kalten Krieges mit Bedeutung aufgeladen wurde, innerhalb des westlichen Soviet Jewry Movements und des Überbleibsels der poststalinistischen sowjetischen jiddischen Kultur im Umfeld der Zeitschrift Sovetish Heymland (Sowjetisches Heimatland).

  • Hauptvortrag: Gennady Estraikh (NYU, Professor für sowjetische jiddische Kultur und Geschichte, Leiter des Shivdler-Projekts "Eine umfassende Geschichte der Juden in der Sowjetunion") wird über die Arbeit des Jüdischen Antifaschistischen Komitees und die stalinistischen antijüdischen Säuberungen 1948-1952/3 sprechen.
  • Miriam Schulz (Ray D. Wolfe Postdoctoral Fellow 2021-23, Anne Tanenbaum Centre for Jewish Studies | Centre for Diaspora & Transnational Studies, University of Toronto, war Forschungsassistentin für das Shivdler-Projekt "A Comprehensive History of the Jews of the Soviet Union") wird über die Erinnerung an den Prozess während des Kalten Krieges und die Entstehung der "Nacht der ermordeten Dichter" sprechen.
  • Anschließend Gespräch und Q&A zwischen Estraikh und Schulz über die Bedeutung und das Vermächtnis in Ost und West bis heute.

Panel 2, 16:30-18, Das interdisziplinäre Kooperationsprojekt Das kurze Leben der sowjetischen jiddischen Literatur und die Nacht der ermordeten Dichter

Im zweiten Panel werden neueste Forschungen zur sowjetischen jiddischen Kultur und zum Jüdischen Antifaschistischen Komitee vorgestellt, die im Rahmen des interdisziplinären Kooperationsprojekts Das kurze Leben der sowjetischen jiddischen Literatur zwischen dem Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow, dem Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin und der Professur für Slavische Judaistik der Universität Regensburg durchgeführt werden. Das Kooperationsprojekt nimmt die Nacht der ermordeten Dichter zum Ausgangspunkt und erforscht die jiddische Literatur in der Sowjetunion zwischen 1917 und den 1970er Jahren. Im Rahmen unseres Symposiums werden die beteiligten Wissenschaftler*innen vorstellen und diskutieren, wie der Prozess und die Ermordung von 1952 ihre Forschungen zur sowjetischen jiddischen Kultur vor dem Hintergrund von Revolution, Bürgerkrieg und Emigration, aber auch der Erfahrung des Stalinismus und des Holocausts prägen und welche neuen Einsichten sich trotz der etablierten Narrative ergeben. Die Podiumsgäste stellen jeweils einen Aspekt des Kooperationsprojekts vor und diskutieren, inwieweit der 12. August 1952 in den jeweiligen Teilprojekten eine Rolle spielt, wie die Ereignisse (möglicherweise neu) gelesen werden.

  • Sabine Koller (Professorin für Slawistik-Jüdische Studien, Universität Regensburg, wissenschaftliche Leiterin des interdisziplinären Kooperationsprojekts Das kurze Leben der sowjetischen jiddischen Literatur) stellt Leben und Werk von Dovid Bergelson und ein neues Projekt zur Übersetzung seines Werks ins Deutsche vor.
  • Alexandra Polyan (Universität Regensburg, Postdoc des interdisziplinären Kooperationsprojekts Das kurze Leben der sowjetischen jiddischen Literatur) stellt Leben und Werk von Peretz Markish vor
  • Jakob Stürmann (Dubnow-Institut, Postdoc des Projekts The Short Life of Soviet Yiddish Literature) referiert über das Jüdische Antifaschistische Komitee.
  • Anschließend Podiumsdiskussion und Q&A mit Miriam Schulz und Gennady Estraikh, hauptsächlich über den 12. August 1952 und eine Problematisierung der Periodisierung des Projekts The Short Life of Soviet Yiddish Literature.

In Kooperation mit Maison de la culture yiddish – Bibliothèque Medem. Gefördert durch die EAJS, European Association of Jewish Studies.

Sommeruniversität für jiddische Sprache und Literatur

Vom 8. bis 26. August 2022 findet die Sommer­universität für jiddische Sprache und Literatur des Pariser Maison de la culture yiddish – Bibliothèque Medem zum dritten Mal am Institut für Ost­europa­studien der Freien Universität Berlin statt, in diesem Jahr erstmalig in Partner­schaft mit dem Jüdischen Museum Berlin und im Zeichen der jiddischen Kultur in der Sowjetunion. Studierende aus aller Welt erleben ein reichhaltiges, hybrides Programm an Sprach­kursen für Anfänger bis Fort­geschrittene. Begleitet wird es von kulturellen Aktivitäten für das breite Berliner Publikum wie jiddische Musik-, Theater-, Konversations- und Kochworkshops, Stadt­rundgänge zum jiddischen Berlin sowie einem jiddischen Film­festival.

Was, wann, wo?

  • WannSo, 14. Aug 2022, 14 Uhr
  • Wo W. M. Blumenthal Akademie,
    Klaus Mangold Auditorium
    Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 1, 10969 Berlin
    (gegenüber dem Museum)
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